Denkmaldatenbank

Katholische Herz-Jesu-Kirche

Obj.-Dok.-Nr. 09075209
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Tempelhof
Adressen Friedrich-Wilhelm-Straße 70, 71
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Kirche kath. & Pfarrhaus
Datierung 1898
Umbau 1913, 1964
Entwurf & Ausführung Bunning, Hermann & Seibertz, Engelbert (Architekt)
Entwurf Kaufhold, August & Kühn, Karl (Architekt)
Entwurf Klinski, Werner (Architekt)
Ausführung Schulze, Karl (Maurermeister)
Ausführung Bauer, Wilhelm
Bauherr St. Hedwigs-Kirchengemeinde

Die zwei Querstraßen entfernte katholische Herz-Jesu-Kirche wurde 1898 von Engelbert Seibertz und Hermann Bunning für die katholischen Einwohner der Ortschaften Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde, Mahlow, Selchow, Blankenfelde und Zossen erbaut. (1) Die katholische Minderheit konnte ihre Kirche nur abseits vom Ortszentrum auf einem vom Reichstagsabgeordneten Wilhelm Theodor Rudolphi gestifteten Grundstück Friedrich-Wilhelm-Straße 70-71 erbauen. Der neoromanische Kirchenbau wurde freistehend angeordnet. Die reiche Backsteingliederung mit Lisenen, Rundbogenfriesen und Strebepfeilern hebt sich kontrastreich von den weiß verputzten Wandflächen ab. An den Längswänden sind immer zwei Rundbogenfenster und eine kreisförmige Öffnung zu einer Fenstergruppe zusammengefasst. Der zur Straße gerichtete Kirchturm trägt einen spitzen, schiefergedeckten Pyramidenhelm über vier Giebeln. Ein kostbares Mosaik, auf dem die Muttergottes mit dem Jesuskind zu sehen ist, schmückt den Haupteingang, über dem Giebel des Eingangsportals folgt, von einer Turmnische hinterfangen, die Sandsteinskulptur des segnenden Christus. Das einschiffige, tonnengewölbte Langhaus mündet in einen halbrund abschließenden Altarraum, der außen dreiseitig ummantelt ist. August Kaufhold und Karl Kühn fügten an das Langhaus 1913-15 eine niedrige Seitenkapelle an.

Der erste Pfarrer der Gemeinde, Innocenz von Strombeck, brachte 1905 wertvolle spätgotische Altäre aus der Sammlung von Ernst Franz August Münzenberger, Frankfurt am Main, in die Herz-Jesu-Kirche. (2) Der Hochaltarschrein mit der Muttergottes und dem Jesuskind, begleitet von den vier Aposteln Jakobus, Petrus, Paulus und Thomas, lässt sich in die Zeit um 1500 datieren. Die in Stil und Maßstab abweichenden Relieffiguren der Seitenflügel mit Vitus, Sebastian, Laurentius und Barbara, angefertigt um 1510, hat man vermutlich im 19. Jahrhundert hinzugefügt. Die bemalten Rückseiten zeigen Katharina und Anna selbdritt, während die Predella sehr anschaulich den Abschied der Apostel von Maria schildert. Der Schrein an der Seitenwand des Kirchenschiffs enthält Figurengruppen unterschiedlicher Herkunft, in der Mitte eine Pietà aus dem 19. Jahrhundert, links und rechts die gedrungenen Figuren der Apostel Andreas und Barnabas. In den Flügeln sind Dreiergruppen weiterer Apostel zu sehen. Der Marienaltar an der Stirnwand der Seitenkapelle stammt aus dem 1822 abgebrochenen Dom St. Simon und Juda in Goslar. (3) Zum ursprünglichen Bestand gehört nur das Gehäuse mit den Malereien auf der Rückseite der Altarflügel (Verkündigung und Geburt Christi). Die Marienkrönung im Mittelschrein wurde im 19. Jahrhundert in Anlehnung an den Schnitzaltar Michael Pachers in St. Wolfgang am Wolfgangsee ergänzt, die Figuren der Seitenflügel (Johannes der Täufer, Paulus der Einsiedler, Margarete und Dorothea) stammen aus anderen spätgotischen Altären. Der Andreasschrein, der nebenan in der Seitenkapelle gezeigt wird, ist laut Inschrift 1488 angefertigt worden. Das Gehäuse enthält nicht dazugehörende, aber zeitlich gut passende Schreinfiguren (Andreas, Margareta, Lucia). (4) Die Seitenflügel wurden im 19. Jahrhundert hinzugefügt. In der Herz-Jesu-Kirche sind darüber hinaus mehrere Einzelfiguren des 15. bis 18. Jahrhunderts zu sehen, darunter eine schwungvolle, um 1520 entstandene Skulptur der hl. Anna mit der Jungfrau Maria auf dem Arm. Die Tschenstochauer Madonna an der Nordwand stifteten um 1900 die beim Bau des Teltowkanals beschäftigten polnischen Arbeiter. Die figurenreiche Bemalung der Triumphbogenwand wurde um 1960 beseitigt. Den Renovierungen 1957-60 und 1989 folgte 1998 eine zurückhaltende farbliche Neugestaltung des Innenraums. Paul Corazolla gestaltete die 2003 eingebauten Glasfenster, bestehend aus opaken Glasflächen und im Siebdruck ausgeführten Ornamentstreifen.

