Denkmaldatenbank

Nordsternhaus

Obj.-Dok.-Nr. 09066376
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Salzburger Straße 21

Nordsternstraße
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Verwaltungsgebäude
Datierung 1913-1914
Entwurf Mebes, Paul Louis Adolf (Architekt)
Bauherr Nordstern-Versicherungs-AG

Auch das Nordsternhaus, Salzburger Straße 21, wurde nach Entwurf von Paul Mebes errichtet. Für eines der führenden deutschen Versicherungsunternehmen schuf der Architekt 1913-14 das Gebäude mit der charakteristisch abgerundeten Ecke. (1) Der Standort war bewusst im neu entstehenden Verwaltungszentrum der Stadt Schöneberg in unmittelbarer Nachbarschaft des im Bau befindlichen Rathauses gewählt worden. Dies erlaubte - anders als es in der Berliner Innenstadt möglich gewesen wäre - den großzügigen Neubau eines repräsentativen und zugleich in seiner Abstimmung auf die Arbeitsabläufe der Versicherungsgesellschaft ungewöhnlich modernen Verwaltungsgebäudes. Von einer "bewunderungswürdig raffiniert konstruierten Maschine" (2) sprach der Kunstkritiker Paul Westheim nach der Fertigstellung des Gebäudes und betonte neben der neuartigen technischen Ausstattung (Haustelefon, Rohrpost, Aktenaufzüge) insbesondere die organisatorische und gestalterische Qualität der Architektur. Paul Mebes schuf hier ein Gebäude, das sowohl als Musterbeispiel eines modernen Bürohauses wie auch als architektonisches Meisterwerk bis in alle künstlerischen und handwerklichen Details galt. (3) Trotz leichter Schäden im Zweiten Weltkrieg ist der heute von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz genutzte Bau in seinem Äußeren und in vielen Teilen seiner historischen Innenausstattung weitgehend original erhalten. (4)

Auf einem dreieckigen Grundstück an Badenscher-, Salzburger- und Nordsternstraße schiebt sich das fünfgeschossige Gebäude wie ein Keil zwischen das Rathaus und die wenige Jahre zuvor von Mebes errichtete Wohnanlage. Besondere Kennzeichen des Nordsternhauses sind zum einen die Gesamtform - bestehend aus zwei Gebäudeflügeln, die sich im abgerundeten Kopfbau treffen, mit zwei kreisbogenförmigen Verbindungstrakten - und zum anderen die stark horizontal betonte, "kolosseumartige" Travertinverkleidung der Fassaden. (5) Letztere lässt den Stahlbetonskelettbau massiv gebaut erscheinen und verleiht ihm jene von Banken und Versicherungen für ihre Gebäude gewünschte Ausstrahlung von Solidität und Würde. Diese unterstrich Mebes in der Gestaltung der Fassaden auf subtilere Weise als durch die sonst üblichen klassischen Säulenordnungen oder Tempelfronten. Stattdessen wählte er eine streng-gleichmäßige Reihung der Fensteröffnungen, der sich selbst der Haupteingang unterordnete. Auch flach reliefierte Gliederungselemente wie die Pilaster am zweiten Obergeschoss, der als Piano nobile ausgebildeten Direktionsetage, oder die Konsolen am obersten Geschoss, ließ er optisch hinter die kräftigen, umlaufenden Gesimsbänder zwischen den Geschossen zurücktreten. Einzelne Ornamente am Kopfbau und ehemals überlebensgroße Skulpturen, die die Türen des Hauptportals flankierten, genügten ihm als Schmuck, um die wehrhafte Wirkung des Baus nicht durch Kleinteiligkeit aufzulösen.

