Denkmaldatenbank

Siedlung Schlachtensee I

Obj.-Dok.-Nr. 09075234
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Schlachtensee
Adressen Guntersblumer Weg
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 24, 26, 28

Spanische Allee
18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52, 54, 56, 58, 60, 62, 64, 66, 68, 70

Tewsstraße 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21

Wasgenstraße
15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Siedlung
Datierung 1923-1924
Entwurf Mebes und Emmerich (Architekt)
Bauherr Wohnstättengemeinschaft mbH

[...]. Das zweigeschossige Mehrfamilienhaus gehört zur Siedlung Schlachtensee I, Guntersblumer Weg 1-22, 24/28 u.a., die die Wohnstättengesellschaft mbH (1) 1923-24 auf einem dreieckigen Baublock für Beamte und Angestellte des Deutschen Reiches erbauen ließ. (2) Die von Paul Mebes in Zusammenarbeit mit seinem Schwager Paul Emmerich geschaffene Siedlung ist eines der ersten größeren Berliner Siedlungsprojekte, die zur Linderung der Wohnungsnot in Berlin zum Teil noch vor der Verabschiedung der neuen Bauordnung von 1925 und der Hauszinssteuerära verwirklicht werden konnten. Es entstanden 75 Wohneinheiten in Ein- und Mehrfamilienhäusern; mehrheitlich Reihenhäuser, wobei zu jeder Wohnform ein eigener Garten gehört. Die Wohnungsgrößen mit bis zu dreieinhalb Zimmern, in Reihenhäusern mit bis zu fünf Zimmern, einschließlich Küche und Bad, waren für die Zeit verhältnismäßig großzügig geschnitten.

Siedlungsplan und Architektur sind noch von den romantischen Bildern der Gartenstädte aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg beeinflusst. Hierzu trägt neben der kompakten Siedlungsform mit innen liegenden Gärten und Wirtschaftswegen auch die Architektur bei, die den Eindruck eines beschaulichen Städtchens vermittelt. So sind die Eckhäuser mit den Mietwohnungen entlang der Spanischen Allee torartig betont und platzbildend ausgestaltet: Am Guntersblumer Weg steht ein Winkelbau mit Treppengiebeln und heute vermauerten Spitzbogenlauben, an der Einmündung der Tewsstraße bildet eine konkav geschwungene Hausfront den östlichen Abschluss der Siedlung und im Westen begrenzt der genannte Flügelbau die Siedlungsanlage.

Mit dem kleinstädtischen Siedlungsbild harmonisiert die ruhige gleichartige Gliederung der Reihenhausfassaden. Die steilen Satteldächer mit Fledermausgauben und Zwerchhäusern am Ende der Hausreihen, die bündig sitzenden weißen Sprossenfenster, die zweifarbigen Klappläden, der rund geriebene Altdeutsche Putz, die ziegelsichtigen Außentreppen und Einfriedungen, die Vordächer auf Eisenkonsolen und nicht zuletzt die für Mebes typischen Holzlauben vor den Eingängen der Mietshäuser - all diese Merkmale lassen den Eindruck einer wohlgeordneten Bürgerlichkeit aufkommen. Diese suchte Mebes in "Wohnstätten, (die) schlicht und knapp werden sollen, ohne dabei des künstlerischen Geistes zu entbehren", zu verwirklichen, wie er in seiner Publikation "Um 1800" ausführte. (3) Dabei knüpfte er an eine bürgerliche Baukunst jener Zeit an, um so zur Erhaltung und Wiederherstellung der Schönheit deutscher Städte- und Landschaftsbilder beizutragen, aber auch um die Bewohner seiner Häuser in ästhetischer sowie "sittlicher" Hinsicht zu bilden.

