Denkmaldatenbank

Siedlung Grazer Damm

Obj.-Dok.-Nr. 09066477
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Grazer Damm
110, 112,, 114, 116, 118, 120, 122, 122A, 122B, 122C, 124, 126, 128, 130, 132, 134, 136, 138, 140, 142, 144, 146, 148, 150, 152, 154, 156, 158, 160, 162, 164, 166, 168, 170, 113, 115, 117, 119, 121, 123, 125, 127, 127A, 129, 131, 133, 135, 137, 139, 141, 143, 145, 147, 149, 151, 153, 155, 157, 159, 161, 163, 165, 167, 169, 171, 173, 175, 177, 179, 181, 183, 185, 187, 189, 191, 193, 195, 197, 199, 201, 203, 205, 207, 209, 211, 213

Brüggemannstraße 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8

Grazer Platz
5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24

Kauschstraße 1, 3, 5, 7, 9, 11

Overbeckstraße 1, 3

Peter-Vischer-Straße 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 42, 43, 44

Pöppelmannstraße 1, 3, 5, 7, 9, 11

Riemenschneiderweg
2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52, 54, 56, 58, 60, 62, 64, 66, 68, 70, 72, 74, 76, 78, 80, 82, 84, 86, 88

Rubensstraße 53, 55, 57, 59, 61

Vorarlberger Damm 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Mietshausgruppe & Siedlung
Datierung 1938-1940
Entwurf Virchow, Hugo & Pardon, Richard & Cramer, Carl & Danneberg, Ernst (Architekt)
Bauherr Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft

Die Siedlung Grazer Damm 110/120 u. a. (1) wurde 1938-40 am westlichen Rand des Schöneberger Südgeländes von der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) nach Plänen ihrer Architekten Carl Cramer, Ernst Danneberg, Richard Pardon, Ludwig Spreitzer und Hugo Virchow errichtet. (2) Sie erstreckte sich auf 1,3 Kilometern Länge beiderseits des damals neu angelegten Grazer Damms zwischen Vorarlberger Damm und Prellerweg. (3) Als Blockrandbebauung mit ursprünglich neun Baublöcken um große begrünte Innenhöfe verfügten die fünfgeschossigen Putzbauten über mehr als 2.000 Wohnungen und stellten das größte Wohnungsbauprojekte der NS-Zeit dar. Für die winkelförmigen Riegel am nördlichen Siedlungseingang zeichnete Hugo Virchow, für die beiden direkt anschließenden Blöcke Richard Pardon verantwortlich; die beiden Karrees an der Südseite des Grazer Platzes entwarf Carl Cramer, die südlich davon gelegenen Bauten an der Ostseite des Grazer Damms Ernst Danneberg. Den heute nur noch zu einem kleinen Teil erhaltenen Block zwischen Overbeckstraße und Prellerweg gestaltete Ludwig Spreitzer. Auch die Bauten von Ernst Danneberg waren im Zweiten Weltkrieg zerstört worden; sie wurden jedoch in den 1950er Jahren vollständig wiederaufgebaut. Trotz der Verluste ist die Siedlung Grazer Damm in Anlage und Gestaltung ein wichtiges Zeugnis des nationalsozialistischen Städtebaus: Größe und Anordnung der Baublöcke folgten bereits vor Kriegsbeginn den Anforderungen des Luftschutzes; die architektonische Gestaltung der Häuser entspricht in ihrer äußersten Sparsamkeit weitgehend den 1935 verordneten Vorgaben für "Volkswohnungen". (4) Zudem steht die Siedlung in einem direkten Zusammenhang mit dem von Albert Speer geplanten radikalen Ausbau Berlins zur "Welthauptstadt Germania", denn sie stellte ausdrücklich Wohnraum zur Verfügung für so genannte Abrissmieter, die von den vorgesehenen oder bereits durchgeführten Flächenabrissen in anderen Teilen der Stadt betroffen waren. (5)