Die außen sichtbare Aufwertung des Kopfbaus und die Schichtung der Geschosse entsprechen der Organisation im Inneren: Während der vordere Teil des Gebäudes mit Vestibül, Kassenhalle, Direktionsräumen und Treppenhaus dem Publikumsverkehr zugänglich war, beherbergten die Flügelbauten und Verbindungstrakte ausschließlich Bürosäle. Den drei Abteilungen der Versicherungsgesellschaft dienten jeweils ganze Geschosse, sodass nur wenige vertikale Verkehrsverbindungen notwendig waren. Für die Gestaltung des Inneren entwarf Paul Mebes sämtliche Details, angefangen beim spektakulären Haupttreppenhaus, dessen Raumwirkung vor allem darauf beruht, dass die schlanken Eisenstützen der Treppenkonstruktion mit edlem mattweißen Schlesischen Marmor feuersicher verkleidet wurden, über sämtliche Möbel, Lampen und Wandverkleidungen bis hin zur Beschilderung der Räume oder den aus Holz, passend zur Wandverkleidung, gedrechselten Lichtschaltern. Mit der Ausführung beauftragte er renommierte Künstler und Kunstgewerbler und schuf so auch im Inneren jene Atmosphäre von Gediegenheit und Verlässlichkeit, die ein Unternehmen wie die Nordstern-Versicherung erwartete. (6)


(1) Die 1866 in Berlin gegründete Nordstern-Lebensversicherungs-Gesellschaft war verbunden mit der Nordstern-Unfall- und Haftpflicht- sowie der Nordstern-Feuerversicherungs-Gesellschaft. Das Unternehmen war u.a. maßgeblich an der Entwicklung der Villenkolonien Nikolassee und Schlachtensee beteiligt. Franz Gerkrath, ab 1871 Leiter der Nordstern, war Mitbegründer der Heimstätten AG, der dort agierenden Terraingesellschaft. Villenbesitzer konnten die Finanzierung ihrer Häuser durch eine Nordstern-Lebensversicherung absichern.

(2) Westheim 1915, S. 2.

(3) BusB IX, S. 132 f., 188, Paul Mebes, Das Nordsternhaus in Berlin-Schöneberg, Berlin 1914; Berliner Architekturwelt 18 (1916), S. 164-186, Abb. 214-237, S. 42; Dietz, Fritz: Das Nordstern-Haus in Berlin-Schöneberg. In: Neudeutsche Bauzeitung 15 (1919), S. 115 f., 119-22, 139-42, 162-67.

(4) An der Eingangsfront sind die Skulpturen, das Mosaik mit Namenszug und Reliefs entfernt bzw. durch vereinfachte Ornamente ersetzt. Das Dach ist in seiner ursprünglichen Form erhalten. Im Inneren sind bis auf die zeitgemäße Einrichtung der Büroräume sowie die Unterteilung der ehem. Arbeitssäle fast alle Räume in ihrer Originalform und -ausstattung erhalten. Vgl. www.berlin.de/100-jahre-nordsternhaus (zuletzt geprüft am 17.02.2017)

(5) Westheim 1915, S. 10.

(6) Dazu gehörten die Bildhauer Walter Schmarje (Fassadenornamente, Keramikreliefs, Lampen, Deckenstuck etc.) und Krückeberg (Relief am Eingang Nordsternstraße) sowie die Maler Karl Rickelt (Deckengemälde im Vestibül) und Mutzenbecher (Deckenmalereien), H. Vauk fertigte zahlreiche Lampen. Als Graphiker wirkten Fritz Adolphy und Emil Rudolph Weiß. Vgl. Westheim 1915.

Literatur:

  • Bauwelt 4 (1913) 45 / Seite 21-25
  • Baumeister 13 (1915) 12 / Seite 93-98
  • Westheim, Paul/ Das Nordstern Haus in Berlin-Schöneberg =Dekorative Kunst 18 (1915) / Seite 265-296 (Sonderdruck)
  • Das Bürohaus 1 (1924) / Seite 31-32
  • Paulsen, Friedrich/ Paul Mebes als Baukünstler =Monatshefte für Baukunst und Städtebau 22 (1938) 7 / Seite 225-232
  • Bauen in Berlin 1900-1964, Ausstellungskatalog der AdK und SenBauWohn, Berlin 1964 / Seite 30
  • Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1968BusB IX 1971 / Seite 132 - 133
  • Meyer, Paul Mebes, 1972 / Seite 224 (Werkverzeichnis Nr. 162)
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 215 f.

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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