Denkmaldatenbank

Siedlung Lindenhof I

Obj.-Dok.-Nr. 09066374
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Arnulfstraße
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38 , 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125 , 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135 , 136

Domnauer Straße
1A, 2, 3, 4, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39

Eythstraße 45, 51, 53, 55, 57, 59, 61, 63

Harkortstraße 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8

Reglinstraße
2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 25, 26, 26A, 26B, 26C, 26D, 26E, 27

Röblingstraße
1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 27, 29, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, 51, 53, 55, 57, 59, 61, 63, 65, 67, 69, 71, 73, 75, 77, 79

Suttnerstraße
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Wohnsiedlung & Siedlung
Datierung 1918-1921
Entwurf Wagner, Martin
Entwurf Lassen, Heinz
Entwurf Sobotka und Müller

Die Siedlung Lindenhof, Arnulfstraße 1-38, 116-136 u.a., entstand 1918-21 am südöstlichen Rand des Anhalter Bahngeländes auf Höhe des später errichteten S-Bahnhofs Priesterweg. (1) Martin Wagner, ab 1918 Stadtbaurat in Schöneberg, entwarf unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auf der Basis älterer Planungen ein neues Siedlungskonzept im Sinne der Gartenstadtidee, das er hier erstmalig und einzigartig in Berlin verwirklichen konnte. Wirtschaftliche Not und Wohnungsmangel erforderten in der Nachkriegszeit den Bau möglichst billigen Wohnraums, den Wagner durch die Rationalisierung der Bauproduktion und durch eine kluge Konzeption der Häuser (nur zwei Haustypen, genormte Grundrisse, Kleinwohnungen, einfachste Ausstattung) erreichte. Durch die Anordnung der Hausreihen, die Einbeziehung der Landschaft in die Grünanlagen, für die der Gartenarchitekt Leberecht Migge den Entwurf lieferte, und eine ländlich geprägte Architektur schuf Wagner eine gesunde und vielfältig nutzbare Umgebung für ärmere Bevölkerungsschichten. Die Siedlung Lindenhof, die zunächst unter der Regie des Schöneberger, ab 1920 des Berliner Magistrats entstand und 1922 von einer neu gegründeten Genossenschaft übernommen wurde, war die erste ihrer Art; sie wurde wegweisend für den Siedlungsbau der Weimarer Republik in Berlin. (2) Im Zweiten Weltkrieg zu etwa zwei Dritteln zerstört - besonders beklagenswert ist der Verlust des 1919/20 errichteten "Ledigenheimes" von Bruno Taut (3) -, wurde die Siedlung 1953-54 von Franz-Heinrich Sobotka und Gustav Müller wieder aufgebaut. Dabei veränderten die Architekten das ursprüngliche Konzept der Siedlung, die durch eine Blockrandbebauung mit innen liegenden Gärten und durch abwechslungsreiche Raumbildungen der Straßen- und Platzräume mit Durchfahrten und Fußwegen geprägt war. Stattdessen führten sie nördlich der Reglinstraße als neues Element den offenen, fließenden Außenraum mit Zeilenbauten und Hochhäusern ein. (4) Dieser bewusste gestalterische Kontrast der Neubauten zu den erhaltenen Bauteilen macht die Siedlung Lindenhof heute nicht nur zu einem wichtigen Zeugnis für den Großsiedlungsbau der 1920er Jahre, sondern auch für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin. Martin Wagner hatte die Siedlung in zwei voneinander durch die Arnulfstraße getrennte Standorte gegliedert. Der nördliche Bereich war mit einer Blockrandbebauung entlang der vier Randstraßen Arnulf-, Röbling-, Eyth- und Domnauer Straße sowie der innen diagonal verlaufenden Suttnerstraße konzipiert; in den Blockinnenbereichen war jeder Wohnung ein Garten zur Eigenversorgung zugeordnet. Im Zentrum der Anlage lagen Park und Weiher. Südlich der Arnulfstraße wurde das dreieckige Areal mit der erhöht liegenden Harkortstraße an zwei Seiten von Hausreihen eingefasst. Sowohl bei der städtebaulichen Anlage als auch bei der Gestaltung der zweigeschossigen verputzten Mauerwerksbauten mit Walmdach, Erkern, Loggien und Sprossenfenstern war das Konzept der Gartenstadt erkennbar. Dieses wurde bei den drei- bis viergeschossigen Zeilenbauten und Hochhäusern mit Flachdächern und weißen Putzflächen der 1950er Jahre von Sobotka & Müller bewusst aufgegeben. (5) Die in den 1950er Jahren postulierte städtebauliche Leitidee der "gegliederten und aufgelockerten Stadt", wie sie auch bei der Internationalen Bauausstellung 1957 im Hansaviertel präsentiert wurde, zeigt sich hier in einem frühen Beispiel. (6)


