Denkmaldatenbank

Wilhelm-Förster-Sternwarte, Zeiss-Planetarium

Obj.-Dok.-Nr. 09066638
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Munsterdamm 86, 88, 90
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Sternwarte & Planetarium
Datierung 1961-1963, 1963-1965, 1968-1969, 1971-1974
Entwurf Bassen, Carl
Bauherr Wilhelm-Förster-Sternwarte

Das südliche Ende des Bezirks Schöneberg nimmt ein nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Trümmern der zerstörten Stadt Berlin aufgeschütteter Berg ein, der am 11. August 1951 offiziell den Namen "Insulaner" erhielt. Für den mehr als 75 Meter hohen Trümmerberg zwischen Munsterdamm und Prellerweg waren 1946-51 rund 1,5 Millionen Kubikmeter Schutt aufgetürmt worden. Der asymmetrisch aufgeführte Hügel mit unterschiedlich steilen und flachen Hängen ist heute als Parkanlage dicht mit Sträuchern und Bäumen bewachsen und von Asphaltwegen erschlossen. Auf dem höchsten Punkt wurde 1952 im Auftrag der US Air Force ein Drehfunkfeuer (Radaranlage) für die Flugsicherung auf dem Flughafen Tempelhof errichtet.

Die anfangs noch spärlich bewachsene Bergkuppe bot eine weite Sicht und lag - umgeben von unbesiedeltem Gelände und Kleingartenkolonien - abseits der hell erleuchteten Großstadt. Daher bot sie sich an als Standort für die Wilhelm-Foerster-Sternwarte, Munsterdamm 86, die 1961-63 nach Entwurf von Carl Bassen ausgeführt wurde. Das am Fuß des Insulaners gelegene Zeiss-Planetarium, Munsterdamm 90, ließ der Verein Wilhelm-Foerster-Sternwarte e.V., finanziell unterstützt durch Lottomittel und das Land Berlin, 1963-65 ebenfalls von Carl Bassen entwerfen. Die bis in die 1990er Jahre mehrfach erweiterten Bauten stellen in ihrer einzigartigen Kombination von Planetarium und Sternwarte eine wichtige Stätte der Volksbildung dar, die insbesondere im geteilten Berlin nach 1961 eine bedeutende Rolle spielte. Darüber hinaus beherbergt die Sternwarte mit dem so genannten Bamberg-Refraktor, einem 1889 angefertigten Fernrohr aus der ersten Urania-Sternwarte in der Invalidenstraße, ein technikgeschichtliches Dokument des optischen Gerätebaus. Die Urania hatte der Astronom Wilhelm Foerster 1889 als erste deutsche Volkssternwarte in Berlin gegründet. (1)

Als erstes Gebäude auf dem Insulaner wurde am ehemaligen Standort der Radaranlage im Januar 1963 die Sternwarte eröffnet. Der lang gestreckte eingeschossige Baukörper wird außen durch zwei zweigeschossige Rundbauten mit ihren Aluminium gedeckten Kuppeln charakterisiert. (2) Unter den drehbar gelagerten Stahlkuppeln mit von innen zu öffnenden Toren sind die Refraktoren untergebracht - unter der größeren Kuppel der berühmte Bamberg-Refraktor. (3) Im Mittelbau sind ein kleiner Vortragssaal sowie Büro- und Arbeitsräume angeordnet, darüber dient die Dachterrasse mit Umgang um die große Kuppel Beobachtungen und Vorträgen unter freiem Himmel. (4) Bei der architektonischen Gestaltung - mit dem polygonalen Grundriss des Gebäudes, grün gerahmten Fenstern in glatt geputzten, weiß gestrichenen Wandflächen und einem Vordach auf filigranen Stahlstützen über dem Eingang - folgte der Architekt Carl Bassen der sachlich-klaren Formensprache der 1960er Jahre. Auch die beiden separaten Nebengebäude der Sternwarte, die 1968-69 errichtete Satelliten-Beobachtungsstation der Technischen Universität und der 1971-74 ausgeführte kleine Kuppelbau in weiß gestrichenem Sichtbeton für ein neues Spiegelteleskop, wurden von Bassen in ähnlichen Formen entworfen.

