Denkmaldatenbank

Studentendorf Schlachtensee

Obj.-Dok.-Nr. 09075262
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Schlachtensee
Adressen Potsdamer Chaussee 33

Wasgenstraße
59, 59A, 59B, 59C, 59D, 59E, 59F, 59G, 59H, 59K, 61, 61A, 61B, 61C, 61D, 61E, 61F, 61G, 61H, 61I, 61J, 61K, 61M, 75
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Heim & Studentenwohnheim & Wohnheim
Entwurf 1956
Datierung 1959-1964
Entwurf Fehling, Hermann (Architekt)
Entwurf Fehling, Gogel und Pfankuch (Architektensozietät)

Das östlich der Wasgenstraße liegende Studentendorf Schlachtensee, Potsdamer Chaussee 33, Wasgenstraße 61, 75, umgibt ein dichter wallartiger Grüngürtel, der das Dorf nach innen gerichtet und in sich abgeschlossen erscheinen lässt. (1) Dieser Eindruck entsprach der Absicht der Architekten, die der Anlage den Charakter eines "Klosters wie auch Forums" geben wollten. (2) Das Studentendorf entstand in drei Bauetappen auf dem Areal des Hönowschen Bauerngutes zwischen Kur- und Wasgenstraße, das einst zu den sechs friderizianischen Hubertshäusern der Kolonie Neu Zehlendorf gehörte. (3) Bis auf vier fünfgeschossige Wohngemeinschaftshäuser aus den 1970er Jahren (4) sind die übrigen 21 Gebäude zwischen 1959 und 1964 nach Plänen der Architekten Hermann Fehling, Daniel Gogel und Peter Pfankuch errichtet worden. Sie bildeten die Stammanlage mit mehr als 600 Wohnplätzen, der so genanntem "Bürgermeisterei" für die Verwaltung, dem Heizwerk, der Bibliothek, Läden und dem Gemeinschaftshaus mit Mensa und Theatersaal.

Das Studentendorf Schlachtensee war eines der ersten Studentenheime der Berliner Nachkriegszeit. Es ermöglichte, durch amerikanische Spenden finanziert, den Studenten der nahen Freien Universität eine kostengünstige Unterkunft. Aber nicht allein der Wohnungsnot der Studenten wollte man Abhilfe schaffen, hier sollte auch ein Stück demokratischer Kultur praktiziert und im Zusammenleben erlernt werden. Bereits die Vergabe der amerikanischen Spendenmittel war an die Bedingung geknüpft, dass "das Wohnheim einem (...) echten studentischen Gemeinschaftsleben und politischer Erziehung" zu dienen hatte und "deshalb Aufgaben haben muß, die über die der bloßen Unterbringung hinausgehen." (5) Um dies zu erreichen, wurde eine Gliederung in kleine Einheiten mit gemeinsam zu nutzenden Wohn- und Freizeitbereichen angestrebt, außerdem sollte die Einrichtung von einer studentischen Selbstverwaltung getragen werden. Die von Fehling, Gogel und Pfankuch vorgeschlagene Pavillonbauweise in der Art eines Campus um ein Forum, wie sie schon bei der Gründung der Freien Universität favorisiert wurde, und die geplante Aufteilung in Gruppenwohneinheiten entsprachen diesen politischen Forderungen.