Die städtebauliche Anlage der Siedlung Grazer Damm als Blockrandbebauung mit begrünten Innenhöfen lässt zwar Bezüge auf die früheren Bebauungspläne für das Südgelände (6) oder die benachbarten Siedlungen der 1920er Jahre an der Rubensstraße erkennen, die ungewöhnliche Weite der Blockinnenbereiche und die Öffnungen in den Häuserreihen verweisen jedoch auf die 1938 eingeführten Luftschutzbestimmungen - auf diese Weise sollte der Kamineffekt bei Feuer vermieden werden und der Luftdruck von Bomben entweichen können. Auch auf die Gestaltung der Häuser, die mit hohen Walmdächern, fünf Wohngeschossen sowie grau verputzten Fassaden mit gleichförmigem Fensterraster und kargem Schmuck an Eingängen und Durchfahrten einen strengen Eindruck vermitteln, hatten die GSW-Architekten wenig Einfluss; sie unterstanden direkt den Weisungen des Generalbauinspektors Speer, der das Südgelände zum "Bereich" für die "Neugestaltung der Reichshauptstadt" erklärt hatte. (7) Die extrem langen Straßenfronten der Hausreihen sind lediglich durch flache Vorsprünge sowie durch Vorgärten gegliedert, die Gebäudeecken am Grazer Platz und an der Rubensstraße mit Arkaden betont. Die vergleichsweise kleinen Fenster mit gemauerten Stürzen, im Erdgeschoss als Stichbögen ausgeführt, zeugen von der zunehmenden Knappheit des für Aufrüstung und Krieg wichtigen Materials Stahl. Aufgelockert werden die Fassaden durch kleine Steinreliefs mit Wappen, Tieren oder Märchenfiguren über den Haustüren, die die Orientierung erleichtern sollten, sowie durch Tierskulpturen in Naturstein, die größere Durchfahrten flankieren. Bei den Wohnungsgrundrissen gibt es zwar Variationen in den Entwürfen der unterschiedlichen Architekten, aber auch den Wohnungen, die mit ein bis drei Zimmern für kinderreiche Familien vorgesehen waren, ist eine einfachste Ausstattung ohne Warmwasser, ohne Zentralheizung und ohne Balkon, die weit hinter den Standard der Siedlungen der Weimarer Republik zurückfällt, gemeinsam.


(1) Grazer Damm 110/120, 122-122C, 124/170, 113/213, Brüggemannstraße 1-8, Grazer Platz 5-24, Kauschstraße 1/11, Overbeckstraße 1/3, 4, Peter-Vischer-Straße 29/39, 41-44, Pöppelmannstraße 1/11, Riemenschneiderweg 2/96, Rubensstraße 53/61, Vorarlberger Damm 2/22.

(2) Donath, Matthias: Architektur in Berlin 1933-45, Ein Stadtführer, Berlin 2004, S. 32, 172 f.; Tietenberg, Annette: Die Wohnsiedlung Grazer Damm auf dem Schöneberger Südgelände. In: Jahrbuch Landesarchiv 1994, S. 207-230; Schäche, Wolfgang: Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933 und 1945, Berlin 1991, S. 487 ff.; BusB IV A, S. 323 f.; BusB IV B, S. 36 f., 465 f. In der GSW waren 1937 acht städtische Wohnungsbaugesellschaften zwangsvereinigt worden.

(3) Grazer und Vorarlberger Damm erhielten ihre Namen im Zusammenhang mit der Annexion Österreichs 1938.

(4) Erlass von 1935: "Volkswohnungen (.) sind billigste Mietwohnungen in ein- oder mehrgeschossiger Bauweise, die hinsichtlich Wohnraum und Ausstattung äußerste Beschränkung aufweisen". Vgl. Huse, Norbert: Bauten des "Dritten Reichs". In: verloren, gefährdet, geschützt, Baudenkmale in Berlin, Berlin 1988, S. 136 ff.

(5) Tietenberg, Annette: Die Wohnsiedlung Grazer Damm auf dem Schöneberger Südgelände. In: Jahrbuch Landesarchiv 1994, S. 219 f.

(6) Bruno Möhring (1910), Otto Bartning (1927) und Baurat ten Hompel (1931) hatten für das Südgelände eine Blockrandbebauung entlang der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straßen geplant. Vgl. BusB IV A S. 176 ff.

(7) Zwaka 1987, S. 166 f.; Tietenberg, Annette: Die Wohnsiedlung Grazer Damm auf dem Schöneberger Südgelände. In: Jahrbuch Landesarchiv 1994, S. 211 f., 221 f.

Literatur:

  • BusB IV A 1970 / Seite 92, 323, 324, 466/67
  • Huse, Norbert: Bauten des "Dritten Reiches", in: Verloren - gefährdet - geschützt, Berlin 1988 / Seite 136-143
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmale in Berlin, Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 39f., 239, 263f., 322, 332
  • Haben, Michael: Berliner Wohnungsbau 1933-1945, Mehrfamilienhäuser, Wohnanlagen und Siedlungsvorhaben, Berlin 2017 / Seite 490-494
  • Donath, Matthias: Architektur in Berlin 1933-45, Ein Stadtführer, Berlin 2004 / Seite 32, 172 f.
  • Schäche, Wolfgang: Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933 und 1945, Berlin 1991 / Seite 487 ff.
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 264

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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