Denkmaldatenbank

"Atomhochhaus"

Obj.-Dok.-Nr. 09066532
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Hauptstraße 92, 93
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohn- und Geschäftshaus
Datierung 1956-1958
Entwurf Schoszberger, Hans (Architekt)
Bauherr Hansa-Heimbau, Lüder und Co.

Geschäftshaus Hauptstraße 92-93, eine elfgeschossige Wohnhochhausscheibe über einem zweigeschossigen Sockelbau für Büros und Ladenlokale, entstand 1956-58 als so genanntes Atomhochhaus nach Entwurf des renommierten Architekten Hans Schoszberger. (1) In einer Zeit, da im geteilten Berlin die Gefahr eines Krieges zwischen Ost- und Westmächten groß und in der Presse die Diskussion um "baulichen Luftschutz" (2) allgegenwärtig war, wurde das Hochhaus an der Hauptstraße angeblich atombombensicher errichtet. In einem Bauwelt-Artikel beteuerte Schoszberger jedoch, dass spezielle Einrichtungen nicht geplant seien, sondern dass die moderne Bauweise seines Gebäudes bereits an sich luftschutzgeeignet sei: Die Konstruktion als Stahlbetonskelettbau mit versteifenden Stahlbetondecken sowie mit zwei separaten, möglichst weit voneinander entfernt liegenden Stahlbetontürmen für Treppen und Aufzüge, zwischen denen die Wohnungen über Laubengänge erschlossen wurden, böte den größtmöglichen Schutz. (3) Dies musste das Haus nie unter Beweis stellen, dennoch zeugt es in seiner Bauweise von den Vorstellungen jener Zeit und den politischen Bedingungen im geteilten Berlin. Die 121 Wohnungen, die aus 77 Einzimmer-Apartments und 44 Zwei- und Dreizimmer-Wohnungen für Alleinstehende und kinderlose Ehepaare bestehen, sind geschickt angeordnet und in Größe und Ausstattung typisch für die 1950er Jahre gestaltet. Mit der großen Zahl an Kleinwohnungen sollte die Wohnungsnot im Bezirk Schöneberg nach dem Krieg bekämpft werden. In Konstruktion und Gestaltung ist das Gebäude zudem Beleg für das Bemühen Schoszbergers, internationale Konzepte im modernen Wohnhausbau, wie sie beispielsweise zeitgleich bei der Interbau 1957 umgesetzt wurden, in seinem Gebäude aufzunehmen.

Der Sockelbau, der an der Südseite bis zur Traegerstraße reicht und im Norden zwischen Haupt- und Rubensstraße abgerundet ausschwingt, hat im Erdgeschoss eine großflächige Schaufenster-Verglasung und im Obergeschoss ein durchgehendes Fensterband für die Büros. Der Hochhausteil wird durch die beiden Treppenhaustürme vertikal in drei Abschnitte geteilt; die westliche Fassade des Hauses gestaltete der Architekt als ein unregelmäßiges Muster aus zu Gruppen zusammengefassten Fenstern und einzelnen Fenstertüren mit Brüstungsgittern, an der Rückseite lockerte er das gleichmäßige Raster der geschlossenen Brüstungen vor den Laubengängen durch einzelne Kompartimente mit Gitterbrüstung auf, während er die Stirnseiten des Gebäudes geschlossen ließ. Auf diese Weise erscheint der mächtige Baukörper vielfältig gegliedert und von einer lebhaften Textur überzogen.


(1) Hans Schoszberger (1907-1997) wurde vor allem bekannt durch die in den 1950er und 1960er Jahren im Zentrum West-Berlins in Zusammenarbeit mit Paul Schwebes (1902-1978) errichteten Geschäftshäuser wie z.B. das Telefunken-Hochhaus oder das Zentrum am Zoo. Auf dem Grundstück Hauptstraße 92-93 hatte der Reichsbund Deutscher Beamten im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin hier ein Verwaltungsgebäude mit Bunker geplant, das wegen des Krieges nicht mehr realisiert wurde. Die Idee für einen "Probebau für atombombensichere Luftschutzräume" wurde in den 1950er Jahren wieder aufgegriffen. In der Bauwelt war der geplante Bau des Hochhauses bereits 1954 unter dem Titel "Luftschutz der Gegenwart" angekündigt worden. Vgl. Bauwelt 45 (1954), S. 433; BusB IV B, S. 707 f.

(2) Hans Schoszberger promovierte 1934 über das Thema "Baulicher Luftschutz". Vgl. Worbs, Dietrich: Offenheit und Transparenz, Vier Bauten der 50er Jahre im Zentrum von Berlin (West). In: Verloren, gefährdet, geschützt, Baudenkmale in Berlin, Berlin 1988, S. 147.

(3) Schoszberger, Hans: Das Hochhaus und die Bombe. In: Bauwelt 47 (1956), S. 680.

Literatur:

  • Luftschutz der Gegenwart =Bauwelt 45 (1954) 22 / Seite S. 433
  • Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1968 / Seite Obj. 89
  • BusB IV B 1974 / Seite 707-708
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite S. 254 f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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