Denkmaldatenbank
RIAS-Funkhaus
09066515 | |
Bezirk | Tempelhof-Schöneberg |
Ortsteil | Schöneberg |
Adressen | Fritz-Elsas-Straße 8 Hans-Rosenthal-Platz |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Funkhaus |
Datierung | 1938-1941 |
Umbau | 1964-1974 |
Entwurf | Borchard, Walter |
Entwurf | Schröter, Hans-Joachim |
Bauherr | Bayerische Stickstoffwerke AG |
Das unmittelbar an die Schule anschließende markante Gebäude am Hans-Rosenthal-Platz, Fritz-Elsas-Straße 8, das vor allem als RIAS-Funkhaus bekannt wurde, entstand 1938-41 nach Entwurf von Walter Borchard als Bürogebäude der Bayerischen Stickstoffwerke AG. (1) Als Funkhaus des für West-Berlin in der Nachkriegszeit bedeutsamen Senders RIAS (Rundfunk Im Amerikanischen Sektor) war das Gebäude zwischen 1948 und 1993 Schauplatz der Medien im Kalten Krieg; seit 1994 wird es vom Sender Deutschlandradio genutzt. (2) Der Erweiterungsbau Fritz-Elsas-Straße 8 wurde 1964-74 in mehreren Bauabschnitten errichtet. Die Gebäudegruppe stellt heute in ihrer Nutzungsgeschichte und in ihrer architektonischen Gestaltung, die von der NS-Zeit ebenso wie von der sachlichen Architektur der 1920er Jahre geprägt ist, ein bedeutendes Zeugnis sowohl für das Baugeschehen in Berlin während des Zweiten Weltkriegs als auch für die Berliner Nachkriegsgeschichte dar.
Das ehemalige Verwaltungsgebäude eines auch für die NS-Rüstungsindustrie wichtigen Unternehmens entwarf der Architekt Walter Borchard als gleichmäßig gerasterten Zweiflügelbau mit abgerundeter Ecke in deutlicher Anlehnung an das unweit gelegene Nordsternhaus. (3) Das Versicherungsgebäude, 1913-14 von Paul Mebes geschaffen, mag für Borchard, der mehrere Jahre im Büro von Mebes mitgearbeitet hatte, Vorbild gewesen sein. Bei seinem Entwurf wählte Borchard jedoch eine wesentlich strengere Gestaltung, indem er die hellen schmucklosen Putzfassaden durch eine schmale Sockelzone, kräftige Gesimse und Fensterrahmungen aus Naturstein gliederte, das hohe Satteldach mit kastenartigen Gauben und das mächtige Eingangsportal mit einer zweiläufigen Freitreppe und eisernen Kandelabern versah. Zwar erwies der Architekt im Inneren mit einem elegant geschwungenen Treppenhaus, das sich als halbrunder Vorbau mit schmalen Fenstern zum Innenhof wendet, auch der Neuen Sachlichkeit der 1920er Jahre eine Reverenz, die Entstehung in der NS-Zeit kann der Bau dennoch nicht leugnen. Als Stahlbetonskelettkonstruktion mit tragenden, massiven Außenmauern und leicht versetzbaren, nicht tragenden Innenwänden eignete sich das Bürogebäude, das den Krieg ohne größere Schäden überstanden hatte, hervorragend für eine schnelle Umnutzung als Funkhaus. 1948 zog der zwei Jahre zuvor mit amerikanischer Hilfe gegründete Sender hier ein; Aufnahmestudios und Sendetechnik konnten mühelos integriert werden, ohne die Grundstruktur des fünfgeschossigen Gebäudes, dessen unterschiedlich lange Flügel im annähernd rechten Winkel einen Innenhof einfassen, zu verändern. Daher sind bis heute im Inneren zahlreiche bauzeitliche Details erhalten, wie beispielsweise Foyers, Türen, Flure bis hin zu Möbelstücken. (4) Die variable Baukonstruktion mit Achsabständen von vier Metern erlaubte innerhalb des Baus auch in den folgenden Jahrzehnten Anpassungen an die sich ändernden Nutzungen oder technische Neuerungen. Nur ein ehemaliges Hörspielstudio im Innenhof wurde 2004-06 durch einen Neubau von den Architekten Annette Axthelm und Roland Frinken ersetzt.
