Denkmaldatenbank

Krankenhaus Am Urban

Obj.-Dok.-Nr. 09065348
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Dieffenbachstraße 1
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Krankenhaus
Datierung 1966-1970
Entwurf Poelzig, Peter (Architekt)
Entwurf Rossow, Walter (Gartenarchitekt)
Bauherr Land Berlin

Auf dem Gelände des zugeschütteten Urbanhafens und der Melanchthonkirche wurde 1966-70 das neue Städtische Krankenhaus Am Urban, Dieffenbachstraße 1 errichtet. Es war der erste städtische Krankenhausneubau in West-Berlin nach 1945 und wurde von dem Architekten Peter Poelzig entworfen. (1) Als "integriertes Krankenhaus" (2) erfüllte es beispielgebend die nach dem Krieg enorm gestiegenen Ansprüche an eine moderne Krankenbehandlung und Gesundheitsvorsorge. Aufgrund seines Leistungsangebots, seiner Organisation und der baulichen Umsetzung war es eines der fortschrittlichsten Krankenhäuser seiner Zeit. Darüber hinaus ist es dem Architekten gelungen, die Funktionen in einen Baukörper zu fassen, der als Stadtskulptur eine enorme Wirkung in den öffentlichen Raum ausstrahlt. Seine Erfahrungen im Krankenhausbau hat Peter Poelzig als Professor an der Technischen Universität Berlin und als Gründer und langjähriger Leiter des Instituts für Krankenhausbau wissenschaftlich ausgearbeitet und weitergegeben. Er war einer der bedeutendsten Lehrer im Krankenhausbau in der Bundesrepublik Deutschland.

Beim alten städtischen Krankenhaus Am Urban gruppieren sich die Bettenhäuser in der Art des Pavillonsystems um eine zentrale Achse mit Verwaltungs- und anderen Funktionsbauten. 80 Jahre später ließ das Land Berlin das städtische Krankenhaus westlich des alten Krankenhausareals neu erbauen. Der Kontrast und damit der Ausdruck des medizinischen Fortschritts könnte nicht größer sein. Im Gegensatz zu den eng beieinander liegenden Altbauten erhebt sich der gewaltige Neubau eines autarken 750-Betten-Krankenhauses innerhalb eines großzügigen, parkartigen Areals.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs war in Berlin von der Kapazität von ehemals 43.000 Krankenhausbetten nur noch ein Volumen von 12.000 Betten erhalten. Die Bauaktivitäten der folgenden 15 Jahre galten in diesem Bereich ausschließlich der Beseitigung der Kriegsschäden und der Renovierung. Erst in den 1960er Jahren entstanden neue Erweiterungsbauten, so zum Beispiel das chirurgische Bettenhaus im Rudolf-Virchow-Krankenhaus (1959-61 von Peter Poelzig) oder die Kopfklinik des Krankenhauses Westend (1963-69 von Peter Poelzig und Josef Paul Kleihues). Fast gleichzeitig mit dem Krankenhaus Am Urban entstand in Steglitz das große Universitätsklinikum Benjamin Franklin (1959-69 von Curtis & Davis und Franz Mocken).

Die Ansprüche an ein Krankenhaus wie an die Gesundheitsversorgung allgemein hatten sich nach dem Krieg unter anderem mit der Zunahme des Wohlstands enorm gesteigert. Peter Poelzig nannte in seinem Artikel "Das integrierte Krankenhaus" Ursachen und statistische Zahlen, die das Phänomen verdeutlichten: 1967 gab es eine Verdoppelung der Krankenhausbetten im Vergleich zur Vorkriegszeit, der Bruttoaufwand pro Krankheitsfall stieg um 748,8 % (1969), die Geburten in Krankenhäusern nahmen erheblich zu (1900 = 1 %, 1965 = 80 %), auch das Sterben wurde zunehmend in die Krankenhäuser verlegt (1900 = 10%, 1961 = 46 %). (3)

Der Wunsch nach einem Krankenhausneubau bestand in Kreuzberg bereits 1946, aber erst 1961 konnten die Planungen für das Raumprogramm beginnen. Nach einem Vorentwurf wurde 1963 der Auftrag erteilt. Die Ausführung von 1966 bis 1970 übernahm die Neue Heimat Kommunale zu einem Festpreis.

