Denkmaldatenbank

Wohnhofanlage Alt-Tempelhof, Borussiastraße, Stolbergstraße

Obj.-Dok.-Nr. 09075185
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Tempelhof
Adressen Alt-Tempelhof 46, 48, 50, 52

Borussiastraße 7, 7A, 8, 8A, 9

Stolbergstraße 8, 8A, 9, 10, 10A, 11, 11A
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Wohnanlage
Datierung 1905-1907
Entwurf Kolb, Paul
Ausführung Boswau und Knauer
Bauherr Berliner Spar- und Bauverein

Das Gelände am westlichen Ausgang des Dorfkerns wurde erst nach der Jahrhundertwende bebaut. Die 1905-06 errichtete Wohnanlage Alt-Tempelhof 46/52, Borussiastraße 7-9 und Stolbergstraße 8-11 ist ein frühes Beispiel für den genossenschaftlichen Reformwohnungsbau im 20. Jahrhundert. (1) Bauherr war der 1892 gegründete Berliner Spar- und Bauverein, eine Mustergenossenschaft der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, die das Ziel verfolgte, für Arbeiter und Handwerker billigen und gesunden Wohnraum zu schaffen. Der Spar- und Bauverein hatte bereits 1901 geplant, für die Genossenschaftsmitglieder, die bei den Eisenbahnwerkstätten in Tempelhof und bei der Schultheiss-Brauerei in Schöneberg beschäftigt waren, eine Wohnanlage zu errichten. Die Tempelhofer Gemeindevertretung versuchte, das Bauvorhaben zu verhindern, und versagte bis 1905 die Baugenehmigung, um Tempelhof nicht zu einem Fabrikarbeiterviertel werden zu lassen. Nach langwierigen juristischen Auseinandersetzungen kam es doch zum Bau der Wohnanlage. (2) Architekt Paul Kolb entwarf eine viergeschossige, teilweise geöffnete Blockrandbebauung. (3) Zwei Wohnblöcke mit geschlossenen Innenhöfen sind durch einen Quertrakt verbunden, sodass sich in der Mitte ein 78 Meter tiefer, zur Stolbergstraße gerichteter Hof und ein rückwärtiger Hof ergeben. Die abwechslungsreich gestalteten Fassaden zeigen, dass sich Paul Kolb die Reformwohnungsbauten von Alfred Messel und Albert Geßner zum Vorbild genommen hat. Die freundlich und lebendig wirkenden Fassaden sind verputzt und mit Giebeln, Balkonen und Loggien versehen. Man sieht ziegelgedeckte Mansarddächer, erkerartige Balkonachsen, offene Balkone, die auf Zierkonsolen ruhen, und Wandabschnitte, in denen Loggien unter Rundbögen zusammengefasst sind. Die Giebel sind jeweils unterschiedlich gestaltet. Einige Motive, darunter die Streifenquaderung des Erdgeschosses, die dreieckige Giebelausbildung und das Mansarddach, sind der spätbarocken Baukunst des ausgehenden 18. Jahrhunderts entlehnt. An der Einmündung der Stolbergstraße bildete Paul Kolb eine abgeschrägte Ecke aus, die dominant in den Straßenraum hineinwirkt. Die Wohnanlage enthält 243 Wohneinheiten mit ein oder zwei Zimmern. Die relativ kleinen Wohnungen waren für gering verdienende Arbeiter bestimmt, die hier immerhin eine innen liegende Toilette sowie Balkon oder Loggia erhielten. Der begrünte Wohnhof an der Stolbergstraße und die beiden Innenhöfe waren als Erholungsräume gedacht. Das Bestreben, den Blockrand zu öffnen und gärtnerisch gestaltete Wohnhöfe auszubilden, wurde vom Reformwohnungsbau im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts weiter verfolgt. In Tempelhof, wo es keine verdichteten Arbeiterquartiere wie im Norden und Osten Berlins gab, ist diese Art des Wohnungsbaus eine Ausnahme geblieben.


(1) Der Berliner Spar- und Bauverein reichte eine Klage beim Oberverwaltungsgericht ein und wandte sich mit einer Eingabe an Kaiser Wilhelm II. Nach fünfjähriger Auseinandersetzung erteilte die Gemeinde Tempelhof 1905 die Baugenehmigung.

(2) Paul Kolb, ein Schüler Alfred Messels, hat mehrere Reformwohnanlagen für den Berliner Spar- und Bauverein geplant. Von ihm stammt die 1904-05 errichtete Wohnanlage Nordufer 15-19, Buchstraße 1-2 und Fehmarner Straße 10-12A in Berlin-Wedding.

Literatur:

  • Topographie Tempelhof, 2007 / Seite 107f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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