Ein anschauliches Beispiel für die von Mebes angestrebte Wohnkultur stellt die Reihenhausgruppe am Guntersblumer Weg mit ihren hohen Bogendächern dar. Erinnern sie doch an die Zeit um 1800, als derartige Bohlenbinderdächer für landwirtschaftliche Gebäude entwickelt wurden. Die stützenfreie Dachform bot eine größere Geräumigkeit im Dachgeschoss für den Einbau von Kammern. Am Guntersblumer Weg, der von Mebes als neue Straße geschwungen in den Siedlungsplan eingefügt worden war, kam eine kostensparende Dachkonstruktion hinzu, die so genannte Zollbau-Lamellen-Bauweise. Diese besonders windsteife Konstruktionsart aus einem Netz rautenförmiger Lamellen benötigte weniger Holz als die üblichen Sparren- oder Pfettendächer. Ein für die baustoffarme Zeit nach dem Krieg wichtiges Argument, als man auf der Suche nach wirtschaftlichen Baustoffen und rationellen Fertigungsmethoden war. (4) Leider waren in diesem Teil der Siedlung die größten Kriegsschäden zu verzeichnen und der Wiederaufbau zeigt nicht die gleiche gestalterische Qualität wie die bauzeitlichen Reihenhäuser. Trotzdem sind die wohnreformerischen Intentionen von Mebes & Emmerich am erhaltenen Baubestand deutlich nachvollziehbar.


1) Die Wohnstättengesellschaft mbH wurde 1921 von einigen in den öffentlichen Verwaltungen des Reiches tätigen Führungskräften gegründet mit der Bestimmung, der Wohnungsnot unter den Beamten, insbesondere in Berlin, Abhilfe zu schaffen. Der Zweck der Gesellschaft war ausschließlich darauf gerichtet, minderbemittelten Familien oder Personen gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten Häusern zu günstigen Preisen zu ermöglichen. Vgl. Geschichte der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft in Berlin, hrsg. v. Verband Berliner Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften e.V. Berlin 1957, S. 209 f.; Schmidt, Friedrich/Ebel, Martin: Wohnungsbau der Nachkriegszeit in Deutschland, Berlin 1929, S. 180 f.

2) Düttmann, Werner: Berliner Wohnungsbauten aus öffentlichen Mitteln. In: Rheinische Blätter für Wohnungswesen und Bauberatung 22 (1926), S. 322, 324 f.; Meyer 1972, S. 88-90, 219, Abb. 2.24-2.27; Schmidt, Friedrich/Ebel, Martin: Wohnungsbau der Nachkriegszeit in Deutschland, Berlin 1929, S. 88 f.; Schallenberger, Jacob/Kraffert, Hans: Berliner Wohnungsbauten aus öffentlichen Mitteln, Die Verwendung der Hauszinssteuer-Hypotheken, Berlin 1926, S. 46-48; Gut, Albert: Der Wohnungsbau in Deutschland nach dem Weltkriege, München 1928, S. 518; BusB IV A, S. 318; IV D S. 93 f., 243, Abb. 176-178; Kleine Häuser in der Großstadt, Kleinhaussiedlungen in der Berliner Siedlungskultur, Beiträge zur Denkmalpflege H. 19, hrsg. v. Landesdenkmalamt Berlin, Berlin 2002, S. 22.

3) Mebes 1908, S. XV.

4) Friedrich Zollinger (1918-1930), Architekt und Stadtbaurat in Merseburg. Das von Zollinger erstmalig 1906 erprobte Zollbau-Lamellendach zeichnet sich durch eine holzsparende und typisierte Konstruktion aus. Gleichartige, maschinell hergestellte, leicht geschweifte Bretter und Bohlen wurden mit Hilfe von Schraubbolzen zu einem netzartigen Rautengewölbe zusammengefügt. Vgl. Hofmann, Ernst: Das Zollinger Lamellendach. In: Die Bauzeitung 20 (1923). S. 73-75; Sattler: Das Zollbau-Lamellen-Dach. In: Die Baugilde 6 (1924), S. 106-110 (auf S. 107 Abbildung der Siedlung Schlachtensee im Bau); Schmidt, Friedrich/Ebel, Martin: Wohnungsbau der Nachkriegszeit in Deutschland, Berlin 1928, S. 154, 229; Junghanns, Kurt: Das Haus für Alle, Zur Geschichte der Vorfertigung in Deutschland, Berlin 1994, S. 57, 115.

Literatur:

  • BusB IV A 1970 / Seite 318
  • Weber: Kleine Baugeschichte Zehlendorfs, 1970 / Seite 56
  • Meyer, Paul Mebes, 1972 / Seite 88 ff.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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