Das Krankenhaus Am Urban ist eine sogenannte Zentralklinik. Sämtliche klinischen Einrichtungen wie Untersuchungsräume, Behandlungszimmer, Labors, Pflegeräume (Bettenhaus) sind in einem Gebäudekomplex vereinigt. Es sollten kurze Wege innerhalb der Funktionszonen und zwischen Pflege- und Behandlungsbereich ermöglicht werden, entsprechend dem Leitgedanken: "vertikale Gliederung der Funktionen - horizontale Zuordnung der Bereiche". Über dem zweigeschossigen Flachbau mit einer gestreckten Rechteckform (ca. 50 x 180 Meter) entlang des Ufers des Landwehrkanals mit den Technik-, Behandlungs- und Diagnoseräumen erhebt sich das Bettenhaus in einer signifikanten V-Form (Seitenlänge 95 m). Im westlichen Teil des Sockels waren der Operationstrakt, die Räume der Aufnahme, der Zentralsterilisation und der urologischen Ambulanz, im östlichen Teil Verwaltung, Chefarztbereich, Pathologie, Zentrallabor, Zentralküche und Kasino untergebracht. In den Behandlungsabteilungen waren nach dem System Nedeljkov sterile und nicht sterile Bereiche an parallel zueinander verlaufenden Fluren angeordnet und streng separiert.(4)

Das V-förmige Bettenhaus kragt nach Süden weit über den Flachbau hinaus. Oberhalb des Sockels besitzt es über einem Installationsgeschoss weitere acht Etagen. Jede von ihnen nimmt drei Stationen mit je 33 Betten auf, je eine in den Schenkeln im "Einflursystem", die dritte im "Gelenk" mit zwei Fluren. Der zentrale Zugang befindet sich im Winkel, ermöglicht kurze Wege und vermeidet Durchgangsstationen. Die Anordnung von drei Stationen auf einer Ebene war neu. Durch dieses System konnte die Gebäudehöhe um ein Drittel reduziert werden. Die Erschließungswege verlängerten sich nicht. Aufgrund dieser besonderen Grundrissfigur wurde das Gebäude in zeitgenössische Typensammlungen von Pflegeebenen aufgenommen. (5)

Alle Krankenzimmer liegen an den Außenseiten des Bettenhauses und orientieren sich nach Südost oder Südwest. An den nördlichen Stirnseiten befinden sich Aufenthaltsräume, die sich mit breiten Fensterfronten über den Landwehrkanal hinweg der Stadt zuwenden.

Der Besucher betritt das Krankenhaus unterhalb der Mittelachse des Bettenhauses über eine zweigeschossige Eingangshalle mit Serviceeinrichtungen, die seine V-Form nachzeichnet. Die Eingangshalle wurde inzwischen modernisiert. Sie mündet im Erschließungskern. Der Punkt, an dem die Innenseiten der Flügel des Bettenhauses aufeinandertreffen, wird im Erdgeschoss durch ein raumhohes Metallrelief von Rolf Lieberknecht ("object 2/'70") betont.

Die Konstruktion des Gebäudes ist durch die Verknüpfung von zwei verschiedenen statischen Systemen außergewöhnlich: Der Flachbau wurde als Skelettkonstruktion ausgeführt und das Bettenhaus in der im Wohnungsbau der Zeit üblichen Schottenbauweise. Die Überführung der diagonal verlaufenden Schotten in das orthogonale Skelett ist aufwendig gestaltet. Der Übergang vollzieht sich auf der Ebene eines Zwischengeschosses, das als Technikgeschoss genutzt wird. Hier verschmälern sich die Schotten zu Pfeilern, auf diese Weise bleiben die darunterliegenden Geschosse frei einteilbar.

