Denkmaldatenbank

Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, Juristische Fakultät der FU Berlin

Obj.-Dok.-Nr. 09075350
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Ihnestraße 22, 24
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Forschungseinrichtung
Datierung 1926-1927
Umbau 1935
Entwurf Sattler, Carl (Architekt)
Entwurf Ebbinghaus, Carl (Bildhauer (?))
Ausführung Otto Laternser (Bauausführungen)
Bauherr Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften

Der frühere Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, Ihnestraße 22/24 ist das erste, 1926-27 von Carl Sattler erbauten Forschungsgebäude für die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Das Gebäude hat eine lang gezogene, fast schmucklose Putzfassade mit klarer Fenstergliederung. (1) Gleichzeitig wurden auf dem großen Grundstück eine Direktorenvilla und ein Tierlaboratorium an der Harnackstraße errichtet, für die Sattler auch verantwortlich zeichnete. 1935-36 folgte ein ebenfalls von Sattler gestalteter Erweiterungsbau des Haupthauses. So entstand in Kontinuität der vor dem Ersten Weltkrieg errichteten Dahlemer Institute wiederum eine eigenständige Forschungsanstalt, die nach dem so genannten "Harnack-Prinzip" - eine für den Forscher maßgeschneiderte Einrichtung - organisiert war. Hier war es der Freiburger Anthropologe und Rassenhygieniker Eugen Fischer, der das Institut als Direktor bis 1942 leitete. In den drei Abteilungen arbeiteten Wissenschaftler an Fragen nach Herkunft und Vererbung des Menschen. Bisher hatte man in Deutschland, anders als zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika, das Forschungsfeld auf Pflanzen und Tiere beschränkt. Die humangenetischen Forschungen des 1927 gegründeten Instituts erlangten zunächst internationale wissenschaftliche Reputation, sie bereiteten jedoch auch den Boden für die nationalsozialistische Rassenpolitik. Unter Eugen Fischer, einem führenden Wegbereiter der nationalsozialistischen Rassentheorien, und unter seinem Nachfolger Otmar von Verschuer war das Institut unmittelbar in die Verbrechen der Nationalsozialisten verstrickt.

Der Hauptbau längs der Ihnestraße zeigt die von Carl Sattler bevorzugten bodenständigen Ordnungsprinzipien süddeutscher Architekturschulen - Sattler entsprach sicherlich auch mit diesem Gebäude dem konservativen Selbstverständnis der Gesellschaft. Zudem geben die barocken Brüstungskörbe der Balkone dem Haus etwas Palaisartiges, was mit Blick auf die Rückseite noch deutlicher wird. Hier zeigt sich das Stammgebäude als Dreiflügelanlage. Sattler knüpfte damit, wenn auch weitaus schlichter, an Ihnes Architektur der ersten Institutsbauten der KWG an, die vom Rückgriff auf den Schlosstypus geprägt sind. Vorne, an der Schauseite, wird die Symmetrie des Ursprungsbaues lediglich betont durch den Haupteingang mit Rundbogen, bekrönt vom Bronzekopf der helmbewehrten Minerva, der Göttin der Wissenschaft, dem von Carl Ebbinghaus geschaffenen Emblem der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Die gleichförmige Fensterreihung spiegelt die einstige Forschungstätigkeit des Instituts wider, die vor allem aus empirischen Untersuchungen und beschreibenden analytischen Arbeiten bestand. Größere Laboratorien und eine besondere technische Ausstattung wurden nicht gebraucht. Damit erfüllte der U-förmige, einbündige Grundriss mit lichten Fluren genau die Institutsanforderungen. (2) Nahtlos schließt in den vorgegebenen Formen südwestlich der Ergänzungsbau von 1936 an. Die vom Büro Sattlers betreute beträchtliche Erweiterung des Instituts um ein Drittel ist ein Indiz für die Vereinnahmung des Instituts für die Rassenideologie des NS-Staates. Forschungen im Dienste der rassenhygienischen Ziele der NS-Ideologie bekamen einen immer größeren Platz eingeräumt. Bereits bei der Gründung des Instituts 1927 waren als Forschungsbereiche neben Anthropologie und Humangenetik auch Rassenhygiene, Eugenik, benannt worden. 1928 wurde die Aufgabe formuliert, "Ursachen, die eine Veränderung des erblichen Anlagenbestandes eines Volkes hervorrufen", zu erforschen, "um eine Verbesserung der erblichen Gesundheit und Kraft des Volkes zu erzielen." (3) Fischer stellte im Sommer 1933 sein Institut ganz in den Dienst der neuen Machthaber. Leiter und Mitarbeiter des Instituts lieferten nicht nur Argumente für die Rassen- und Geburtenpolitik der Nationalsozialisten, sondern sie fungierten auch als Ausbilder von SS-Ärzten, die in den Konzentrationslagern grausame Untersuchungen an Häftlingen vornahmen, die häufig ohne Skrupel ermordet wurden. So war Eugen Fischers Nachfolger Otmar von Verschuer Mentor und Lehrer des KZ-Arztes Josef Mengele gewesen. Von seinem ehemaligen Assistenten Mengele bekam er für seine Arbeiten Blutproben, Organ- und Augenpräparate. (4) An den Anteil des Instituts an der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik erinnert eine am Haupteingang angebrachte Mahntafel. 1948 übergab die amerikanische Militärregierung die Institutseinrichtungen der gerade gegründeten Freien Universität. Heute wird das Hauptgebäude vom Fachbereich politische Wissenschaften, dem Otto-Suhr-Institut, genutzt.

