Denkmaldatenbank
Strandbad Wannsee
09075289 | |
Bezirk | Steglitz-Zehlendorf |
Ortsteil | Nikolassee |
Adressen | Wannseebadweg 25 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Bad |
Datierung | 1927-1928, 1929-1930 |
Entwurf | Fedler, Franz (Architekt) |
Entwurf | Ermisch, Georg Friedrich Richard & Wagner, Martin (Architekt) |
Bauherr | Freibad Wannsee GmbH |
Bauherr | Magistrat von Berlin |
Eine der bedeutendsten Freizeiteinrichtungen Berlins, die auch internationales Renommee erlangt hat, ist das am Ostufer des Großen Wannsees liegende Strandbad Wannsee, Wannseebadweg 25. (1) Obgleich nur etwa die Hälfte der geplanten Anlage realisiert werden konnte, galt die von Stadtbaurat Martin Wagner und Magistratsoberbaurat Richard Ermisch 1929-30 geschaffene kommunale Einrichtung seinerzeit als größtes und modernstes Binnenfreibad Europas. (2) Ein 1.300 Meter langer und 80 Meter breiter Sandstrand, Hallen und Terrassen zum Sonnenbaden und Flanieren, Läden und Restaurant, zudem Garderobenanlagen, Duschräume und Sportmöglichkeiten standen den bis zu 800.000 Badegästen, die das Bad einst im Jahr zählte, zur Verfügung. Der weitläufige Freizeitpark stand für die moderne Erholungs- und Körperkultur in der Weimarer Republik und war ein wichtiger Baustein des weltstädtischen, von Martin Wagner propagierten "Neuen Berlin".Bereits l907 hatte der Teltower Landrat unter wachsendem öffentlichen Druck die bis dahin wilde Badestelle am Wannsee zum offiziellen Freibad erklärt. Ein Ausbau wurde jedoch erst nach Übernahme des Bades durch die Stadt Berlin 1924 vorgenommen. Nach Entwürfen des Stadtbaurats Ludwig Hoffmann entstanden flache reetgedeckte Holzbauten. Wegen der ständig zunehmenden Besucherzahlen reichten die Neubauten bald nicht mehr aus. Als ein Brand 1927 einen Großteil der Strandbadbauten vernichtete, nahm man schließlich eine komplette Neuplanung in Angriff. 1928 wurde zuerst der Eingangsbereich gärtnerisch und baulich mit einem Eingangs- und Verwaltungsgebäude neu gefasst sowie die hygienische Situation durch den Bau massiver Toilettenhäuser verbessert. Für die Neubauten war der Architekt Franz Fedler verantwortlich. Gleichzeitig entwickelte der neue Berliner Stadtbaurat Martin Wagner zusammen mit Richard Ermisch das Projekt eines riesigen Freizeit- und Sportparks. (3) Das stand im Einklang mit einem Hauptanliegen Wagners, der sozial motivierten Freiflächenpolitik zur Linderung der Großstadtmisere - zur "Befreiung des Weltstädters" (4) von den Verhältnissen der Zeit vor 1918. Neben einem Strandbad sollten Restaurants, Heilbäder, Sport- und Spielplätze, ein Freilichttheater, Yachthäfen sowie eine 300 Meter lange Seebrücke zu einem architektonisch einheitlichen Komplex, eingebettet in den Kiefernwald, zusammengefasst werden. Der Plan sah eine Freizeitlandschaft vor, die sich über das Ostufer des Wannsees von der Insel Schwanenwerder bis zum Wasserwerk Beelitzhof erstrecken sollte. Wagner wollte eine Erholungsstätte für die Massen schaffen, die in der "Art eines Sanatoriums (.) für die körperliche und geistige Regeneration der Kräfte" des Großstädters dienen sollte. (5) Von Martin Wagners geplantem "Weltstadtprojekt" konnte allerdings bis 1930 nur der erste Bauabschnitt verwirklicht werden.
Wenn man vor dem Eingangs- und Verwaltungsgebäude mit den flankierenden, mit Walmdächern gedeckten Kassenhäuschen steht, erwartet man nicht, am Wannseeufer sachliche, kompromisslos moderne Bauten anzutreffen. Doch sind beide Teile des Bades etwa zur gleichen Zeit entstanden. Franz Fedler hat den Eingangsbau am Wannseebadweg 1927-28 expressionistisch anmutend im konservativen Heimatstil entworfen. Am hohen Giebel der Putz-Klinkerfassade zeichnet sich ein Treppengiebel ab, der den Besucher schon von Weitem auf den Zugang hinweist. Keramikplatten mit Meerestieren am fast geschosshohen Klinkersockel stimmen auf das Stranderlebnis ein.