Am 16. Juni 1965 wurde die zweite Anlage, das Zeiss-Planetarium am Fuße des Insulaners eröffnet; Carl Bassen schuf einen Kuppelbau mit einem direkt anschließenden eingeschossigen, lang gestreckten Lehr- und Wohngebäude. Im Saal mit 300 Plätzen unter der Spannbetonschale mit einem Durchmesser von 20 Metern, die aus Fertigteilen von der Firma Dyckerhoff & Widmann (5) hergestellt wurde, können neben der Projektion des Sternenhimmels und seiner Bewegungsabläufe auch von der Sternwarte übertragene Bilder gezeigt werden. Während der Saalbau weitgehend unverändert erhalten ist (6), wurde das Lehrgebäude, ein Stahlbeton-Skelettbau, durch Erweiterungen in den Jahren 1971-72, 1979-81 und 1989-90 behutsam ergänzt. (7) Die zusätzlichen Räume für Büros und die Wohnung des technischen Leiters aus den 1970er Jahren wurden der Architektur des Ursprungsbaus angepasst und befinden sich vor allem an der Rückseite des Gebäudes. Nur der 1990 fertig gestellte Umbau des Eingangsbereichs mit verglastem Windfang und der Anbau eines zweigeschossigen gläsernen Rundbaus für die Bibliothek an der Straßenseite treten deutlicher hervor. Trotzdem ist das Planetarium in seiner von Carl Bassen sachlich gestalteten Architektur der 1960er Jahre noch erkennbar: Die mit großen Glasflächen und mit Spaltriemchen verkleideten Wandflächen gestalteten Fassaden der Stahlbetonrahmen-Konstruktion verleihen dem Bau Transparenz und Leichtigkeit, die Staffelung der kubischen Bauteile und die Kupfer gedeckte Halbkugel des Kuppelbaus fügen sich zu einem harmonischen Gesamtbild.


(1) Als Nachfolge-Institution der zerstörten Urania, war das 1947 gegründete Wilhelm-Foerster-Institut (seit 1953 Verein Wilhelm-Foerster-Sternwarte e.V.) auf einem Ruinengrundstück in der Nähe des Bahnhofs Papestraße provisorisch untergekommen. 1951 wurde der Bamberg-Refraktor aus den Trümmern geborgen und in die Papestraße gebracht, wo er 1955 aufgestellt und 1962 generalüberholt wurde. Eine weitere Restaurierung wurde 1996-97 durchgeführt. Vgl. Tost, Wilfried: Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Vereins Wilhelm-Foerster-Sternwarte e.V., Berlin 1997.

(2) Der Mitteltrakt ist ein massiver Mauerwerksbau mit Betondecke, die Rundbauten sind in Stahlbeton ausgeführt. Das Gebäude steht wegen des unsicheren Untergrunds auf einer durchgehenden Fundamentplatte aus Stahlbeton (Bauakte Munsterdamm 90, Bauarchiv Tempelhof-Schöneberg).

(3) Die Kuppel gehörte ursprünglich dem Goerz-Werk in der Rheinstraße in Friedenau. Der Unterbau des Refraktors ist vom restlichen Gebäude getrennt, um Schwingungsübertragungen zu vermeiden (Bauakte Munsterdamm 90, Bauarchiv Tempelhof-Schöneberg).

(4) Die Sternwarte wurde 1996 umfassend saniert.

(5) Die Zeiss-Werke in Jena hatten 1922 zusammen mit der Betonbaufirma Dyckerhoff & Widmann die so genannte Zeiss-Dywidag-Schalenbauweise mit einem Netzwerk aus Flachstäben entwickelt, nach der u.a. Planetariumskuppeln in aller Welt gebaut wurden. Vgl. DLW-Nachrichten 1966, H. 40, S. 31.

(6) Nach einem Brand im Mai 1988 musste die Bestuhlung des Saals erneuert und das Kupferdach der Kuppel repariert werden. 2003 ließ man die Innenkuppel, d.h. die Projektionsfläche, als selbst tragende Aluschale erneuern, Architekt war Conrad Vering. 2009-10 wurde im Zuge einer energetischen Sanierung der Gebäude auch die technische Ausstattung des Planetariums, u.a. mit einem Hochleistungsbeamer, noch einmal auf den neuesten Stand der Technik gebracht.

(7) Den Anbau 1971-72 entwarf ebenfalls Carl Bassen, für die späteren Erweiterungsbauten zeichnete das Berliner Architekturbüro Gerd und Gudrun Jankowiak verantwortlich (Bauakte Munsterdamm 86/90, Bauarchiv Tempelhof-Schöneberg).

Literatur:

  • Winz/ Es war in Schöneberg, 1964 / Seite S. 162, 169
  • N.N./ Wilhelm-Foerster-Sternwarte und Zeiss-Planetarium, Berlin-Schöneberg =DLW Nachrichten 1 (1966) 40 / Seite S. 31-33
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite S. 266 f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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