Denkmaldatenbank

Haus Eichstaedt

Obj.-Dok.-Nr. 09075229
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Nikolassee
Adressen Dreilindenstraße 30
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus & Einfamilienhaus
Entwurf 1920
Datierung 1921-1923
Entwurf Mies van der Rohe, Ludwig (Architekt)
Bauherr Eichstaedt, Georg (Prokurist)

Auf dem Eckgrundstück Dreilindenstraße 30 steht, durch Hecken und Zaun von der Straße abgeschirmt, eines der weniger bekannten Wohnhäuser des Architekten Ludwig Mies van der Rohe.(1)

Das 1921-23 für den Buchhändler Georg Eichstaedt errichtete Haus Eichstaedt gehört zu den acht in Berlin und Umgebung zwischen 1906 und 1925 realisierten Wohnhäusern, von denen sich Mies selbst später wegen ihrer neoklassizistischen Tendenzen teilweise distanziert hat. In der Literatur werden diese Bauten mittlerweile als wichtige Werke in der Entwicklung Mies van der Rohes und als Beleg für seine Beschäftigung mit der Architektur Karl Friedrich Schinkels und Peter Behrens' neu bewertet.(2) Trotz ihrer traditionellen Elemente belegen die Wohnhäuser zudem das Gespür des Architekten für wohl proportionierte Baukörper, für schlichte Eleganz der Gestaltung und für handwerkliche Qualität. Haus Eichstaedt hat als vergleichsweise gut erhaltenes Beispiel für die Berliner Bauten des später international bekannten Architekten eine herausragende künstlerische und historische Bedeutung.(3)

Dem ursprünglichen Entwurf legte Mies die strikte Geometrisierung des Baukörpers - der sich auch die Gartengestaltung mit Pergola und Hecken unterordnete -, das Spiel mit Symmetrie und Asymmetrie sowie die enge Verbindung von Innen- und Außenraum zu Grunde: Der würfelförmige zweigeschossige Bau war an der Ostseite mit einem halbrunden Erker und an der Südwestecke mit einer quadratischen offenen Veranda, die sich mit der Hausecke ganz leicht überschnitt, asymmetrisch ergänzt. Die Terrasse im Winkel zwischen Haus und Veranda, vier Stufen über den Garten erhöht, nahm die gleiche Fläche ein wie der dahinter liegende Hauptwohnraum, der sich über die ganze Breite und die halbe Tiefe des Hauses erstreckte und mit drei Fenstertüren zur Terrasse öffnete. In der nördlichen Hälfte des Erdgeschosses waren Küche und Halle angeordnet. Das knapp abschließende flache Pyramidendach mit schmalem Kranzgesims, die hellen glatt geputzten Außenwände ohne gliedernde Elemente und die gleichmäßige Reihung der bündig in der Wand sitzenden Fenster betonen die radikale Reduzierung der Formen und die Klarheit des Entwurfs. Durch die Schließung der Veranda und einen Anbau an der Westseite wurden bereits 1928 sowohl die Würfelform des Hauses wie auch die Grundrissdisposition verändert. Die beiden heute von wildem Wein verdeckten Fassaden zu Straße und Garten sind jedoch einschließlich des originalen, durch eingeschlossene Steinchen leicht reflektierenden Putzes fast unbeeinträchtigt. Im Inneren ist der Erdgeschossgrundriss im Bereich von Halle und Küche verändert. Aber der großzügige Wohnraum mit Runderker, Fenstertüren und Kachelofen, einige der Räume im Obergeschoss sowie Teile der Inneneinrichtung machen den Originalzustand des Hauses und die gestalterischen Absichten des Architekten noch deutlich.


1) BusB IV C, S. 239; Schulze, Franz: Mies van der Rohe, Leben und Werk, Berlin 1986, S. 126 ff.; Tegethoff, Wolf: Ludwig Mies van der Rohe. In: Ribbe/Schäche 1987, S. 474; Mies in Berlin, Ludwig Mies van der Rohe, Die Berliner Jahre 1907-1938, hrsg. v. Terence Riley und Barry Bergdoll, München-London-New York 2001, S. 184 f.; Stemshorn, Max: Mies & Schinkel, Das Vorbild Schinkels im Werk Mies van der Rohes, Tübingen-Berlin 2002, S. 50; Finger 2009, S. 109, 140.

2) Haus Riehl 1906-07, Haus Perls 1911-12, Haus Werner 1912-13, Haus Urbig 1915-17, Haus Eichstaedt 1921-22, Haus Kempner 1921-22, Haus Feldmann 1921-22, Haus Mosler 1924-26. Vgl. Mies in Berlin, Ludwig Mies van der Rohe, Die Berliner Jahre 1907-1938, hrsg. v. Terence Riley und Barry Bergdoll, München-London-New York 2001, S. 82 f., 138 ff.; Stemshorn, Max: Mies & Schinkel, Das Vorbild Schinkels im Werk Mies van der Rohes, Tübingen-Berlin 2002, S. 15 ff.

3) 1926 erhält der Eingang einen Holzvorbau als Windfang, 1928 wird die offene Pfeilerhalle der Veranda zu einem Wintergarten geschlossen, dahinter wird ein zweigeschossiger turmartiger Anbau mit abgefasten Ecken und mit Durchbrüchen zu den Wohnräumen auf beiden Geschossen an der Westseite angefügt. 1979 wird die Einfriedung erneuert, 1986 Veränderungen des Grundrisses durch Umbau in zwei Wohnungen, 2002-03 Putzsanierung und Neugestaltung des Windfangs (Erfassung Landesdenkmalamt).

Literatur:

  • Blechen, Camilla, Ludwig Mies van der Rohe. Drei Berliner Villen aus den frühen Jahren =Frankfurter Allgemeine Zeitung / Seite 08.04.1974, Nr. 83, S. 23
  • BusB IV C 1975 / Seite 239
  • Honey, Sandra, The Early Work of Mies van der Rohe, Ausstellungskatalog des Building Centre Trust inZusammenarbeit mit dem Goethe-Institut London, London 1978

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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