Hinter dem Eingang öffnet sich ein weiter Panoramablick auf den Wannsee; Treppenanlagen führen zum tiefer gelegenen Strandbad. Auch in der reduzierten Form mit den immerhin einen halben Kilometer langen Strandgebäuden besticht die Anlage durch eine funktionsgerechte Architektur in der Havellandschaft. Entlang des künstlich verbreiterten Strandes passen sich terrassenartig zweigeschossige Umkleidehallen dem mit Kiefern bewachsenen Gelände an. In den Hang der Grunewaldhöhen eingebettet, liegen vier große rechteckige Hallen, die Garderoben, Duschräume und Läden im Erdgeschoss aufnehmen sowie über insgesamt 430 Quadratmeter umfassende Dachterrassen für Sonnenbäder und Sportaktivitäten verfügen. Alle Terrassen und oberen Umkleidegeschosse sind durch eine Promenade miteinander verbunden. Sie findet ihre Entsprechung im Erdgeschoss in einem 500 Meter langen überdachten Wandelgang, an dem Läden und Kioske aufgereiht sind. Rhythmisch unterbrochen wird der Hallentrakt von dazwischen geschalteten Treppenanlagen, die dem Gefälle der Düne folgen. Promenade und Wandelgang binden außerdem vier Toilettengebäude (6) sowie das am Südende der damaligen Ausbaustufe liegende bogenförmige Strandrestaurant an.Die Harmonie der Gesamtanlage wird durch eine einheitliche Verblendung der Stahlskelettbauten mit gelbbunten Klinkern erreicht, die lebhaft in der Art eines Prüß-Verbandes (7) verlegt sind. Mit dem Grün der Kiefern und dem hellen Sandstrand verbinden sich die Klinkerwände zu einem einzigartigen Farbenklang. Stadtbaurat Martin Wagner und Richard Ermisch sind nicht nur den gesundheitspolitischen Forderungen nach Licht, Luft und Sonne und den Anforderungen eines großstädtischen Massenbades gerecht geworden, sondern haben auch eine ästhetische Form dafür gefunden und ein außergewöhnliches Zeugnis einer neuen funktionellen Bauweise geschaffen. (8) Nachdem die Anlage lange Zeit dem Verfall preisgegeben war, wurde 2005 mit der denkmalgerechten Sanierung begonnen. Zum 100jährigen Jubiläum 2007 konnte Berlins größtes Freibad wieder für den Badebetrieb eröffnet werden. (9)
1) Das Neue Berlin 1929, H. 1, S. 23 (Modell der Gesamtanlage); Martin Wagner, Freiflächenpolitik. In: Das Neue Berlin 1929, H. 1, S. 109-110.; Ermisch, Richard: Das neue Strandbad Wannsee. In: Das Neue Berlin 1929, H. 1, S. 111; Bauwelt 21 (1930), H. 21, S. 809-816 (= Beilage H. 26, S. 1-8); Posener, Julius: La nouvelle plage berlinoise Strandbad Wannsee. In: L´architecture d´aujourd´hui 1 (1930), H. 2, S. 46-49, Taf. n. S. 48; Martin Wagner, Berliner Strandbadbauten. In: Deutsche Bauzeitung 64 (1930), S. 457-472; Mangold, E. J.: Bauten der Volkserziehung und Volksgesundheit, Berlin 1930; Johannes 1931, S. 50-51; Zentralblatt für das deutsche Baugewerbe 28 (1931), S. 180; Rave/Knöfel 1968, Obj. 158; Ermisch, Eberhard-Günther/Weber, Klaus Konrad: Richard Ermisch, Berlin 1971, S. 32-33; Reclams Kunstführer 1977, S. 540; Scarpa, Ludovica: Martin Wagner und Berlin, Braunschweig-Wiesbaden 1986, S. 111 ff.; Dehio Berlin 2006, S. 592; Curth, Roland: Strandbad Wannsee. In: Geschichtslandschaft Berlin 1992, S. 429-444 (dort weitere Literaturangaben); BusB VII C 1997, S. 124-126, 201 (dort weitere Literaturangaben); Wörner/Mollenschott/Hüter 1997, S. 444, Obj. 700; Das Strandbad am Großen Wannsee, Restaurierung, Sanierung, Umnutzung, hrsg. v. Stiftung Denkmalschutz Berlin, Berlin 2005.