Das 1898 errichtete Pfarrhaus, das neben der Herz-Jesu-Kirche zur Nachbarbebauung überleitet, ist ebenso wie die Kirche im neoromanischen Stil gehalten. Backsteineinfassungen, Lisenen und Friese gliedern die verputzten Wandflächen, während steil aufragende Giebel auf das Gebäude aufmerksam machen.


(1) Lossow, Hubertus: Zwei spätgotische Altäre in der Herz-Jesu-Kirche in Berlin-Tempelhof, in: Wichmann-Jahrbuch für Kirchengeschichte im Bistum Berlin 15/16 (1961/62), S. 102-106; Greßkowski, Johannes: Katholische Pfarrkirche Herz Jesu, Berlin [um 1965]; Streicher/Drave 1980, S. 316-317; BusB VI, S. 380; 100 Jahre Herz-Jesu-Kirche Berlin-Tempelhof 1898-1998, hrsg. von der Kath. Pfarrgemeinde Herz Jesu, [Berlin 1998]; Dehio Berlin 2000, S. 409; Goetz/Hoffmann-Tauschwitz 2003, S. 286-287.

(2) Aus der Sammlung Münzenberger stammen der Hochaltar und der Schrein mit der Marienkrönung. Der Andreasschrein ist ein Geschenk des Jesuitenpaters Zorell. Der Regensburger Bischof Senestry schenkte der Pfarrei das Kruzifix, die Skulptur eines heiligen Bischofs und die Skulptur der hl. Anna mit der Jungfrau Maria auf dem Arm.

(3) Möglicherweise ist der Altar identisch mit dem 1517 von der Patrizierfamilie Mechtshausen gestifteten Marienaltar, der in der Krypta des Doms St. Simon und Juda zu Goslar aufgestellt war.

(4) Nach den Inschriften unter der Schreinöffnung, hinter dem Schleiermaßwerk, standen ursprünglich die Figuren von Christophorus, Ottilia und Dionysius im Schrein.

Literatur:

  • Reclam Berlin / Seite 375 (reiche spätgotische Ausstattung unterschiedlicher Provenienz)
  • Streicher, Drave/ Berlin - Stadt und Kirche, 1980 / Seite Kat. Nr. XI 71
  • Greßkowski, J., Katholische Pfarrkirche Herz-Jesu, Berlin (um) 1966Topographie Tempelhof, 2007 / Seite 127ff.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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