Denkmaldatenbank

Feierhalle des Waldfriedhofs Potsdamer Chaussee

Obj.-Dok.-Nr. 09075265
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Nikolassee
Adressen Potsdamer Chaussee 75, 77
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Feierhalle
Datierung 1956-1957
Entwurf Ruegenberg, Sergius & Möllendorff, Wolf von (Architekt)
Bauherr Bezirksamt Zehlendorf (Baugeschäft GmbH)
Ausführung Arnold Kuthe

[...] der städtische Waldfriedhof Zehlendorf, Potsdamer Chaussee 75/77 [...]. Der 1946-54 nach Plänen von Herta Hammerbacher und Max Dietrich angelegte Friedhof nimmt ein etwa 30 Hektar großes Areal zwischen Potsdamer Chaussee, Königsweg, Wasgensteig und der Straße Am Waldhaus ein. (1) Die erste Friedhofsneuanlage in Berlin nach dem Krieg entstand aus der Notwendigkeit, für die aufgrund der Teilung Deutschlands in der sowjetischen Besatzungszone befindlichen Friedhöfe in Stahnsdorf einen Ersatz zu finden. An der Potsdamer Chaussee gab es ein großes im städtischen Besitz befindliches Gelände, das als früheres Wald- und Heidegebiet des Ritterguts Düppel noch über einen alten Baumbestand, überwiegend Kiefern, verfügte. Darin eingebettet liegen heute die Grabstätten, die vom Eingang an der Potsdamer Chaussee über zwei Hauptachsen in Nord-Süd-Richtung zu erreichen sind. Der eigentliche Haupteingang des Friedhofs befindet sich am Wasgensteig, der im Kontext mit dem 1956-57 erfolgten Neubau einer Feierhalle eingerichtet worden war. (2) Der von Sergius Ruegenberg und Wolf von Möllendorff entworfene Bau gilt als wegweisend für eine sachliche, funktionale und dennoch kontemplative Architektur dieser Baugattung. (3)

Hinter dem Friedhofseingang am Wasgensteig weitet sich der Raum zu einer großen linsenförmigen Wiese, die von zwei Fußwegen begleitet eine Anhöhe einnimmt. Dort oben, im Flucht- und Schnittpunkt zweier Raumachsen, stellten Ruegenberg und von Möllendorff die neue Feierhalle auf, deren hohe helle Travertinwände sich vor der Waldkulisse deutlich abheben. (4) Der leicht geschwungene, relativ weite Weg vom Friedhofseingang ist zugleich Teil der von den Architekten bezweckten "Inszenierung" der Trauerfeier; er sollte der "Sammlung" dienen. Auch der Bau selbst besitzt zeichenhaften Symbolcharakter. Die Architekten legten großen Wert darauf, dass der Bewegungsablauf der an der Trauerfeier beteiligten Menschen mit der Architektur in Einklang steht. (5) Sie entwarfen zwei Feierhallen unterschiedlicher Größe als linear aufgestellte Baukuben, die durch einen niedrigen Verwaltungstrakt miteinander verbunden sind. Vor die schweren kupferbeschlagenen Metalltüren der Trauerhallen stellten die Planer jeweils frei stehende, mit Travertinplatten verkleidete Betonscheiben mit einem schmalen Durchlass in der Mitte. Diese hallenhohen Betonmauern sollten die Grenze zwischen dem Diesseits und dem Jenseits verdeutlichen. So führt der Weg der Trauergemeinde durch die engen Schlitze zum eigentlichen Friedhofsbereich: zu den Hallen, deren Stirnseiten vollständig verglast den freien Blick zum Wald ermöglichen. Nach der Feier öffnet sich die Glasfront, um den Weg des Trauerzuges über zwei Vorplätze, die die Grundfläche der Hallen wiederholen, auf den Friedhof freizugeben. So soll "durch die freie Verbindung mit der stillen Welt des Waldfriedhofes (...) das Schmerzliche des Aufbruchs (...) zu mildern versucht" werden, heißt es im Erläuterungsbericht von Ruegenberg. (6)

