Denkmaldatenbank

Landhaus Muthesius

Obj.-Dok.-Nr. 09075264
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Nikolassee
Adressen Potsdamer Chaussee 49A
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus & Einfamilienhaus
Datierung 1906-1907
Entwurf Muthesius, Hermann (Architekt)
Ausführung Schirmer, Fritz (Baumeister & Maurermeister)
Bauherr Muthesius, Hermann (Architekt)

Heute fast vollständig von Bäumen verdeckt, steht das Haus Muthesius, Potsdamer Chaussee 49A, das Hermann Muthesius 1906-07 für sich und seine Familie gebaut hat. (1) Nach der Rückkehr aus England konnte Muthesius den dort entwickelten architektonischen Prinzipien in seinen Landhäusern programmatisch Ausdruck verleihen. (2) Dazu gehörten in erster Linie die Einbeziehung der Gegebenheiten des Bauplatzes und der Wohnbedürfnisse der Familie als Grundlage für den Entwurf, aber auch die Einbettung des Hauses in die umgebende Natur und den Garten sowie die architektonische Gestaltung unter Verzicht auf historische Stilformen.

Bei seinem eigenen Haus konnte Muthesius diese Vorstellungen völlig frei entfalten und einer von ihm idealisierten neuen kultivierten Lebensform die passende Umgebung schaffen. Der Propagierung seiner Ideen konnte er nicht besser dienen als mit diesem Haus in der seinerzeit aufstrebenden Villenkolonie.

Standort und Grundriss seines Hauses entwarf Muthesius aus den sich an dieser Stelle eigentlich widersprechenden Wünschen sowohl nach Fernsicht über die Rehwiese in Richtung Norden als auch nach Besonnung der Wohnräume von Süden. Daher stellte er das Haus auf die höchste Erhebung nahe an den Rand des Höhenrückens und verteilte die Räume über vier Ebenen so, dass die Schlaf- und Kinderzimmer von Süden belichtet wurden. Die Aussicht auf die Rehwiese konnte man von Wintergarten, Speise- und Arbeitszimmer sowie durch die Fenster im Treppenhaus, von zwei Balkonen und der Veranda genießen. Dass das Haus dadurch eine ungewöhnliche Raumverteilung - Hauptwohnräume im ersten Obergeschoss, Speisezimmer neben der Küche im niedrigeren Erdgeschoss - erhielt, sah Muthesius als Vorteil im Sinne der praktischen Nutzbarkeit an. In der architektonischen Gestaltung war das lebhaft gegliederte, ehemals winkelförmige Gebäude (3) mit hohen Giebeldächern sowie einer asymmetrischen Verteilung der Erker, Balkone und Fenster in unterschiedlichsten Formaten auch auf eine Fernwirkung in der Rehwiesenlandschaft angelegt. Das Farbenspiel der weiß verputzten Wände, des roten Biberschwanzdaches und der blaugrünen Fensterläden hob sich vor dem dunklen Kiefernwald auf dem Grundstück reizvoll ab und verlieh dem Haus einen elegant-sachlichen und wohnlichen Charakter. Ergänzt wurde die freundliche Atmosphäre durch weiße bündig mit der Wand abschließende Sprossenfenster, die einst mit den Rankgittern an der Südseite des Hauses und der Einfassung der Terrasse zur Rehwiese korrespondierten.

Muthesius, der sich in gleicher Weise mit der Reform der Hausgärten auseinandersetzte und Aufsätze zur zeitgemäßen Gartenarchitektur publizierte, ordnete sein eigenes Haus auf dem lang gestreckten rechteckigen Grundstück hinter einem naturbelassenen Waldstück direkt über der zur Rehwiese abfallenden Hangkante an und umgab es mit klar gegliederten Gartenräumen. Die Gartenanlage Potsdamer Chaussee 49A ist nach umfangreichen Instandsetzungsmaßnahmen in den Jahren 1990-96 wieder in seinem ganzen Abwechslungsreichtum erlebbar. (4) Weite Ausblicke über die um zwölf Meter tiefer gelegene Wiesenrinne der Rehwiese lassen den Garten unendlich erweitert erscheinen. Vor der breiten Aussichtsterrasse bildet der Rosengarten mit streng rechteckigen, von Buchsbaumhecken gefassten Beeten einen intensiv gestalteten Schmuckgarten vor den Aufenthaltsräumen. Die Achsmitte wird durch einen Brunnen mit Skulptur besonders betont. Vor der Ostseite des Hauses liegt ein Obstgarten, für den eine weiß gestrichene Pergola die klare räumliche Fassung abgibt. Vor der Südseite akzentuiert ein reich bepflanzter Staudengarten den Eingang. Einfassungsgitter, Lattenwerk, Laubengänge und Pergolen umrahmen nicht nur die einzelnen Gartenräume, sondern sind auch deren ideale Verklammerung mit dem Inneren.


1) Berliner Architekturwelt 10 (1908), S. 156 f.; 13 (1911), S. 210-250, Abb. S. 240-244; Muthesius 1912, S. 165 f.; Muthesius 1922, S. 65 f.; BusB IV C, S. 128 f.; Finger 2009, S. 70 f., 128 f. 2) Im Artikel "Mein Haus in Nikolassee" stellte er seine Grundsätze manifestartig vor. Vgl. Muthesius, Hermann: Mein Haus in Nikolassee. In: Deutsche Kunst und Dekoration, 23 (1909), S. 1-21; Blätter für Architektur und Kunsthandwerk, 24 (1911), S. 21 f., Taf. 51-56; Muthesius 1912, S. 149 ff. 3) Ein nach Südosten orientierter zweigeschossiger Anbau für Wirtschaftsräume im Erdgeschoss und einen Atelierraum im oberen Geschoss, den Muthesius 1909 noch um einen Flügel erweitert hatte, wurde in den 1950er Jahren für den Neubau eines Wohnhauses auf dem Grundstück abgerissen. Vgl. Blätter für Architektur und Kunsthandwerk, 24 (1911), S. 21 f. Seit den 1970er Jahren wurde das Haus im Inneren verändert; das Äußere wurde teilweise restauriert. 4) Gartendenkmale in Berlin: Privatgärten 2009, S. 168-170 mit weiterführenden Literaturangaben.

Literatur:

  • BusB IV C 1975 / Seite S. 129
  • Klapheck/ Moderne Villen und Landhäuser, 1913 / Seite S. 34 f.
  • Weber/ Kleine Baugeschichte Zehlendorfs, 1970 / Seite S. 60
  • Muthesius, Landhaus und Garten, 1907 / Seite S. 30
  • Muthesius, Landhäuser, 1912 / Seite S. 165 f.
  • Muthesius, Landhäuser, 1922 / Seite S. 65
  • Architekturwelt 71 (1963) / Seite S. 20
  • Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 24 (1911) / Seite S. 1 f.
  • Berliner Architekturwelt 10 (1907/08) / Seite S. 156 f.
  • Berliner Architekturwelt 13 (1910/11) / Seite S. 240 f.
  • Krosigk, Klaus von/ Haus und Garten Muthesius, Potsdamer Chaussee 49a, Nikolassee in
    In/ Reparieren, Renovieren, Restaurieren. Vorbildliche Denkmalpflege in Berlin, Berlin 1998 / Seite 46f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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