Auch ohne den Planungshintergrund zu kennen, geht von den in einen Landschaftsgarten hineinkomponierten Gruppenhäusern der Eindruck einer gemeinschaftlichen Einrichtung aus. Überzeugend erschließt sich die Anlage von innen her aus der engen Verzahnung von Topographie und Architektur. Inmitten des wellenartigen Geländes gruppieren sich am tiefsten Punkt um einen Dorfplatz Gemeinschaftshaus, Verwaltung, Heizwerk und Bibliothek, während die nord-südgerichteten Wohngebäude in der Höhe abgestuft dem Gelände folgen und mit einem bis drei Geschossen nach außen hin ansteigen. Nach Norden riegelt ein breiter Querbau den nur für Fußgänger zugänglichen grünen Binnenraum ab. Dank der versetzten und verwinkelten Aufstellung der Wohnkuben durchzieht die gesamte Anlage eine rhythmische Abfolge von offenen und geschlossenen, engen und weiten Räumen, wie auch das Innere der Gruppenhäuser von weiten Treppenräumen, engen Fluren, weiten Gruppenräumen und engen Studentenzimmern bestimmt wird. Hier bilden jeweils 35 Studenten eine Wohneinheit, die nochmals in Flurgemeinschaften zu sechs bis zwölf Personen mit eigener Teeküche und eigenen Essplätzen und Sanitärräumen unterteilt sind. Abseits davon liegen einhüftig erschlossene "Budenreihen", schmale 10 Quadratmeter große Wohnplätze zum Arbeiten und Schlafen. Diese funktionsorientierte Zonierung - es wurden vier Grundrisstypen basierend auf einem gleichen Modul entwickelt - spiegelt sich in der Gliederung des Außenbaues und in der Verschiedenfarbigkeit der Bauteile wider: Die Wohnräume wurden weiß, die Sanitärzonen schwarz und die Gemeinschaftsräume lila gestrichen. Zusammen mit den bandartigen Fensterflächen wirken die Baukörper so besonders leicht, wobei sich die vielen Schrägen der Dächer und Kanten der Häuser mit dem diagonal geführten Fußwegenetz zu einem einheitlichen Bild fügen. Für die Nachkriegsgeschichte Berlins und die Architektur dieser Zeit, die wieder an das Neue Bauen der Weimarer Republik anknüpfte, ist das Studentendorf Schlachtensee von einmaligem Symbolwert. Manifestieren sich doch in den Bauten nicht nur die damaligen hochschul- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen, sondern auch eine von Amerika vorgelebte demokratische Geisteshaltung. (6)Die zum zweiten Bauabschnitt von 1964 gehörenden Ergänzungen von Fehling, Gogel und Pfankuch - das Gemeinschaftshaus mit Cafeteria und Versammlungsraum sowie ein Gruppenhaus im Nordosten des Geländes - fügen sich nahtlos in die Anlage ein. Einen eigenen Akzent setzen die vier in Randlage 1976-78 erbauten Wohngemeinschaftshäuser, die sich einpassen, aber erkennbar eine andere Architekturauffassung vertreten. (7) Zu Beginn der 1980er Jahre erwiesen sich der schlechte bauliche Zustand, der hohe Unterhaltskosten zur Folge hatte, sowie geänderte Wohnvorstellungen der Studenten als problematisch. Es folgten langjährige Neubauplanungen sowie Verkaufsüberlegungen des Geländes seitens des Landes Berlin, die den Abbruch des Studentendorfs zum Ziel hatten. Nach vielen Verhandlungen konnte die Anlage 2004 gerettet werden; sie ging in die Hände der Genossenschaft Studentendorf Berlin-Schlachtensee eG über. 2006 begannen die ersten Sanierungsarbeiten der in den Rang eines Nationalen Kulturdenkmals erhobenen Anlage - drei Jahre später konnten die ersten sanierten Wohnhäuser 4 und 8 übergeben werden. (8) Die Wohnpavillons passte man den veränderten Wohnbedürfnisse an: Die klösterlich kleinen Zimmer wurden vergrößert und zum Teil zu Apartments umgebaut. Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume wie auch die Küchen konnten erhalten werden. Voraussichtlich bis 2022 wird die denkmalgerechte Sanierungsphase des Dorfes dauern, das von mehr als 800 Studierenden bewohnt wird.