(1) BusB IV A, S. 145, 190; BusB IV B, S. 22; BusB IV D, S. 61 ff., 236 f., Kaiser 1985, S. 60 f.; Berliner Geschichtswerkstatt e.V. (Hg.): "Das war 'ne ganz geschlossenen Gesellschaft hier", Der Lindenhof - eine Genossenschaftssiedlung in der Großstadt, Berlin 1987; Zwaka 1987, S. 155 ff.; Zimmermann, Claudia, Die Siedlung Lindenhof als Impuls für sozialen Siedlungsbau in Berlin, Diss. FU Berlin 1993.

(2) Die Grundstücke hatte die Stadt Schöneberg bereits ab 1916 erworben; teilweise gehörte das Gelände noch zu Tempelhof. Im Juli 1918 wurde Martin Wagner zum Stadtbaurat ernannt und mit der Weiterplanung einer Siedlung beauftragt. Ende 1919 wurden die ersten Bauten bezogen, 1921 sind alle knapp 480 Wohnungen fertig gestellt. Vgl. Berliner Geschichtswerkstatt e.V. (Hg.): "Das war 'ne ganz geschlossenen Gesellschaft hier", Der Lindenhof - eine Genossenschaftssiedlung in der Großstadt, Berlin 1987, S. 9 f., 99 ff.

(3) Berliner Geschichtswerkstatt e.V. (Hg.): "Das war 'ne ganz geschlossenen Gesellschaft hier", Der Lindenhof - eine Genossenschaftssiedlung in der Großstadt, Berlin 1987, S. 112 f.; Zöller-Stock, Bettina: Bruno Taut, Die Innenraumentwürfe des Berliner Architekten, Stuttgart 1993, S. 49 ff.

(4) Mit dem Hochhaus Röblingstraße 31/33 von 1967-68 und der Straßenüberbauung der Domnauer Straße 37/41 südlich der Eythstraße aus dem Jahr 1976-77 setzten Sobotka & Müller dominante Fremdkörper in die Siedlung, die nicht zur denkmalgeschützten Gesamtanlage der Siedlung gehören.

(5) Nach Abschluss der Wiederaufbau- und Neubauarbeiten gab es knapp 650 Wohneinheiten in der Siedlung Lindenhof. (Erfassung LDA)

(6) Göderitz, Johannes/Rainer, Roland/Hoffmann, Hubert: Die gegliederte und aufgelockerte Stadt, Tübingen 1957.

Literatur:

  • Wagner, Martin, Groß-Siedlungen. Der Weg zur Rationalisierung des Wohnungsbaus =Der Aufbau 1 (1926) 6 / Seite 81-96 (s. bes. S. 82)
  • Johannes, Neues Bauen, 1931 / Seite 55 (Nr. 66).
  • Wasmuths Lexikon der Baukunst / Seite Bd. IV, 673 - 674
  • Sobotka und Müller. Bauten 1947-1957, 1957 / Seite Nr. 220
  • Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1963 / Seite 131 - 134, 160
  • Winz/ Es war in Schöneberg, 1964 / Seite 5, 137-139
  • Sobotka und Müller. Bauten und Projekte II, 1967 / Seite Nr. 94
  • Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1968 / Seite 145, 190, 325, 420 - 421
  • 50 Jahre Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Berlin Süd eGmbH 1919-1969, hrsg. v. Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Berlin Süd eGmbH, Berlin 1969BusB IV A 1970 / Seite 09.04.1972
  • Pomplun, Kurt, Aus den Pfuhlen gewann das Eiswerk Tivoli seinen Rohstoff in Berliner Morgenpost / Seite 22, 469 - 470 (Abb.)
  • BusB IV B 1974 / Seite 389
  • Reclam Berlin, 1977 / Seite 28 (Abb.)
  • 100 Berliner Bauten der Weimarer Republik, 1977 / Seite 30, 190 - 191, 164 - 165
  • Martin Wagner 1885-1957, 1985 / Seite 25 - 28, Abb. 4 - 13
  • Scarpa, Ludovica, Martin Wagner und Berlin. Architektur und Städtebau in der Weimarer Republik, Braunschweig/Wiesbaden 1986 / Seite 456
  • Der Lindenhof, 1987Scarpa, Ludovica, Martin Wagner =Baumeister, Architekten, Stadtplaner, 1987 / Seite 129 (Nr. 213)
  • Architekturführer Berlin, 1989 / Seite S. 276 f.
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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