Denkmaldatenbank

Maison de Santé

Obj.-Dok.-Nr. 09066517,T
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Hauptstraße 14, 15, 16

Belziger Straße 7, 9, 11, 12, 14
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Krankenhaus & Kurklinik
Datierung 1862-1872, 1882, 1885-1886
Entwurf Netzband, Carl (Architekt)
Entwurf Schmid, Ludwig
Entwurf Ravoth, Max
Bauherr Levinstein, Eduard

Zu den ältesten erhaltenen Gebäuden in Schöneberg gehört die Anlage der ehemaligen "Maison de Santé", Hauptstraße 14-16, Belziger Straße 7/11, 12/14. Die spätklassizistischen Wohnhäuser an der Hauptstraße und mehrere Gebäude im Hof zur Belziger Straße repräsentieren noch die hier von 1861 bis 1919 betriebene Privatklinik. Mit seiner "Kur- und Heilanstalt für Gemütserkrankungen", einer der ersten privaten Anstalten im Berliner Raum, erwarb sich der Arzt Eduard Levinstein durch fortschrittliche Behandlungsmethoden bald auch überregional einen bedeutenden Ruf. (1) Das ausgedehnte Klinikareal auf drei ehemaligen Kolonistenstellen von Neu-Schöneberg zeichnet sich im Stadtgrundriss nach wie vor deutlich zwischen den später mit Mietshäusern bebauten Parzellen ab. Auf dem Grundstück, das sich ursprünglich über die erst 1935 verlängerte Belziger Straße hinaus nach Norden erstreckte, haben sich trotz mancher Veränderungen durch neue Nutzungen mehrere Bauten der Anlage erhalten, die fast sechs Jahrzehnte als Heilanstalt in Betrieb war. Die Gebäude sind von einzigartiger Bedeutung für die Bau- und Sozialgeschichte Schönebergs.

Von den Wohnhäusern an der Hauptstraße stellt die Nr. 15 den ersten Neubau für die "Maison de Santé" dar; er wurde 1862 von Carl Netzband errichtet und ist damit der älteste erhaltene Bau der Anlage. (2) Haus Nr. 14 wurde 1885 von Max Ravoth als Erweiterungsbau ausgeführt. (3) Das Gebäude Hauptstraße 16 ersetzt erst seit den 1970er Jahren ein ebenfalls von der Klinik genutztes ehemaliges Kolonistenhaus; die noch vorhandenen Anbauten an der Rückseite für einen Krankensaal und einen Stall wurden 1882 von Ludwig Schmid errichtet. (4) Zur historischen Anlage gehört auf dem hinteren Teil des einstigen Anstaltsgartens, Belziger Straße 12/14, auch das 1885 von Max Ravoth als Herren-Beobachtungsstation errichtete Gebäude, das heute als Kindertagesstätte genutzt wird. Die Bauten auf dem Grundstück Belziger Straße 7/11, die ehemals als Kapelle, Maschinenhaus, Frauenbeobachtungsstation, Waschhaus und Wirtschaftstrakt mit Schornstein und Wasserturm dienten, wurden überwiegend 1886 ebenfalls von Max Ravoth um- und angebaut. (5) Im Inneren der Bauten sind zum Teil noch interessante Ausstattungsdetails vorhanden, wie beispielsweise die Wandgliederung der Kapelle in Neorenaissance-Formen oder die Raumaufteilung sowie spezielle Türen und Fenster in den früheren Patientenzimmern.