Alle Fassaden des Krankenhauses sind mit einer 8 cm dicken Schale aus "Köppener Hartquarzit" verkleidet. Zusammen mit einer 4 cm dicken Hartschaumplatten-Isolierung und einer 10 cm dicken konstruktiven Betonschicht wird die selbsttragende Außenwand gebildet. Die Fugen der Verkleidung zeichnen die Konstruktion des Bauwerkes nach. Sie folgen den Diagonalen der Treppenläufe oder zeichnen die hinter der Außenwand liegende Skelettkonstruktion nach. Die Fassade ist in ihrer Ausführung von hoher Qualität, die Fugenführung besonders sauber und konsequent.

Hinter der in ihrer Materialität völlig vereinheitlichten Oberfläche ist der Baukörper plastisch durchgeformt. Jede Räumlichkeit im Innern mit ihrer speziellen Funktion zeichnet sich ab: die Krankenzimmer als einheitliche Fensterfront mit den pfeilerartig vortretenden Schotten, die Aufenthaltsräume an den Giebelseiten als vielgeschossiger Erker, die Treppenhäuser mit ihren Schlitzfenstern, die Aufzüge als turmartige Aufsätze. Der Flachbau wirkt mit einer schlichten Fenstergliederung einheitlich und ruhig. Auf höchsten Niveau sind Funktion, Form und städtebauliche Wirkung beim Krankenhaus Am Urban in einer authentischen und originellen zeitgenössischen Gestaltung zu einer Einheit gebracht worden.


(1) Murken, Axel Hinrich: Vom Armenhospital zum Großklinikum. Die Geschichte des Krankenhauses vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Köln 1988, S. 251; Zabre, Gerd: Krankenhaus "Am Urban", Berlin Kreuzberg. In: Bauwelt 45 (1970), S. 1726 ff.; Der Senator für Gesundheit und Umweltschutz (Hrsg.): Berlin und seine Krankenhäuser, Berlin 1980, S. 20; Senator für Gesundheit und Soziales, Berlin (Hrsg.): Krankenhäuser in Berlin. Bauten und Projekte der 80er Jahre, Berlin 1989, S. 60 f.; BusB VII A, S. 96 ff.; Architekturführer Berlin 2001, Nr. 410. Vgl. auch Archiv Krankenhausbau des XX. Jahrhunderts im Institut für Krankenhausbau an der TU Berlin mit dem Nachlass von Prof. Poelzig (Inhalt teilweise online).

(2) Der Begriff stammt vom Architekten Peter Poelzig. Vgl. Poelzig, Peter: Das integrierte Krankenhaus. In: Baumeister 66 (1969), S. 1089 ff.

(3) Poelzig, Peter: Das integrierte Krankenhaus. In: Baumeister 66 (1969), S. 1089.

(4) Zum System Georgije Nedeljkov vgl. BusB VII A, S. 99; Nedeljkov, Georgije: Die Entwicklung neuzeitlicher Operationsräume als Folge des Fortschritts von Medizin und Technik, Berlin 1958; Nedeljkov, Georgije: Beziehungen der chirurgischen Fachabteilungen und ihrer diagnostischen Sondereinrichtungen zum zentralen Operationsbereich im neuzeitlichen Krankenhaus, Berlin 1967.

(5) BusB VII A, S. 98.

Literatur:

  • Poelzig, Peter: Das integrierte Krankenhaus in
    Baumeister 66(1969) / Seite 1089ff
  • Zabre, Gerd: Krankenhaus "Am Urban", Berlin Kreuzberg in
    Bauwelt (1970)45 / Seite 1726ff
  • Der Senator für Gesundheit und Umweltschutz (Hrsg.), Berlin und seine Krankenhäuser, Berlin 1980 / Seite 20
  • Senator für Gesundheit und Soziales, Berlin (Hrsg.), Krankenhäuser in Berlin. Bauten und Projekte der 80er Jahre, Berlin 1989 / Seite 60f
  • BusB VII A 1997 / Seite 96ff
  • Wörner, Martin; Mollenschatt, Doris; Hüter, Karl-Heinz; Sigel, Paul: Architekturführer Berlin, Berlin 2001 / Seite Nr. 410.
  • Murken, Axel Hinrich: Vom Armenhospital zum Großklinikum. Die Geschichte des Krankenhauses vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Köln 1988 / Seite .
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 318 ff.

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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