Denkmaldatenbank

Henry-Ford-Bau (FU Berlin) mit Hörsaal (Auditorium maximum)

Obj.-Dok.-Nr. 09075334
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Garystraße 35, 37

Boltzmannstraße & Harnackstraße
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Hochschule
Datierung 1952-1954
Entwurf Sobotka und Müller (Architekt)
Bauherr Kurator der FU Berlin, Neubauabteilung (Bauausführungen)
Ausführung Boswau und Knauer
Ausführung A. Stapf

Als Hauptbau des Campus der Freien Universität Berlin hebt sich unverkennbar der 1952-54 errichtete Henry-Ford-Bau, Garystraße 35/37, aus der Gruppe der Bauten der Nachkriegszeit ab. (1) Der weiß erstrahlende, dem wissenschaftlichen Diskurs gewidmete Bau symbolisiert in seiner für die damalige Zeit ungewohnten Modernität den demokratischen Neubeginn in West-Berlin und in der Bundesrepublik, für den auch die Gründung der Freien Universität Berlin (FU) im Blockadejahr 1948 steht. In seiner materialbetonten und zugleich lichten Beton-Glas-Architektur ist das Gebäude auch demonstratives Zeugnis für eine westlich-moderne Bauweise und die deutsch-amerikanische Verbundenheit. Bildhaft sollte das neue Hauptgebäude sich als "Bastion geistiger Freiheit" gegen "kommunistische Unfreiheit" behaupten, wie es der damalige Bundesinnenminister Gerhard Schröder bei der Einweihungsfeier am 19. Juni 1954 ausdrückte. (2) Trotz des späteren enormen Ausbaues der Universität mit einem zweiten Campus um die Fabeckstraße hat der Henry-Ford-Bau seine Bedeutung als wichtigstes Repräsentationsgebäude der FU bis heute nicht verloren.

Der Zentralbau - mit rund 18.000 Quadratmetern erster Berliner Großbau der Nachkriegszeit auf kulturellem Gebiet - wurde benannt nach der die Universitätsgründung finanziell ermöglichenden amerikanischen Henry-Ford-Foundation, die auch diesen Bau finanzierte. Der Entwurf stammt von den in Wien gebürtigen Architekten Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller, die 1951 als erste Preisträger aus einem Wettbewerb für einen Hochschulcampus in Dahlem hervorgingen. Von ihrem Entwurf eines lockeren, von parkähnlichen Grünzügen durchwobenen Campus wurde nur der Henry-Ford-Bau realisiert, da man wegen der stark gestiegenen Studentenzahlen größeren zusammenhängenden Fakultätsgebäuden den Vorzug gab.

Für Sobotka & Müller bestand die Aufgabe darin, für die bereits vorhandenen Universitätsinstitute in Gebäuden der früheren Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die ohne sichtbaren Zusammenhang verstreut lagen, ein Zentrum mit Hörsälen und Bibliothek zu planen. (3) Sie schufen einen Komplex, der sich funktionell in zwei von der Harnackstraße getrennte Nutzungsbereiche unterteilt: den östlichen, sich bis zur Boltzmannstraße erstreckenden Auditoriumsbau, den eigentlichen Henry-Ford-Bau, und die westlich liegende L-förmige Universitätsbibliothek mit eigenem Haupteingang zur Garystraße, die von einem rückwärtigen elfstöckigen Bibliotheksturm überragt wird. Beide Bauteile verbindet ein zweigeschossiges Brückengebäude über der Harnackstraße.

Der Auditoriumsbau besteht aus zwei parallel zur Garystraße liegenden Hörsaaltrakten, wobei der vordere mit Theatersaal des Collegium Musicums, Seminarräumen und dem 1.200 Plätze fassenden Auditorium Maximum weit bis an die Boltzmannstraße vorgreift. Beide Bauteile sind mit einer zweigeschossigen, vollflächig verglasten Wandelhalle, die zu beiden Seiten Eingänge aufweist, verbunden. Wandelhalle, Auditorium Maximum und der kleinere Hörsaalflügel bilden zur Boltzmannstraße einen Ehrenhof, der als Erinnerung an den Ehrenhof der alten Berliner Universität Unter den Linden verstanden werden sollte. (4) Im Inneren der mit 15 mal 75 Metern großzügigen Halle - verbindendes Foyer und kommunikatives Forum zugleich - sind die frei vor die Glasfront gestellten, schlanken Betonsäulen, die frei tragende, leichte Treppe und die ebenso frei schwebende Galerie grandiose Markenzeichen der Moderne der 1950er Jahre. Vor allem hier veranschaulichen Offenheit und Transparenz der Halle den demokratischen Neuanfang der Universität. Zudem gilt der Bau als Inkunabel der bundesrepublikanischen Nachkriegsmoderne - als ein wichtiges Werk im Oeuvre von Sobotka & Müller, deren Bauten den Wiederaufbau West-Berlins maßgebend geprägt haben. Sie vermochten es, der neuen Universität eine identitätsstiftende und kraftvolle bauliche Mitte zu geben, ohne an die monumentale Architektur vergangener Zeiten anzuknüpfen. Mit ihrem material- und konstruktionsbetonten Stil interpretierten sie die Prinzipien des Neuen Bauens der 1920er/-30er Jahre neu, wobei sie klassische Pathosformeln wie Ehrenhof und Tempelfront geschickt einbanden. Beeindruckend gelang es, die enorme Baumasse locker gegliedert erscheinen zu lassen, wobei vor allem das Auditorium Maximum des Hörsaaltraktes als Kernstück der neuen Universität eine besonders kraftvolle Ausprägung erhielt. Symbolträchtig schwingt die gebogene Natursteinwand der Rückfront nach Osten und soll damit Abgrenzung gegenüber der DDR zum Ausdruck bringen. (5) Während die verwitterte Oberfläche dieser Mauer aus Nagelfluh der fensterlosen Fassade Plastizität verleiht, gliedern bis zum Dach aufstrebende, breite Betonpfeiler die verglasten Längsfronten. Sie werden von einer weit auskragenden Dachplatte abgefangen. Gesims und Pfeiler geben dem Saal etwas Sakrales, sie lassen das Auditorium gleichsam als Tempel der Wissenschaft erscheinen. Nach der 2007 abgeschlossenen maßvollen Modernisierung und denkmalgerechten Sanierung (6) zeigt sich der Henry-Ford-Bau wieder in seiner alten Klarheit und Transparenz als historischer Zentralbau des Campus.

