Denkmaldatenbank

Kaiser-Wilhelm-Institut für Zellphysiologie, Archiv der Max-Planck-Gesellschaft

Obj.-Dok.-Nr. 09075310
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Boltzmannstraße 14
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Forschungseinrichtung
Datierung 1930-1931
Entwurf Sattler, Carl (Architekt)
Ausführung Scheibe, Richard (Bildhauer)
Ausführung Heising, Wilhelm (Architekt & Hoch- und Tiefbaugeschäft)
Bauherr Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft

Gegenüber dem Hauptgebäude der Freien Universität, dem Henry-Ford-Bau, wird die Reihe der Einfamilienhäuser entlang der Garystraße von einem großen Grundstück zwischen Boltzmann- und Harnackstraße unterbrochen. Hier befinden sich die beiden letzten vor dem Zweiten Weltkrieg erbauten Dahlemer Institute der KWG. Im Norden zur Garystraße liegt weit zurückgesetzt hinter einem weißen Holzzaun ein breit gelagerter Putzbau. Mit seinem gaubenbestückten Mansardwalmdach, der ausladenden Freitreppe zum Garten und den hohen Fenstern mit Klappläden könnte es sich durchaus um einen Herrensitz handeln. Es ist jedoch das 1930-31 erbaute Kaiser-Wilhelm-Institut für Zellphysiologie, das heutige Otto-Warburg-Haus, Boltzmannstraße 14. (1) Auch für diesen noblen Institutsbau lieferte der Hausarchitekt der KWG Carl Sattler die Pläne.

Kein anderes Institut der KWG verkörpert dermaßen den "Typ des klassischen Ein-Mann-Institutes der Gesellschaft, das nach dem "Harnack-Prinzip" um einen hervorragenden Gelehrten herum gebaut worden war", wie die Forschungsstätte des Krebsforschers und Nobelpreisträgers Otto Warburg. (2) Der Stil des Hauses, die Raumaufteilung, die technische Ausstattung und die Finanzierung - alles ging auf den Einfluss von Warburg zurück, den langjährigen Direktor des Instituts. Warburgs charakteristische, allein auf ihn abgestimmte Arbeitsweise, kam darin zum Ausdruck. Seit 1914 wirkte Otto Warburg am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie als Leiter der physiologisch-chemischen Abteilung, 1929 kam es zu einer eigenständigen Institutsgründung. Als die amerikanische Rockefeller Foundation in Baltimore anbot, Warburgs Forschungen auf den Gebieten der Photosynthese, der Atmung und der Krebsentstehung zu unterstützen, schlug er die Gründung eines kleinen Instituts für Zellphysiologie vor, das er auch von der Stiftung finanziert bekam. Zugleich regte er die Schaffung eines größeren Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik an, da Warburg an einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strahlungsphysik interessiert war. (3) Fünf Jahre später entstand das benachbarte Physikinstitut - ebenfalls unterstützt durch Stiftungsmittel.

Warburgs Institutsbau, der im Inneren ausschließlich auf seine Forschungstätigkeit zugeschnitten war, zeigt im Äußeren überhaupt nichts von seinem eigentlichen Verwendungszweck. Auf Wunsch Otto Warburgs gab Sattler dem Institut die Gestalt eines märkischen Herrenhauses des 18. Jahrhunderts, wobei Warburg als Vorbild das 1765-67 wohl nach einem Entwurf von Friedrich Wilhelm Diterichs errichtete Gutshaus in Groß Kreutz bei Werder vorschlug. (4) Zunächst hatte Sattler nach funktionellen Vorgaben Warburgs einen eher sachlichen Zweckbau für Labor- und Bibliotheksräume entworfen, den Warburg energisch mit der Begründung ablehnte, er wolle nicht in einer "Fabrik" arbeiten. (5) Das nach der Überarbeitung des Entwurfs entstandene Institutsgebäude - ein eingeschossiger lang gestreckter Putzbau mit symmetrischer Fassade mit Mittelpavillon und Freitreppe, Fensterläden und Mansarddach - entspricht äußerlich im Wesentlichen dem spätbarocken Groß Kreutzer Vorbild. (6) Wenn auch dessen Grundriss zugunsten eines größeren Raumangebots nicht übernommen wurde, so geht doch die Nachbildung bis in das Kopieren von Eingangstüren und Beschlägen. Dabei veranschaulicht der gutsherrliche Rokokostil des Hauses nicht nur das damalige großbürgerliche Faible für eine spätbarocke-frühklassizistische Baukultur, sondern auch Warburgs Eigenverständnis und Lebensstil. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er den repräsentativsten Raum - den ovalen Saal in der Mittelachse - für sich beanspruchte. In Groß-Kreutz als prunkvoller Gartensaal konzipiert, diente seine Kopie in Dahlem Warburg als Arbeits- und Bibliotheksraum. Beiderseits davon befanden sich Labors und Arbeitsräume für Warburgs neuartige Präzisionsuntersuchungen, während im Mansardgeschoss vier Wohnungen für Assistenten und Gäste lagen.

Zum Stil des Hauses passend, ließ Warburg auch einen Garten anlegen, der sich - in Teilen erhalten - bis zur Garystraße ausbreitet. Direkt auf Warburgs Arbeitszimmer, den Gartensaal mit der Freitreppe, ist eine kleine Lindenallee gerichtet, die abrupt vor dem Gartenzaun endet. Hier veranlasste Warburg zu Ehren seines Doktorvaters 1952 die Aufstellung der überlebensgroßen Bronzeplastik des Chemikers und Nobelpreisträgers Emil Fischer (1852-1919). (7) Das von Richard Scheibe geschaffene Denkmal ist eine Nachbildung der verloren gegangenen, kleineren Kalkstein-Sitzfigur von Fritz Klimsch, die dieser 1921 für den Berliner Luisenplatz in der Friedrich-Wilhelm-Stadt, heute Robert-Koch-Platz, geschaffen hatte.

Nach der Auslagerung des Institutes während des Zweiten Weltkrieges nahm Warburg 1950 wieder seine Arbeit in Dahlem auf. Mit seinem Tode 1970 war die zellphysiologische Forschungstätigkeit in diesem Hause jedoch beendet - es dient heute als Archiv und Gästehaus der Max-Planck-Gesellschaft. Am rückwärtigen Hauseingang erinnert, neben dem Wahrzeichen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Bronzebüste der Minerva (8), auch eine Gedenktafel an den Gründer des Instituts, der hier in ländlich-beschaulicher Gutshausatmosphäre modernste naturwissenschaftliche Forschung betrieb. (9)

Von den von Carl Sattler geplanten Nebengebäuden, die pavillonartig quer zum Institutsbau gestellt, einen Gutshof imitiert hätten, konnte nur ein Stallgebäude für Versuchstiere zur gleichen Zeit 1930-31 verwirklicht werden. Der längliche Bau mit Walmdach und Gauben, Boltzmannstraße 12, ist nach mehren Umbauten seit den 1950er Jahren nicht mehr als Stallgebäude kenntlich. Bereits zur Bauzeit mit Wohnräumen für die Tierpfleger im Dachgeschoss ausgestattet, nutzt die Max-Planck-Gesellschaft es heute als Wohn- und Bürohaus.

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(1) Henning, Eckart: Ein märkisches Herrenhaus im "deutschen Oxford". Zur Baugeschichte des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Zellphysiologie in Berlin-Dahlem und seines Vorbildes in Groß Kreutz. In: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 38 (1987), S. 202-232; Henning/Kazemi 1993, S. 16-22; Henning/Kazemi 2002, S. 28-38; Braun 1987, S. 85 f.,90 f.; BusB V B, S. 211 f., 309; Scherer 2007, Bd. 1, S. 222 f., Abb. 100; Bd. 2, Obj. 205, S. 292-295.

(2) Henning/Kazemi 1993, S. 16. Den Nobelpreis erhielt Otto Heinrich Warburg 1931 für die Entdeckung des sauerstoffübertragenden Atmungsfermentes, die Rolle des Eisens als ein Katalysator der Zellatmung.

(3) Braun 1987, S. 85.

(4) Einen Vorentwurf lieferte auf Veranlassung von Otto Warburg der Zehlendorfer Hochbauunternehmer Wilhelm Heising, dieser wurde von Sattler überarbeitet. Heising wurde die Bauausführung des Institutsbaues übertragen.

(5) Scherer 2007, S. 344.

(6) Helmigk 1929, S. 48 ff.

(7) Reclams Kunstführer 1977, S. 522 f.; Endlich/Wurlitzer 1990 , S. 214 f.

(8) Bildhauer Carl Ebbinghaus (1872- 1950).

(9) Nach 1973 richtete die Max-Planck-Gesellschaft als Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in dem Gebäude, das damals in Otto-Warburg-Haus umbenannt wurde, ein Archiv für die Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft ein.

Literatur:

  • Henning, Eckart und Marion Kazemi/ Dahlem-Domäne der Wissenschaft in
    Max-Planck-Gesellschaft. Berichte und Mitteilungen (1993) 3 / Seite 16-22
  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 170

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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