2) Die architektonische Gestaltung lag bei Magistratsoberbaurat Richard Ermisch, Generalplanung und Verantwortung bei Stadtbaurat Martin Wagner, die technische Bearbeitung hatte Magistratsoberbaurat Straßmann inne.
3) Bereits 1915 hatte Martin Wagner im Rahmen seiner Dissertation "Das sanitäre Grün der Städte, ein Beitrag zur Freiflächentheorie" ein Konzept für ein großes städtisches Freibad vorgelegt.
4) Gruhn-Zimmermann, A.: Berliner Baudenkmale. In: Verloren, gefährdet, geschützt, Baudenkmale in Berlin, hrsg. v. Norbert Huse, Berlin 1988, S. 206; vgl. auch Martin Wagner, Städtische Freiflächenpolitik, Schriften der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, H. 11, Berlin 1915 und ders.: Freiflächenpolitik. In: Denkschrift 2 des Amtes für Stadtplanung, Berlin 1929; ders.: Freiflächenpolitik. In: Das Neue Berlin 1929, H. 6. , S. 109 f.
5) Martin Wagner, Berliner Strandbadbauten. In: Deutsche Bauzeitung 64 (1930), S. 464.
6) Drei der Toilettengebäude stammen aus der von Franz Fedler geleiteten Ausbauphase des Bades 1927-28. Sie fügen sich aufgrund ihrer Ziegelverkleidung und kubischen Form harmonisch in die Gesamtstruktur ein.
7) Prüßwand ist eine massive freitragende Wand, die aus einem Gerippe von waagerecht und senkrecht in zwei Ebenen nebeneinander gespannten Bandeisen besteht, das mit Ziegelmaterial, Verblendsteinen oder Betonplatten ausgefacht wird.
8) Zum Denkmalbestand gehören auch Gebäude aus der ersten Ausbauphase der 1920er Jahre: das so genannte "Wächter-Wohnhaus" von 1925, ein eingeschossiges Holzhaus mit Zeltdach, und ein massives Toilettenhaus von 1928, das man 1930 zum Wohnhaus umbaute.
9) Noch nicht geklärt sind zum jetzigen Zeitpunkt Wiederherstellung und Nutzung des ehemaligen Strandrestaurants. Zur Sanierung siehe: www.strandbadwannsee.de/Sanierung.htm (zuletzt geprüft am 01.03.2013)
Literatur:
- Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1968 / Seite Obj. 158
- Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1963 / Seite Obj. 169
- Curth, Roland/ Strandbad Wannsee in
Geschichtslandschaft, Zehlendorf, 1992 / Seite 429-444 (dort weitere Lit.) - Wagner, Martin/ Freiflächenpolitik in Das Neue Berlin 6 (1929) / Seite S.109 ff.
- Ermisch, Richard/ Das neue Strandbad Wannsee in
Das Neue Berlin 6 (1929) / Seite S.111 ff. - Bauamt und Gemeindebau 11 (1929) / Seite S. 122
- Bauamt und Gemeindebau 12 (1930) / Seite S. 44, 358 (Verf. Maurer)
- Deutsche Bauhütte 33 (1929) / Seite S. 115
- Deutsche Bauhütte 34 (1930) / Seite S. 42
- Kunst und Künstler 28 (1929/30) / Seite S. 490-494 (Verf. Wolfgang Herrmann)
- Bauwelt 21 (1930) / Seite S. 809-816 (=Beilage Heft 26, S. 1-8)
- Deutsche Bauzeitung 64 (1930) / Seite S. 457-465 (Verf. Martin Wagner)
- Wasmuths Monatshefte für Baukunst 14 (1930) / Seite S. 265-266 (Verf. Leberecht Migge)
- Zentralblatt für das deutsche Baugewerbe 28 (1931) / Seite S. 180
- Deutsche Bauzeitung (1968) / Seite S. 572
- Bauwelt (1985) / Seite S. 1676-1678
- BusB VII C 1997 / Seite S. 124 ff., S. 201 (Liste)
- Dehio, Berlin, 1994 / Seite S. 592
- Berlin-Brandenburg. Ein Architekturführer (v. Güttler u.a.), Berlin 1993 / Seite S. 216
- Ermisch, Weber/ Richard Ermisch, 1971 / Seite S. 32f.
- Mangold, E. J./ Bauten der Volkserziehung und Volksgesundheit, Berlin 1930 &Johannes, Neues Bauen, 1931 / Seite S. 50f.
- Jacobs, Joachim G. & Hübinger, Petra: Weltstadtbad in Preußens Arkadien in
Die Gartenkunst 16(2004)2 / Seite 383-393
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Juliane Stamm
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