In der Front des Bibliothekstraktes setzt sich entlang der Garystraße die Fassadensystematik des Collegium Musicums fort. Hohe schlanke Fenster und ein zurückgesetztes Erdgeschoss rhythmisieren auch dort den dreigeschossigen Gebäudeflügel. Den Eingang kennzeichnen eingestellte Rundpfeiler. (7) Hier finden neben Seminar- und Verwaltungsräumen mehrere Lese- und Zeitschriftensäle ihren Platz. Hell und mit einer zeittypischen Leichtigkeit sowie mit einer Glasdecke zur Belichtung zeigt sich der große Hauptlesesaal im zweiten Obergeschoss. Eine umlaufenden Galerie nimmt die Präsenzbibliothek auf. Geschickt setzten Sobotka & Müller den elfgeschossigen Bücherturm, der von Anfang an eine Million Bücher aufnehmen konnte, an die Hofseite. Die aufragende Baumasse wird an der Nordwand durch Glasbausteine aufgelöst und feinteilig gerastert. Hier sorgen gondelartige Entstaubungsbalkone für eine zusätzliche Gliederung. 1976 musste die Kapazität des Magazins durch einen zehngeschossigen Stahlbetonanbau erweitert werden, der wiederum unter der Leitung von Sobotka & Müller entstand. Zudem kam 1989-93 zur Ihnestraße ein größerer Erweiterungsbau in Verlängerung des Verwaltungstraktes nach der Planung von Plessow & Ehlers zur Ausführung. Die drei würfelförmigen Baukuben, in offener Bauweise durch Gänge verbunden, nehmen, weiß gestrichen und mit hohen Fenstereinschnitten versehen, Gliederung und Rhythmus des Altbaues der zentralen Bibliothek auf.

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(1) Wettbewerb um den Neubau der Freien Universität, Der zur Ausführung bestimmte Entwurf der Architekten Sobotka und Müller. In: Neue Bauwelt 42 (1951), S. 750 f.; Redslob, Edwin: Der Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin. In: Bauwelt 47 (1956), S. 97-106; Henry-Ford-Bau und Bibliothek der Freien Universität Berlin. In: Bauwelt 48 (1957), S. 568; Bauten Deutscher Baumeister Berlin, Professor F. H. Sobotka, G. Müller, Bauten 1947-1957, Berlin 1957, Abb. 1-19; Franz Heinrich Sobotka/ Gustav Müller, Bauten - Projekte II, Tübingen 1967, S. 15-34, Taf. 35 f.; Franz Heinrich Sobotka/ Hans-Jürgen Juschkus, Bauten - Projekte III, Tübingen 1979, S. 9-11, 80-85, 192 f.; Reclams Kunstführer 1977, S. 522; Dehio Berlin 2006, S. 468; Villen, Rost- und Silberlauben 1993, S. 15-17; BusB V B, S. 70-73, 294, 324.

(2) Zohlen, Gerwin: Eine gewisse lyrische Stimmung. In: Beilage Tagesspiegel vom 16. April 2007 zur Wiedereröffnung des Henry-Ford-Baues.

(3) Franz Heinrich Sobotka/ Gustav Müller, Bauten - Projekte II, Tübingen 1967, S. 15.

(4) Bauwelt 47 (1956), S. 97

(5) Zohlen, Gerwin, Der Henry Ford Bau im Kontext der Nachkriegsmoderne, Vortrag zur Wiedereröffnung des Henry-Ford-Baus der Freien Universität am 16. April 2007.

(6) Architektonische Planung und Projektleitung der 2005-07 erfolgten Sanierung, in deren Rahmen auch nachträgliche, den Charakter der ursprünglichen Architektur störende Einbauten zurückgebaut wurden, lag in den Händen der Bauplanungs-Abteilung der Freien Universität.

(7) Zur Geschichte der Bibliothek siehe Schmidt, Wieland: Die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin. In: Libri 1954, Bd. 4, S. 293-301.

Literatur:

  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 178

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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