Rückwärtig zur Harnackstraße stehen die Direktorenvilla für Eugen Fischer und ein Stallgebäude. Carl Sattler passte die Nebengebäude dem Stil des Hauptgebäudes an, sodass eine einheitliche Baugruppe, einst umgeben von gärtnerischen Anlagen, entstand. Der zweigeschossige Villenbau mit ausgebautem Walmdach wird heute vom angrenzenden Bücherturm des Magazins, der Bibliothek der Freien Universität, fast erdrückt. Das Haus im Stil süddeutscher Bauästhetik wird umgeben von Anbauten mit darüberliegenden Terrassen, die Bezug zum einstigen Garten nahmen. Reste der Gartenanlage sind an der Harnackstraße vorhanden, zu der auch der direkte Gartenausgang liegt. Auf der anderen Seite, dem Institut zugewandt, befindet sich dagegen der Hauseingang. Die Villa ging nach 1948 in den Bestand der Freien Universität über und sie gehört seitdem zum Campus. Während der Studentenproteste in den 1960er Jahren stand das Gebäude, in dem das Kuratorium der FU residierte, im Brennpunkt der Auseinandersetzungen. Jetzt sind hier unter anderem zentrale Universitätseinrichtungen untergebracht. Nördlich der Villa, in Richtung Harnack-Haus, befindet sich das frühere Stallgebäude (Nr. 13). Mit Walmdach, Fledermausgauben und Sprossenfenstern entspricht es so gar nicht einem konventionellen Stallgebäude. Der kleine Bau war einst für Affen, Hunde, Kaninchen und Hühner gedacht, die als Versuchstiere gebraucht wurden. Der polygonale Erker mit Sprossenfenster weist auf den früher hier untergebrachten Operationsraum hin. Neuere Fenstereinbauten zum Hof und ein roter Fassadenanstrich stören das Erscheinungsbild des Gebäudes, in dem heute ein Café eingerichtet ist.

------------------------------------------------

(1) Villen, Rost- und Silberlauben 1993, S. 26; Gill/Klenke 1993, S. 9, 24 f.; Uebele 1998, S. 24 f.; Henning/Kazemi 1993, S. 36-42; Henning/Kazemi 2002, S. 62-74; Braun 1987, S. 82, 85, 89; BusB V B, S. 212 f., 310; Scherer 2007, Bd. 1, S. 222 f., Abb. 94-96; Bd. 2, Obj. 247, S. 343-349; Dahlemer Erinnerungsorte 2007, S. 170-192; Uebele 1998, S. 134-137.

(2) Braun 1987, S. 85.

(3) Handbuch der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft von 1928. Zit. in: Henning/Kazemi 1993, S. 39 und Villen, Rost- und Silberlauben 1993, S. 26.

(4) Zit. nach: Villen, Rost- und Silberlauben 1993, S. 26; Dahlemer Erinnerungsorte 2007, S. 170-192.

Literatur:

  • Henning, Eckart und Marion Kazemi/ Dahlem-Domäne der Wissenschaft in
    Max-Planck-Gesellschaft. Berichte und Mitteilungen (1993) 3 / Seite 36-42
  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 168

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen