Denkmaldatenbank

Optische Anstalt C. P. Goerz

Obj.-Dok.-Nr. 09066281
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Friedenau
Adressen Rheinstraße 44, 45, 46

Holsteinische Straße 39, 40, 41, 42
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Fabrik
Datierung 1897-1901, 1904-1910, 1912-1919
Entwurf Wendt, W. & Egeling, P.
Entwurf Schmidt, Emil
Entwurf Paeseler, Albert

Auf dem Grundstück Rheinstraße 44-46/Holsteinische Straße 39-42 (Abb. 130-32, Liste Nr. 18) steht der Denkmalbereich (Gesamtanlage) des ehemals größten Industriebetriebs von Friedenau, der "Optischen Anstalt C. P. Goerz" , die die Produktion 1897-98 auf diesen Standort verlagerte und ihn über Jahrzehnte immer weiter ausbaute. 1961 wurde das 1,5 Hektar große Areal von einer Berliner Vermögens- und Grundbesitzverwaltungsgesellschaft erworben; seitdem werden die Bauten von vielen kleineren und größeren Gewerbemietern intensiv genutzt.

Carl Paul Goerz (1854-1923) gründete 1886 in der Berliner Zimmerstraße ein Versandhaus für mathematische Instrumente und photographische Artikel und erweiterte es schon nach zwei Jahren um die Produktion von eigenen Kameras. 1889 verlagerte er seine Fabrik nach Schöneberg in die Hauptstraße 140. Auch dort wurden die Räumlichkeiten bald zu klein und Goerz errichtete deshalb 1897-98 auf dem unbebauten großen Grundstück an der Rheinstraße eine neue Fabrikanlage für seine inzwischen 400 Mitarbeiter. Dieser Fabrikbau am Rand der Landhauskolonie Friedenau wurde durch die neuen Bauordnungen von 1887 und 1892, die innerstädtische Bauverhältnisse auf die ländlichen Vororte übertrugen, ermöglicht. Außerdem hatte wohl das angesehene Unternehmen von Carl Bamberg, das sich schon zehn Jahre früher (1887-88) in der Bundesallee angesiedelt hatte, die Niederlassung von Goerz in der Rheinstraße begünstigt.

Die ersten Bauten entstanden 1897-98 an der Rheinstraße 46, an der Straße das viergeschossige Wohngebäude in den Formen der Neogotik, in der zweiten Baulinie dahinter das viergeschossige Fabrikgebäude, ein Rohziegelpfeilerbau mit großen, weiten Segmentbogenfenstern und drei Schmuckgiebeln. Die Architekten waren Waldemar Wendt und Paul Egeling, der spätere Stadtbaurat von Schöneberg. Die Werkstattsäle sind zweischiffig angelegt, mit einer Mittelstützenreihe aus Gußeisensäulen und mit Kappendecken. Die Fabrikarchitektur von Goerz befand sich auf der Höhe der Zeit und steht etwa der AEG-Apparatefabrik von Franz Heinrich Schwechten und den Borsighallen von Reimer & Körte aus der Zeit kurz vor 1900 nahe. Unmittelbar nach dem Einzug mußte die Anlage aufgrund der Auftragseingänge von Seiten des Militärs schon erweitert werden: Der Fabrikbau wurde durch einen Anbau von gleicher Länge nach Südwesten verlängert, so daß er nun insgesamt eine Länge von 100 Metern einnahm. Der Anbau war 1901 betriebsbereit. Außerdem entstand 1899 ein weiterer Werkstattflügel quer zum Fabrikgebäude und daran südlich anschließend 1901 das Kraftwerk der Fabrik.

Die florierende Firma wurde 1903 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, und Goerz wurde zum Königlichen Kommerzienrat ernannt. Abermals mußte die Anlage aus Raumnot erweitert werden. An der Straße durfte der noch freie Baugrund neben dem Wohngebäude nicht mit einer Fabrik bebaut werden, die Fläche wurde für einen Verwaltungsbau freigehalten. Also wurde 1905-08 südöstlich des Fabrikgebäudes von 1898-1901 eine Hofrandbebauung hinter dem älteren Bauteil errichtet, die sich bis zur Holsteinischen Straße erstreckte. Die Architektur der Hofrandbebauung wurde von Emil Schmidt entworfen und ist erheblich moderner als die von 1897-98: Es ist eine klare Pfeilerarchitektur ohne historistische Reminiszenzen. Außerdem wurde 1908 in der Südecke des Grundstücks noch ein Bau für die Filmherstellung errichtet, der 1962 durch einen Neubau ersetzt wurde.

Die Lieferungen für das Militär zogen immer weitere Aufträge und damit eine immer stärkere Expansion der Fabrik (1910: 2.500 Beschäftigte) nach sich, die weitere Bauten erforderlich machte: 1912-14 wurde ein Verwaltungsgebäude auf dem freigehaltenen Baugrund an der Rheinstraße nach Plänen von P. Mitternacht (Fassade) und Albert Paeseler (Grundriß) errichtet. Der fünfgeschossige Bau wurde als vierständriger Stahlskelettbau ausgeführt und ist von einem mächtigen Dach bekrönt, das einem Tonnendach angenähert ist und eine durchgehende Terrasse zur Erprobung von Instrumenten besitzt. Auf eine zweigeschossige, turmartige Erhöhung wurde ein Observatorium mit Kuppel aufgesetzt; die Kuppel fand 1963 Verwendung für den Bamberg-Refraktor der Wilhelm-Foerster-Sternwarte auf dem Insulaner in Schöneberg. Ein zweigeschossiger, kleiner Werkstattbau von Paeseler schloß 1912-13 im Südwesten die Anlage ab.

1915 wurde über dem alten Fabrik-Erweiterungsbau von 1901 ein 31 Meter hoher Stahlskelett-Turmbau für die Erprobung von Fernrohren und Entfernungsmessern errichtet. Er ist auch heute noch der eindrucksvollste Bauteil der Goerzfabrik mit seinem verglasten Stahlskelett, seinem Kranausleger und seiner auskragenden Terrasse.

Das Goerzwerk hatte die Grenzen der Bebaubarkeit auf dem Areal an der Rheinstraße erreicht, noch während des Ersten Weltkriegs wurde 1915-17 in Steglitz am Teltowkanal ein weiteres Werk angelegt. Das ehemalige Friedenauer Goerzwerk ist zweifellos das bedeutendste Industriedenkmal in Friedenau, das in seinen vier Bauabschnitten zugleich die Entwicklung des Berliner Industriebaus zwischen 1900 und 1915 beispielhaft darstellt.

Literatur:

  • Hirschfeld: Berlins Großindustrie, Ergänzungsband, 1901 / Seite 49-54
  • Hildebrandt, Werner; Lemburg, Peter; Wewel, Jörg: Die optische Anstalt C. P. Goertz, in: Handel und Gewerbe. Schöneberg auf dem Wege nach Berlin, Ausstellungskatalog, Berlin 1987 / Seite 68-77
  • Denkmaltopographie Schöneberg - Friedenau, 2000 / Seite 94-96
  • Festschrift - 25 Jahre Goerz. 1886-1911, Berlin 1911

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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