Die Vorderhäuser mit ihrem spätklassizistischen Fassadendekor, die hell verputzten Bauten der Beobachtungsstationen und die Ziegelrohbauten im Hof dokumentieren die wechselvolle Geschichte der Anlage zwischen 1861 und 1919. Begonnen hatte Levinstein 1861 mit einer Kur- und Badeanstalt vor den Toren Berlins im Kolonistenhaus Hauptstraße 14, dem ehemaligen Gasthof "Zum Helm" seiner Schwiegereltern. (6) Zahlungskräftigen Erholungssuchenden aus der Hauptstadt offerierte er medizinische Trink-, Inhalations- und Badekuren nach dem Vorbild mondäner Kurorte, im neu gebauten Haus Hauptstraße 15 ab 1863 auch mit Übernachtungsmöglichkeit. Levinsteins Interesse richtete sich bald auf psychisch Kranke, für die er ab 1866 eine separate Abteilung mit etwa 30 Zimmern schuf. Wohlhabende und prominente Patienten wurden hier in einer häuslichen Atmosphäre nach neuesten medizinischen Erkenntnissen behandelt. (7) Der Umschwung kam 1871, als Levinstein das Nachbarhaus Hauptsstraße 16 erwarb und die Anstalt kräftig ausbaute. Die Überlastung der kommunalen Heilanstalten Berlins zwang die Stadt immer wieder zur Unterbringung psychisch Kranker auch in Privatkliniken. So richtete Levinstein auf dem Gelände der "Maison de Santé" eine "Filiale der Städtischen Irren-Verpflegungsanstalt" ein und baute sie bis zu seinem Tod 1882 beständig aus. Bis zu 800 Patienten waren zeitweise in den Hofgebäuden untergebracht, die streng von der Privatklinik in den Vorderhäusern getrennt waren. Katastrophale Zustände, vor allem später unter Leitung der Söhne Walter und Willibald Levinstein, die Nutzung als Lazarett während des Ersten Weltkrieges, wirtschaftliche Probleme und auch die zunehmende Verstädterung der unmittelbaren Umgebung mögen Gründe für den Verkauf der Anstalt im Jahr 1919 an die Stadt Schöneberg gewesen sein. Die Klinik wurde geschlossen und die Bauten für verschiedene kommunale Einrichtungen genutzt. (8) Ende der 1950er Jahre wurde das Gelände an einen Privatinvestor verkauft und war seitdem immer wieder Gegenstand von Planungen, die alle nicht realisiert wurden. So besitzt Schöneberg heute eine einzigartige Baugruppe von höchstem historischen Wert.


(1) Eschebach 1989. Eduard Levinstein (1831-82) war in Schöneberg als Arzt tätig, als er Ende der 1850er Jahre die Tochter des Wirts vom Gasthaus "Zum Helm", Hauptstraße 14, heiratete und auf dem Grundstück zunächst einen "Brunnengarten" eröffnete. Seine Söhne Willibald und Walter wurden 1860 bzw. 1864 geboren.

(2) Vorgärten und Erker zur Straße 1937 abgerissen, der linke Anbau von 1875 mit Ausnahme des Eingangsportals erhalten. 1999 sind die Wohnungen im Vorderhaus und Teile der Fassade in Stand gesetzt worden. Vgl. Eschebach 1989, S. 28 ff., 123.

(3) An Stelle des Gasthauses "Zum Helm". Die ursprüngliche Fassade ist nicht erhalten.

(4) Das ehemalige Kolonistenhaus, Gasthaus des Caffetier Pannier, war als massiver Mauerwerksbau um 1752 erbaut worden, hatte 1863 an seiner Südseite einen Tanzsaalanbau erhalten, in dem Levinstein 1871 einen ersten Krankensaal einrichtete. 1874 kam ein zweigeschossiger Anbau zum Garten als Krankensaal für die Frauen-Communal-Abteilung dazu. Der gesamte Bau wurde 1973/74 abgerissen. In den Anbauten waren ursprünglich eine Frauenstation sowie der Pferdestall mit Totenkammer untergebracht. Vgl. Eschebach 1989, S. 124 f.

(5) Zur Baugeschichte der einzelnen Gebäude siehe: Eschebach 1989, S. 121 ff. Zum Wasserturm siehe: Woll, Stefan: Berliner Wassertürme, Berlin 1986, S. 38-41.

(6) Levinstein, Eduard: Das Maison de Santé in Neu-Schöneberg bei Berlin, Anstalt für Molken und Brunnen, Anstalt für medicinische Bäder, Inhalations-Salon, Pneumatisches Cabinet, 1863; Rasch, Gustav: Die dunkeln Häuser Berlins, Berlin 1865, S. 154 ff.: Das Maison de Santé; Levinstein, Eduard: Bericht über die Kranken-Anstalt Maison de Santé zu Neu-Schöneberg bei Berlin, Berlin 1867.

(7) Z.B. mit dem "Non-restraint-System", das sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts von England aus verbreitete und auf die Anwendung von körperlichem Zwang (z.B. Zwangsjacken) verzichtete.

(8) Nutzung in den 1920er Jahren als Volksküche, Jugendheim etc. In der Nazizeit und nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder Abrisspläne für die jeweiligen stadtplanerischen Umwälzungen ("Hauptstadt Germania", "autogerechte Stadt"). Vgl. Eschebach 1989, S. 101 ff.

Literatur:

  • Winz: Es war in Schöneberg, 1981 / Seite 103
  • Wille, Klaus-Dieter: Spaziergänge in Schöneberg, Berlin 1981 / Seite 36-37
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 79f.

Teilobjekt Herren-Beobachtungsstation

Teil-Nr. 09066517,T,001
Sachbegriff Krankenhausgebäude
Datierung 1885
Entwurf Ravoth, Max (Architekt)
Bauherr Levinstein-Schlegel, Walter (Arzt)
Adressen Belziger Straße 12, 14

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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