Denkmaldatenbank

Ein deutlich anderes Erscheinungsbild zeigt das [...] Haus Müldner, Reifträgerweg 6. Es entstand 1922 für den Kaufmann Wilhelm Müldner nach Plänen von Paul Zimmerreimer. (1) Der Bau verkörpert in idealer Weise einen neuen Einfamilienhaustyp, der nach der Jahrhundertwende in den Berliner Villenvororten als modernes ländliches Eigenheim sehr gefragt war. Weniger das Repräsentative als das Bürgerlich-Behagliche stand im Fokus der um 1910 einsetzenden Reformbewegung. Vorbild wurde die Einfachheit und gediegene Schönheit der biedermeierlichen Baukunst, die Paul Mebes wiederentdeckt hatte. In seiner wegweisenden Veröffentlichung "Um 1800" forderte er eine Rückbesinnung auf die Schlichtheit und handwerkliche Sorgfalt dieser Zeit. Zimmerreimer ließ sich im Entwurf für Haus Müldner vermutlich direkt von einem bereits 1911-12 von Mebes realisierten Projekt inspirieren, dem Haus des Bildhauers Walter Schmarje in Zehlendorf.(2) Es zeigt in Form und Konstruktion eine verblüffende Ähnlichkeit. Neben der sachlichen, auf wenige Details reduzierten Architektur und der ebenerdigen Lagerung sind vor allem die Giebelstellung und das markante hohe Bogendach, stützenfrei geformt von Bohlenbindern, gleichermaßen vorhanden. Letzteres zeigt insbesondere den Einfluss der Architektur um 1800; die Konstruktionsform erinnert an die Bohlenbinderdächer, die David Gilly für ländliche Bauten entwickelt hatte.

Ebenso spiegelt der kompakte Grundriss des Hauses Müldner in der freien funktionalen Zuordnung der Wohnräume das moderne, auf den Garten bezogene Einfamilienhaus wider. So öffnen sich im Erdgeschoss Speisezimmer und Wohnzimmer, beide axial über die gesamte Haustiefe gelegen, nur mit einer halbkreisförmigen verglasten Veranda ebenerdig zum Garten. (3) Das Treppenhaus ist ohne Repräsentationsanspruch zentral in der Mittelachse angeordnet, im Dachgeschoss sind Schlafräume und Bad untergebracht.

1) Von Paul Zimmerreimer stammt auch die Vorgarteneinfriedung des Hauses Müldner.

2) Landhaus Schmarje in Berlin-Zehlendorf, Milinowskistraße 12 von Paul Mebes. Vgl. Denkmaltopographie Zehlendorf 1992, S. 235; Breuer, Robert: Zu einigen Bauten von Paul Mebes. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst 2 (1915/16), S. 258-260.

3) Den Gartenbezug über einen halbrunden, mit Fenstern versehenen Altan zu suchen, war ein beliebtes Motiv im Landhausbau um 1910. Vgl. hierzu das von Hermann Muthesius entworfene Haus Mohrbutter in Berlin-Zehlendorf, Schlickweg 6 (Denkmaltopographie Zehlendorf 1992, S. 192).