Denkmaldatenbank

Mix und Genest

Obj.-Dok.-Nr. 09066468
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Geneststraße 5

Reichartstraße 2
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Fabrik
Datierung 1905-1908
Umbau 2001-2005
Entwurf Theising, Heinrich

Nördlich des Geländes der Eisenbahn-Hauptwerkstatt hatte sich am Sachsendamm 1907 als einer der ersten Industriebetriebe in diesem Gebiet die Schöneberger Firma Mix & Genest, Geneststraße 5, angesiedelt. Das 1879 gegründete Unternehmen war führend in der Entwicklung und Herstellung von Telefonen, Telegrafen und Blitzableitern, später auch von Rohrpostanlagen, und hatte um 1900 bereits mehr als 2.000 Beschäftigte. (1) So reichte das erst 1895 errichtete Fabrikgebäude in der Bülowstraße (2) bald nicht mehr aus und die Firma erwarb ein Gelände von 1,4 Hektar südlich des Sachsendamms, wo in einem großen Baukomplex Verwaltung, Entwicklung und Fertigung konzentriert sowie Wohnhäuser für die Mitarbeiter errichtet werden konnten. (3) Das fünfgeschossige Fabrikgebäude wurde 1906-07 nach Entwurf von Heinrich Theising ausgeführt. Trotz Kriegsschäden, Wiederaufbau in den 1950er Jahren sowie umfangreichen Sanierungsmaßnahmen samt Aufstockung des gesamten Gebäudes um ein Geschoss 2001-05 ist die mehrflügelige Anlage in ihrer Grundstruktur erhalten und wird inzwischen als Gewerbehof genutzt. (4) Heute zwischen Autobahn A 100, Sachsendamm und Bahngleisen eingekeilt, markiert das imposante Gebäude als letzter baulicher Überrest weithin sichtbar den einstigen Standort des erfolgreichen Unternehmens, das für die frühe Entwicklung des Schöneberger Industriegeländes von großer Bedeutung war.

Das Gebäude war zunächst als lang gestreckte Stockwerksfabrik mit fünf Geschossen um vier Höfe errichtet worden, der Flügel an der Nordseite kam erst 1922-23 hinzu. (5) An der Südseite ist ein eingeschossiges Kesselhaus angefügt. Zwei Einfahrten an Genest- und Reichartstraße erschließen die Höfe, die über Durchfahrten miteinander verbunden sind. Hier sind die schlichten Fassaden mit weißen Glasurklinkern verkleidet und weitgehend original erhalten. Die ursprünglich repräsentativer gestalteten Straßenfassaden, die mit Schmuckgiebel, vertikalen Wandvorlagen aus Sandstein zwischen den Fensterachsen und einem Sockel aus rotem Klinker gegliedert waren, wurden 2005 über dem Sockelgeschoss glatt verputzt. Die erneuerten großflächigen Fenster und die unterschiedliche Farbigkeit der horizontalen und vertikalen Elemente erinnern daran, dass das Fabrikgebäude in einer Stahlkelettkonstruktion errichtet wurde, bei der die Außenwände aus Pfeilern und Fenstern mit gemauerten Brüstungen bestehen. Im Inneren erlaubte eine Mittelstützenreihe aus Beton ummantelten Stahlstützen, die zusammen mit den Wänden eine Kappendecke mit 7 Metern Spannweite tragen, ursprünglich lang gestreckte Fabriksäle für eine lineare Fertigung, wie sie bei der Telefon- und Telegrafenproduktion schon früh charakteristisch war und die spätere Fließbandfertigung vorwegnahm.


(1) Der Maschinenbauingenieur Werner Genest (1850-1920) hatte unmittelbar nach den ersten Versuchen der Reichspost mit den gerade entwickelten Telefon-Apparaten die Firma zusammen mit dem Kaufmann Wilhelm Mix gegründet und schnell mit technischen Weiterentwicklungen Erfolge verzeichnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Hauptsitz der Firma nach Stuttgart verlegt, wo sie zusammen mit der ebenfalls ursprünglich Berliner Firma C. Lorenz als Standard Elektro Lorenz (SEL) weitergeführt wurde. Vgl. Elektropolis Berlin 2014, Nr. 122, S. 157; Hildebrandt/Lemburg/Wewel 1988, S. 222 f.; 75 Jahre Mix & Genest,1879-1954, Stuttgart 1954.

(2) Siehe Bülowstraße 66.

(3) Von den einstmals 16 Mietshäusern an Genest- und Reichartstraße sind heute noch die drei Häuser Geneststraße 6-8 vorhanden; Nr. 7 und 8 wurden 1987-89 für die Gewerbe-Siedlungs GmbH (GSG) durch den Architekten Michael von Möllendorff saniert. (Vgl. Stadterneuerung Berlin, Erfahrungen, Beispiele, Perspektiven, hrsg. v. Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen, Berlin 1990, S. 169.) Die anderen wurden vermutlich für den Bau der 1972-96 ausgeführten Autobahn abgerissen. Vgl. Viergutz, Volker: Schöneberg, Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke, Bd. 5, Berlin 1988, S. 75 f.; Hildebrandt/Lemburg/Wewel 1988, S. 222, Abb. 523.

(4) Sanierung und Aufstockung durch REM+Tec Architekten. Vgl. Raach, Jörg: Industriekultur in Berlin, Berlin 2008.

(5) Die drei westlichen Höfe sind rechteckig und annähernd gleich groß, der größere trapezförmige Hof ergab sich aus dem unregelmäßigen Grundstückszuschnitt.

Literatur:

  • Festschrift/ 75 Jahre Mix und Genest 1879-1954, Stuttgart 1954 / Seite 11-12, 27 (Abb.)
  • Eckstein, Julius und J. J. Landau (Hg.): Deutsche Industrie - Deutsche Kultur, Berlin 1900 / Seite 238
  • Hildebrand/ Lemburg/ Wewel: Historische Bauwerke, 1988 / Seite 222-223
  • Deutsche Biographische Enzyklopädie, 1995-1999 / Seite 621-622 (Biographie W. Genest)
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite S. 269

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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