Der Erweiterungsbau Fritz-Elsas-Straße 8 wurde vom Bauamt Nord der Sondervermögens- und Bauverwaltung des Bundes nach Entwurf des Baudirektors Hans-Joachim Schröter zwischen 1964 und 1974 ausgeführt. (5) Die Gestaltung der Fassade setzt in den oberen drei Geschossen das Fensterraster des Altbaus fort, während an den beiden unteren Stockwerken die Formensprache der 1960er Jahre erkennbar ist: Das Erdgeschoss mit verglastem Eingangsbereich und schmalen Fensterbändern über einer Naturstein verkleideten Wandfläche gibt sich zurückhaltend, die Straßenfront des ersten Obergeschosses ist als abstraktes Wandrelief künstlerisch gestaltet - eine Reihe hochrechteckiger Fensterflächen wird von einem kräftigen Stahlrahmen eingefasst und über die gesamte Breite von der "Dynamischen Struktur", einem Betonrelief des Berliner Bildhauers Erich Reuter von 1969, überlagert. (6)
(1) Die Bayerische Stickstoffwerke AG, die Stickstoff für Düngemittel, Farben und Sprengstoff herstellte, war 1908 gegründet worden und hatte ihren Sitz in Berlin; als Mitglied des Stickstoff-Syndikats war das Unternehmen mit der I.G. Farben verbunden. Trotz des allgemeinen Bauverbots nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Fertigstellung des Neubaus genehmigt, weil das damalige Verwaltungsgebäude des Unternehmens in der Schadowstraße vom Reichsinnenministerium übernommen worden war. Walter Borchard (1887-1948) hatte in Berlin eine Maurerlehre und eine Ausbildung an der Baugewerkschule absolviert, war 1910-11 und 1921-24 im Büro von Paul Mebes tätig gewesen, bevor er sich 1925 selbstständig machte. In den 1920er Jahren baute er mehrere Wohnsiedlungen und Verwaltungsgebäude. (www.torial.com/adolf.stock/portfolio/29719, zuletzt geprüft am 17.02.2017)
(2) Der RIAS war neben dem Sender Freies Berlin das Sprachrohr West-Berlins. Seine Nachrichtensendungen wurden eingeleitet mit: "Hier ist RIAS-Berlin, eine freie Stimme der freien Welt." Seit 2009 ist die restaurierte RIAS-Leuchtschrift wieder auf dem Dach des Gebäudes angebracht.
(3) Siehe Salzburger Straße 21.
(4) Auch aus der Umbauphase in den 1940er Jahren gibt es noch Zeugnisse, wie beispielsweise eines der ersten Aufnahmestudios mitsamt seiner aus den USA gelieferten Ausstattung.
(5) Das Gebäude enthielt ursprünglich Büroräume und ein Musikstudio, das als "Haus-im-Haus-Konstruktion" schalltechnisch isoliert gebaut worden war und bei Baumaßnahmen 2012 ersetzt wurde.
(6) Erich Karl ("Fritz") Reuter (1911-1997), Bildhauer und Professor für Plastisches Gestalten an der TU Berlin. Vgl. Endlich/Wurlitzer 1990, S. 93.
Literatur:
- Winz: Es war in Schöneberg, 1964 / Seite 152
- BusB X B 4 1987 / Seite 137-141, 221-222
- Kundler, Herbert: RIAS Berlin - Eine Radio-Station in einer geteilten Stadt, Berlin 1994 / Seite 104-105
- Bünger/ Reinhart: "Überprüfen, dazulernen, verbessern". Fassade des Rias Berlin erhält ein neues Gesicht. DeutschlandRadio mit neuen Insignien ante portal, in: Der Tagesspiegel, Nr. 15.479, 15.12.1995 / Seite 35
- Elitz, Ernst: Vergangenheit und Gegenwart angemessen repräsentieren, in: Berliner Morgenpost, Nr. 16, 17.01.1996 / Seite 23 (Leserbrief)
- Fuchs, Claudia: Senden unter falschem Namen. DeutschlandRadio will RIAS-Leuchtreklame auf seinem Haus loswerden, in: Berliner Zeitung, Nr. 19, 23.01.1996 / Seite 19
- Kissel, Gabriele: Streit um das RIAS-Signet. Bezirksamt will das Logo, Deutschlandradio nicht, in: Extra-Blatt Berlin, 31.01.1996 / Seite 2
- Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 229 f.
- DeutschlandRadio (Hrsg.): DeutschlandRadio - Einblicke, Köln 1999 / Seite .
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
- Tel.: (030) 90259-3653
- Fax: (030) 90259-3700
- E-Mail juliane.stamm@lda.berlin.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
Jüdenstr.
- 248
- 300
-
Nikolaiviertel
- N8
- N40
- N60
- N65
-
Jüdenstr.