Denkmaldatenbank

Milchkuranstalt Viktoriapark

Obj.-Dok.-Nr. 09066169
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Kreuzbergstraße 28
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus & Trinkhalle & Kuhstall & Pferdestall & Meierei
Datierung 1888
Entwurf Streichert, Emil Johann Gottlieb

Das Wohnhaus mit Gewerbehof in der Kreuzbergstraße 28 ließ der Landwirt Friedrich Grub 1888 als Milchkuranstalt Viktoriapark vom Stadtbauinspektor Emil Streichert erbauen. (1) Die Frischmilchversorgung der Großstadt Berlin hatte sich im späten 19. Jahrhundert erheblich verbessert. So brachte ab 1881 der Eisproduzent Carl Bolle mit der Bahn Frischmilch aus bis zu 200 Kilometer Entfernung in die Stadt und verteilte sie mit Pferdewagen. Sein Umsatz betrug 1893 22 Millionen Liter. Außer Bolle waren in diesem Geschäft viele kleinere Händler tätig. Überall in der Stadt gab es Kuhställe und Produktionsräume für Milchprodukte in Hofgebäuden beziehungsweise in Stockwerksfabriken. Neben den konventionellen Betrieben etablierten sich auch Meiereien, die besonderen Wert auf Qualität legten.

Friedrich Grub hatte in Stuttgart bereits 1875 die erste deutsche "Milchkuranstalt" gegründet. Dort wurde Qualitätsmilch "ohne Rücksicht auf die Herstellungskosten" gewonnen. Sie diente insbesondere der Versorgung von Kindern und Kranken und wurde in speziellen Trinkhallen als besonders gesundes Getränk ausgeschenkt ("Kinder- und Kurmilch"). Grub kam 1887 als Reichstagsabgeordneter nach Berlin und stellte schnell fest, dass eine solche Einrichtung in Berlin große Chancen hatte. Er fand einen vorteilhaften Standort in der Nähe des Nationaldenkmals auf dem Kreuzberg und des gleichzeitig mit der Milchkuranstalt angelegten Viktoriaparks.

Für zwei schmale Parzellen in einem Block, der durch Mietshäuser zur Straße und durch Gewerbebauten im Blockinnenbereich bestimmt war, entwarf Bauinspektor Streichert ein Mietshaus mit Seitenflügel, einen zweigeschossigen Kuhstall für bis zu 250 Kühe, einen Pferdestall für 20 Pferde mit Wohnräumen und Lager in den Obergeschossen und eine offene Wagenremise. Der Mittelteil des Seitenflügels war risalitartig vorgezogen, im Erdgeschoss gab es eine von außen zugängliche Trinkhalle mit Nebenräumen, einem Kesselraum und davor einen kleinen Vorgarten. Die erheblich kürzere, zunächst unbebaute Parzelle Nr. 27 nahm ein kleiner gestalteter "Kurgarten" ein. 1905-06 wurden jedoch auch hier Nebengebäude errichtet. Im Viktoriapark gab es Ausschank in sogenannten Milchhallen. Im Erdgeschoss des Wohnhauses war die Verwaltung untergebracht, in den drei Obergeschossen großzügige Wohnungen, die bis in den Seitenflügel reichten. Der Seitenflügel und die Ställe sind nur zur Ostseite durch Fenster belichtet. Die Belichtung und vor allem die Durchlüftung der Kuhställe werden an der Westseite durch drei Lichthöfe unterstützt. In den Ställen wurden junge Kühe nur eine Saison, tierärztlich kontrolliert, gehalten. Die Betreiber legten großen Wert auf Hygiene, auf gutes Futter - "würziges Hochlandheu mit Kraftfuttermehlen" - und auf die Haltbarkeit der Milch durch Erhitzen auf 70 bis 100

C mittels Sterilisationsapparaten. 1921 wurde die Milchkuranstalt aufgegeben und auf dem Gelände die Viktoriapark AG für landwirtschaftliche Industrie gegründet. Später nutzten Speditionen und andere Gewerbe den Hof.

Die Meierei ist fast vollständig mit ihren ursprünglichen Gebäuden und der ursprünglichen Raumstruktur erhalten. Dass es sich um eine Musteranlage handelte, zeigt sich an der erhaltenen einheitlichen Gestaltung der Gebäude. Es fehlen die offene Remise für die Wagen, die Rampe zum oberen Kuhstall und der Garten. Eine Laderampe wurde vor dem Kuhstallgebäude nachträglich angebracht. Die Meierei steht beispielhaft für die Einrichtung von Milchkuranstalten und ist die letzte innerstädtische Meierei aus dem 19. Jahrhundert in Berlin, die beinahe vollständig erhalten ist.


(1) BusB 1896, Bd. 2, S. 653-655; Deutsche Bauzeitung, 22 (1888), S. 522-523; Korfmann, Hans W.: Milch aus Kreuzberg. In: Kreuzberger Chronik, Ausgabe 93, Dez. 2007/Jan. 2008, www.kreuzberger-chronik.de/chroniken/2007/dezember/geschich te.html (zuletzt geprüft: 07.03.2014).

Literatur:

  • BusB I 1896 / Seite XII Molkereien, Die Milchversorgung Berlins, S. 654-656 (Text: Emil Streichert)
  • Deutsche Bauzeitung 22/1888 / Seite 522-523
  • Uwe Kieling, Berliner Baubeamte und Staatsarchitekten im 19. Jahrhundert, Berlin 1986 & Friedrich Grub, Milchkuranstalt Viktoriapark, Berlin 1898 (konnte noch nicht gefunden werden) & Hans W. Korfmann, Milch aus Kreuzberg, in: Kreuzberger Chronik, Ausgabe / Seite 387
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen