Denkmaldatenbank

Landhaus Bousset

Obj.-Dok.-Nr. 09075254
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Nikolassee
Adressen Libellenstraße 15
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Einfamilienhaus
Datierung 1908-1909
Entwurf Grenander, Alfred Frederik Elias (Architekt)
Bauherr Bousset, Johannes
Ausführung Gustav Derlin (Baugeschäft)

Auf dem Grundstück Libellenstraße 15 steht mit dem 1908-09 errichteten Haus Bousset dem Wohnhaus für den Ingenieur und Direktor der Berliner Hoch- und Untergrundbahngesellschaft Johannes Bousset, eines der wenigen Berliner Einfamilienhäuser des schwedischen Architekten Alfred Grenander. (1) Grenander wurde vor allem bekannt als Chefentwerfer der Hochbahngesellschaft, für die er seit 1900 drei Jahrzehnte lang nicht nur sämtliche Hochbauten, sondern auch ganze Streckenabschnitte mit Bahnhöfen und Viadukten sowie U-Bahn-Wagen gestaltete. Für seinen langjährigen Freund und Kollegen Bousset entwarf er ein außergewöhnliches Landhaus, das sich in Anordnung und Gestaltung von zeitgleichen Bauten abhebt. Als eines der wenigen Wohnhäuser im Werk Grenanders sowie als Beispiel für die Bebauung in Nikolasse vor dem Ersten Weltkrieg, die nicht von der HAG ausgeführt wurde, hat es eine herausragende Bedeutung. (2)

Das großzügige Landhaus auf L-förmigem Grundriss fällt von Weitem vor allem wegen seiner ungewöhnlich geformten Schornsteine auf, die als dekorative Zutat zu dem ansonsten in schlichter Sachlichkeit gestalteten Haus auf das Vorbild des eigenen Ferienhauses Grenanders in Schweden zurückgehen. (3) Sie verleihen dem hohen Walmdach des Hauses Bousset einen malerischen, noch vom Jugendstil beeinflussten Akzent. Der zweigeschossige winkelförmige Putzbau mit schmalem Klinkersockel, der sich am Hang - einst hoch über dem Nikolassee, heute über der Autobahn - erhebt, ist hingegen weitgehend kubisch-streng gegliedert, belebt nur von Dachgauben, Erkern, Balkonen und Baywindows. Große Fenster in unterschiedlichen Formaten mit weißen Fenstersprossen und Klappläden, rundbogige Eingangstüren sowie Rankgitter an den glatten, hell verputzten Wandflächen verleihen dem Haus zudem einen freundlichen und wohnlichen Charakter, der schon in der zeitgenössischen Literatur besonders hervorgehoben wurde. (4) Das Landhaus, das sich ursprünglich mit seinen Hauptwohn- und Schlafräumen nach Süden zum Seeufer wandte, während der Haupteingang sowie Wirtschafts- und Nebenräume im rückwärtigen Flügel angeordnet waren, zeigte eine klare Trennung zwischen Wohn- und Wirtschaftstrakt. Der einst durch Pergolen und Kieswege architektonisch gestaltete und terrassenartig sich am Hang erstreckende Gartens war mit dem Haus ebenerdig über eine Veranda verbunden. Von den Raumausstattungen, die ebenfalls vom Architekten entworfen waren, haben sich einige Details wie ein Kamin in der Diele, Türen und Einbauschränke erhalten. (5) Das Haus, das von Hermann Muthesius 1910 als vorbildlich veröffentlicht wurde, ist ein wichtiges Zeugnis der Architekturreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts.


1) Alfred Grenander (1863-1931), nach dem Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Berlin Mitarbeiter bei Alfred Messel und Paul Wallot (1890-96), 1896-1903 in Bürogemeinschaft mit seinem Schwager Otto Spalding in Berlin, 1900-31 Architekt der Berliner Hochbahngesellschaft. Johannes Bousset (1865-1945), Studium als Bauingenieur in München und Technische Hochschule Berlin, 1902-29 bautechnischer Direktor der Hochbahngesellschaft. Vgl. Brachmann, Christoph/Steigenberger, Thomas: Ein Schwede in Berlin, Der Architekt und Designer Alfred Grenander und die Berliner Architektur (1890-1914), Korb 2010, S. 29, Abb. 2, 106, 108 ff., 160, 176, 256, 510 (mit weiterführenden Literaturangaben); Berlin über und unter der Erde. Alfred Grenander, die U-Bahn und die Kultur der Metropole, hrsg. v. Aris Fioretos, Berlin 2006, S. 59, Kat. Nr. 17, S. 262 f.; BusB IV C, S. 134 f.; Posener 1979, S. 611; Finger 2009, S. 89, 132 f.

2) 1909 entwarf Alfred Grenander ein Einfamilienhaus für die HAG, das jedoch nicht ausgeführt wurde. Vgl. Berliner Architekturwelt 12 (1910), S. 437.

3) Villa Tångvallen in Fallsterbo, 1906-07 von Alfred Grenander. Vgl. Brachmann, Christoph/Steigenberger, Thomas: Ein Schwede in Berlin., Der Architekt und Designer Alfred Grenander und die Berliner Architektur (1890-1914), Korb 2010, S. 169 ff.

4) U.a. Muthesius, Hermann: Landhaus und Garten, Berlin 1910, S. 46 f.; Berliner Architekturwelt 12 (1910), S. 277, 407-444, Moderne Bauformen, 8 (1909), S. 193-201; 12 (1913), S. 273-281; Architektonische Rundschau (1909), S. 100.

5) Für die Nutzung als Seniorenheim wurde das Haus 1957 durch einen Anbau und 1986 bei einem Umbau vor allem im Inneren stark verändert. Zwei Neubauten, einer auf dem Grundstück Libellenstraße 16 aus den 1980er Jahren und das Verwaltungsgebäude im hinteren Teil des Gartens aus dem Jahr 2000, ergänzen die Anlage.

Literatur:

  • BusB IV C 1975 / Seite S. 134
  • Klapheck/ Moderne Villen und Landhäuser, 1913 / Seite S. 70 f.
  • Möbius, Alfred Grenander, 1930 Berliner Architekturwelt 12 (1909/10) / Seite S. 277, 408 f.
  • Berliner Innenräume / Seite S. 30
  • Baumeister 9 (1911) / Seite S. 7313
  • Moderne Bauformen 8 (1909) / Seite S. 202 f.
  • Moderne Bauformen 12 (1913) / Seite S. 274, 280 f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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