Denkmaldatenbank
Fernmeldeamt
09066737 | |
Bezirk | Tempelhof-Schöneberg |
Ortsteil | Schöneberg |
Adressen | Winterfeldtstraße 19, 21, 23 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Bürogebäude |
Datierung | 1923-1926, 1926-1929 |
Entwurf | Spalding, Otto & Kuhlow, Kurt |
Bauherr | Oberpostdirektion |
Mit einem größeren Bauvolumen als das nahe gelegene Kammergericht entstand in den 1920er Jahren das Fernmeldeamt 1, Winterfeldtstraße 19/23, das damals als das größte Fernamt Deutschlands und als das modernste der Welt galt. (1) Der erste Neubau der Reichspost für den nach 1918 sprunghaft angestiegenen Telefonverkehr und die ausschließlich per Hand vermittelten Ferngespräche bot Raum für mehrere tausend Mitarbeiter. (2) Das Gebäude mit seiner immensen Größe und Höhe erstreckt sich vor allem in das Innere des Blockes zwischen Winterfeldt- und Pallasstraße, während die Straßenfront -immerhin beachtliche 90 Meter breit - Bauflucht und Traufhöhe der benachbarten Mietshäuser aufnimmt. (3) Trotzdem stellt sich die dunkelrote Klinkerfassade, die Gestaltungselemente des Expressionismus mit denen der Neuen Sachlichkeit vereint, in einen bewussten Kontrast zu den Gründerzeitfassaden in ihrer unmittelbaren Umgebung. Gebaut wurde die aus vier Außen- und zwei Innentrakten um vier Höfe bestehende Anlage in drei Bauabschnitten zwischen 1923 und 1929. Die Pläne hatte bis 1924 Oberpostbaurat Otto Spalding erstellt, danach wurden sie von Postbaurat Kurt Kuhlow vollendet. (4) In einer Zeit des vehementen architektonischen Umbruchs entstanden, lässt sich auch innerhalb der relativ kurzen Bauzeit bei den einzelnen Bauteilen des Fernmeldeamtes ein deutlicher Stilwandel festmachen.
Der ausgedehnte Komplex der mit Klinkern verblendeten Stahlbetonbauten hat den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet überstanden, nur das Innere wurde den jeweils neuen Techniken und Nutzungen angepasst. (5) Der Haupteingangsbereich mit doppelläufiger Treppe und einer Verkleidung aus gelben Majolika-Fliesen dokumentiert noch den hohen Ausstattungsstandard der Erbauungszeit.
Während der Winkelbau an der Südostecke des Grundstücks, der als erster Bauabschnitt 1923 ausgeführt wurde (6), mit pfeilerartigen Wandvorlagen rhythmisiert ist, zeichnet sich der zweite und größte Bauabschnitt von 1923-26, der kreuzförmige Bauteil in der Mitte des Areals mit Heizhaus und hohem Schornstein an der Südwestecke, durch eine starke Auflösung der Wand in Glasflächen aus. Diese beiden Bauteile sind noch am stärksten einem gemäßigten Backsteinexpressionismus verpflichtet. Dagegen versuchte Kurt Kuhlow bei dem 1926-29 realisierten Straßentrakt mit zwei Seitenflügeln, der den im Mai 1929 eingeweihten Komplex abschloss, die expressionistischen Einflüsse mit stereometrischen Formen zu einer eindrucksvollen Monumentalität zu verbinden, ohne den Maßstab der benachbarten Bebauung zu sprengen. Die Straßenfassade zeigt in der Mittelachse ein hoch aufstrebendes Treppenhaus, das durch ein über alle Geschosse konkav zurückschwingendes Feld aus sechs schmalen Fensterstreifen - bekrönt von einem Reichsadler und flankiert von Quadratfenstern - deutlich in der Vertikalen betont ist. Diese Vertikalität wiederholt sich in den seitlichen, zu Vierergruppen zusammengefassten Fensterzonen des ersten bis dritten Obergeschosses. Ein horizontales Gegengewicht erhält die Fassade durch die beiden obersten Geschosse, an denen in engem Rhythmus schmale Ziegelrippen zwischen den Fenstern die gesamte Zone gliedern und optisch zurücktreten lassen. Fenster und Rippen greifen zwar die senkrechten Achsen der unteren Geschosse auf, fassen jedoch den oberen Bereich so geschickt zusammen, dass er insbesondere aus der Schrägsicht wie von einem Lamellenvorhang verdeckt wirkt und auf diese Weise dem Bau im Straßenbild seine Massigkeit nimmt.
Auf dem Grundstück Winterfeldtstraße 27 wurde 1985-89 ein Neubau für die Zentrale Vermittlungsstelle errichtet. Die Architektengemeinschaft Bassenge, Puhan-Schulz und Partner schuf einen Bau mit Klinkerfassade, die mit rhythmisch gruppierten Fenstern zwar Bezug nimmt auf das Fernmeldeamt, aber das Gebäude mit einer nach oben abgetreppten viergeschossigen Glasfläche optisch öffnet.
(1) Elektropolis Berlin 2014, Nr. 357, S. 399 f.; BusB X B (4), S. 105-108, 203 (Abb. 201-206); Jaeger 1987, S. 139-144.
(2) Bis dahin war der Sitz der Zentrale für den deutschen Fernsprechverkehr in der Französischen Straße in Berlin-Mitte. 1926 wurde das Ortsnetz auf Wählautomaten umgestellt, während Ferngespräche noch bis 1959 handvermittelt blieben. Vgl. Jaeger 1987, S. 139.
(3) Im Blockinneren erreichen die Bauten durch Staffelung der Geschosse und Dachaufbauten eine Höhe von mehr als 40 Metern. Die Stahlkonstruktion des Antennenturms über dem Kreuzungspunkt der Hofflügel entstand 1952.
(4) Otto Spalding (1863-1945), Studienfreund und Schwager Alfred Grenanders (1896-1903 Bürogemeinschaft), baute in jener Zeit vor allem Villen und Landhäuser, seit 1901 Arbeiten für die Reichspost. Kurt Kuhlow (geb. 1881) war wohl seit 1923 bei der Reichspost. Vgl. Jaeger 1987, S. 208.
(5) Während des Krieges wurden die Dachterrassen für die Angestellten zu Gunsten von Bombenfangdecken abgeräumt. Zum Zusammenhang mit dem Bau des Hochbunkers an der Pallasstraße, der die Betriebsanlagen des Fernamtes im Notfall aufnehmen sollte, und dem Zwangsarbeiterlager in der evakuierten Augusta-Schule siehe: Elßholzstraße 24-37/Pallasstraße 27 und Pallasstraße 28-30.
(6) Die drei Grundstücke an der Winterfeldtstraße erwarb die Reichspost 1923. Die Villa Koch, die zunächst auf dem östlichen Teil noch stehen blieb, wurde 1926 für den dritten Bauabschnitt abgerissen. Vgl. Jaeger 1987, S. 139.
Literatur:
- Jaeger/ Posthorn und Reichsadler, 1987 / Seite 139ff.
- Wasmuths Monatshefte für Baukunst 12 (1928) / Seite 50
- Deutsches Bauwesen 3 (1927) 8 / Seite 3ff.
- Die Form 3 (1928) / Seite 56-58
- Berliner Forum 3 (1979)Baedeker Berlin, 1954Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 110f.
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Juliane Stamm
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