In Material und Form - auch das Innere der Hallen ist äußerst klar und sachlich gehalten - ist der scharfkantige und über einem quadratischen Modul entwickelte Hallenkomplex "eine eindrucksvolle Ausnahme des organischen Bauprinzips" (7) beim Scharoun-Schüler Ruegenberg. Eher erinnert die Feierhalle an die in Dach- und Wandscheiben aufgelöste Architektur Ludwig Mies van der Rohes; in den großen Glasflächen und den Travertin- und Marmorwänden klingt der Barcelona-Pavillon von 1929 an, an dessen Ausführung Ruegenberg als Mitarbeiter im Büro von Mies beteiligt war. (8) Ebenfalls von Ruegenberg und von Möllendorff stammt ein 1963 errichteter Glockenschauer in Sichtbeton, der gut sichtbar auf der breiten Wiese aufgestellt ist, die zum Eingang an der Potsdamer Straße hinunterleitet. So weist er dem Friedhofsbesucher den Weg, der hier zur Feierhalle abzweigt.


1) Zum Waldfriedhof siehe: BusB X A (3), S. 41-43, 119 (dort weitere Literaturangaben).

2) Klare Entscheidung zugunsten eines überragenden Entwurfes. In: Bauwelt 47 (1956), S. 512 f.; Die Feierhallen auf dem Waldfriedhof Zehlendorf. In: Bauwelt 48 (1957), H. 24, S. 587; Bauen in Berlin 1900-1964, Ausstellungskat., Berlin 1964, S. 146; Rave/Knöfel 1968, Obj. 155; Reclams Kunstführer 1977, S. 538; BusB X A (3), S. 67-69, 119; Gärtner, Martin: Sergius Ruegenberg: Eine Monographie, Bauten und Entwürfe zur Berliner Architektur seit 1925, Berlin 1990, S. 76-79, 104-107; Nerdinger, Winfried/Tafel, Cornelius: Architekturführer Deutschland, 20. Jahrhundert, Berlin-Basel-Boston 1996, S. 150; Wörner/Mollenschott/Hüter 1997, 5. Aufl., S. 440, Obj. 692; Amberger, Eva-Maria: Sergius Ruegenberg, Architekt zwischen Mies van der Rohe und Hans Scharoun, Berlin 2000, S. 39, 173-175.

3) Die Feierhalle wurde als Ergebnis eines engeren Wettbewerbs, den Ruegenberg und von Möllendorff gewannen, erbaut. Der Berliner Architekt Ludwig Leo war an der Ausführung beteiligt.

4) Der Feierhallenstandort geht auf einen von Max Dietrich Anfang der 1950er Jahre vorgelegten Erweiterungsplan zurück, in dem Landschaftsachsen mit dem neuen Haupteingang am Wasgensteig in Verbindung gesetzt werden.

5) Zitiert nach: Amberger, Eva-Maria: Sergius Ruegenberg, Architekt zwischen Mies van der Rohe und Hans Scharoun, Berlin 2000, S. 174.

6) Erläuterungsbericht von Sergius Ruegenberg. In: Bauwelt 47 (1956), H. 22, S. 513.

7) Amberger, Eva-Maria: Sergius Ruegenberg, Architekt zwischen Mies van der Rohe und Hans Scharoun, Berlin 2000, S. 39.

8) Amberger, Eva-Maria: Sergius Ruegenberg, Architekt zwischen Mies van der Rohe und Hans Scharoun, Berlin 2000, S. 39; Wörner/Mollenschott/Hüter 1997, S. 440, Obj. 692.

Literatur:

  • BusB X A 3 1981 / Seite 119
  • Bauwelt 47 (1956) 22 / Seite 512 f.
  • Bauwelt 48 (1957) / Seite 587
  • Deutsche Bauzeitung 68 (1963) / Seite 527
  • GA (1960) / Seite 261 f.
  • Garten und Landschaft (1955) / Seite 16-18
  • Hoffmann, Gretl, Reiseführer zur modernen Architektur, Stuttgart 1968 / Seite 12
  • Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1963 / Seite Nr. 201
  • Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1968 / Seite Nr. 155

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