1) Architekturwettbewerbe, Sonderheft Studentenwohnheime, hrsg. v. Jürgen Joedicke, Stuttgart 1960, S. 20 ff.; Hermann Mattern, Berliner Studentendorf. In: Garten und Landschaft 72 (1962), S. 356-358; Rave/Knöfel 1968, Obj. 154; Reclams Kunstführer 1977, S. 538; Zünder, Ralf: Studentendorf Schlachtensee (= Schriften zur Hochschul-Sozialpolitik 1), Berlin 1989; Zünder, Ralf: Das Studentendorf Schlachtensee. In: Geschichtslandschaft Zehlendorf 1992, S. 362-377; Nerdinger, Winfried/Tafel, Cornelius: Architekturführer Deutschland, 20. Jahrhundert, Berlin-Basel-Boston 1996, S. 150; Fehling + Gogel, Die Max-Planck-Gesellschaft als Bauherr der Architekten Hermann Fehling und Daniel Gogel, hrsg. v. Peter Gruss, Gunnar Klack und Matthias Seidel, Berlin 2009, S. 94-97; BusB VII B, S. 221-225, 335 (dort weitere Literaturangaben).

2) Reclams Kunstführer 1977, S. 538.

3) Während die Wirtschaftsgebäude des damals letzten Bauernhofs von Zehlendorf bereits 1958 abgebrochen wurden, integrierten Fehling, Gogel und Pfankuch das Bauernwohnhaus zunächst in die Gesamtanlage. Anfang der 1960er Jahre kam es zum Abbruch für den Neubau des Wohnhauses des akademischen Direktors, das später ebenfalls einem der Wohngemeinschaftshäuser von 1978 weichen musste.

4) Errichtet 1976-78 nach dem Entwurf der Braunschweiger Architekten Kraemer, Pfennig und Sieverts.

5) Zitat aus dem amerikanischen Exposé, das mit Vergabe der Stiftungsgelder (Dulles-Stiftung) verbunden war. In: Architekturwettbewerbe, Sonderheft Studentenwohnheime, hrsg. v. Jürgen Joedicke, Stuttgart 1960, S. 20.

6) Zitiert nach Jürgen Tietz, Rettung in Sicht? In: Deutsches Architektenblatt 2002, H. 7, S. 18.

7) Die Gruppenwohnhäuser der Braunschweiger Architekten Kraemer, Pfennig verfügen über wohngemeinschaftliche Einheiten mit flexibel zu gestaltenden Grundrissen. 1964 kamen mit dem Gemeinschaftshaus zwei weitere Wohnhäuser (Nr. 12 und 13) hinzu. Bei diesen Häusern nahmen Fehling, Gogel und Pfankuch Detailverbesserungen vor. An Stelle der unzureichenden Teeküchen traten größere Küchen und die Fläche der Gemeinschaftsräume wurde verringert

.8) Architekten der Sanierung: Autzen & Reimers Architekten, Berlin. Vgl. www.denkmalpraxismoderne.de/sanierungsbeispiel


Literatur:

  • Rave, Knöfel: Bauen seit 1900, 1963 / Seite Obj. 200 (Bauangaben nicht ganz korrekt)
  • Rave, Knöfel: Bauen seit 1900, 1968 / Seite Obj. 154 (Bauangaben nicht ganz korrekt)
  • Conrads, Ulrich; Sack, Manfred (Hrsg.): Reißbrett 1, Berlin, Braunschweig 1981 / Seite 73 (Bauangaben nicht ganz korrekt)
  • Joedicke, Jürgen: Architekturwettbewerbe, Sonderheft Studentenwohnheime, Stuttgart 1960 / Seite 20 ff. (Bauangaben nicht ganz korrekt)
  • Garten und Landschaft 72 (1962) 12 / Seite 357 f. (Hermann Mattern)
  • Zünder, Ralf: Das Studentendorf Schlachtensee, in: Geschichtslandschaft, Zehlendorf, 1992 / Seite 362-377
  • Topographie Steglitz-Zehlendorf/Nikolassee, 2013 / Seite 125-126
  • Zünder, Ralf: Studentendorf Schlachtensee, Berlin 1989 / Seite .
  • Architekten- und Ingenieurverein Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. B, Sozialbauten, Berlin 2003 / Seite 218-226

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen