Denkmaldatenbank

Scheune mit Zollbau-Lamellen-Tonnendach

Obj.-Dok.-Nr. 09065341
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Chausseestraße 15A
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Scheune
Datierung 1897
Umbau 1924
Entwurf Dipl.-Ing. J. Haber-Schaum (Statiker)
Entwurf A. Liebenow (Baugeschäft Berlin-Wannsee)
Entwurf Asatrum Baugesellschaft mbH (Berlin)

(...) Es ist die frühere Mehl-Fouragehandlung von Wilhelm Hönicke, Chausseestraße 15A, deren ab 1897 errichteten Gebäude - Vorderhaus und rückwärtige Wirtschaftsgebäude - einen gepflasterten Hof umstehen. (1) Eine Fouragehandlung vertreibt Tierfutter, insbesondere Pferdefutter, und andere Artikel für Stall und Weide. Zum Anwesen gehört auch die Scheune, die 1924 im Rahmen des Wiederaufbaues nach einem Brand eine innovative freitragende Dachkonstruktion, ein so genanntes Zollinger-Lamellendach, erhielt. Die Bauausführung des Daches übernahm die Asatrum Baugesellschaft mbH. (2)

Bauherr Otto Hönicke hatte sich zur besseren Ausnutzung der Scheune, in der Futtermittel und Getreide gelagert werden sollten, zu einer Holzlamellenkonstruktion entschlossen, die ohne Stiele und Kehlbalken in einem flachbogigem Gewölbe die elf Meter breite Scheune überspannt. Die Zollinger-Lamellenbauweise geht auf ein von dem Merseburger Stadtbaurat Friedrich Zollinger 1920 entwickeltes Tragsystem zurück, wobei er das Konstruktionsprinzip des von David Gilly 1797 erfundenen Bohlendaches aufgriff. Bei dieser Konstruktionsmethode gibt es keine Binder oder Sparren, sondern die gesamte Dachfläche wird aufgelöst zugunsten eines selbst tragenden rautenförmigen Netzes aus Holzlamellen. Das Zollinger-Lamellendach zeichnet sich durch ein geringes Eigengewicht aus und ist besonders Holz sparend. (3) Es dokumentiert das Bemühen nach dem Ersten Weltkrieg, als Baustoffknappheit und Preissteigerungen die Bautätigkeit stark einschränkten, eine Verbilligung und Vereinfachung des Bauens herbeizuführen. Beim Zollingerdach können die Holzlamellen als Segmente kostengünstig seriell hergestellt und damit auch in kurzer Zeit aufgebaut werden. In den 1920er Jahren kam diese Dachkonstruktion nicht nur im Wohnungsbau zur Anwendung, sondern sie wurde auch im Hallenbau für Industrie und Landwirtschaft eingesetzt. In Wannsee sind zwei weitere Zollingerdächer an Wohnbauten bekannt. (4) Das Anwesen wird heute als kulturelles Zentrum genutzt.


1) Die Fouragehandlung. In: Bappert/Immenhausen/Schneider 2000, S. 72-83.

2) Die Asatrum Bauberatungsgesellschaft mbH hatte von der Deutschen Zollbaugesellschaft mbH eine Ausführungslizenz zur Anwendung der Zollbauweise für Berlin und Norddeutschland erhalten. Die statische Berechnung stammte von Ingenieur J. Haber-Schaum. Vgl. Zentralblatt der Bauverwaltung 45 (1925), Nr. 7, S. 80.

3) Das Zollinger-Lamellendach, auch Zollbau-Lamellendach oder Rauten-Lamellenkonstruktion genannt, ist ein Gewölbe aus rautenförmig zusammengebauten, gleich gestalteten Brettern, den Lamellen, die genau nach den statischen Erfordernissen des Daches zugeschnitten und zusammengefügt werden. Die äußeren gekrümmten Lamellenkanten ergeben das Dachprofil und bieten der Schalung für die Dachdeckung ein sicheres Auflager. Es besteht aus einem biegesteifen, rautenförmigen Netzwerk in Form eines Spitz-, Rund- oder Segmentbogens. Die Lamellen sind einseitig entsprechend der Dachform gekrümmt geschnitten. Sie laufen über zwei Felder durch und werden an den Knotenpunkten jeweils durch zwei Bolzen zusammengefasst. In jedem Knoten treffen drei Lamellen aufeinander. Die durchlaufende Lamelle ist biegesteif, die anstoßenden Lamellen sind gelenkig. Die Normalkräfte werden durch Stoß in den durchlaufenden Träger quer zur Faser übertragen. Vgl. Wegner: Das Lamellendach nach Stadtbaurat Zollinger, Merseburg. In: Zentralblatt der Bauverwaltung 45 (1925), Nr. 7, S. 77-80; Hoffmann, Ernst: Das Zollinger Lamellendach (...). In: Die Bauzeitung 20 (1923), Nr. 9, S. 73-75; Sattler: Das Zollbau-Lamellendach. In: Die Baugilde 6 (1924), Nr. 9, S. 106-110; Bauweltkatalog 1929/30, S. 436.

4) Vgl. das Gästehaus der Villa Jeidels, An der Obstwiese 5, und das Wohnhaus Am großen Wannsee 64.

Literatur:

  • Die Fouragehandlung in
    Theseus Bappert, Wolfgang Immenhausen, Sabine Schneider: Ein Wannsee-Bilderbuch mit Texten von Ulf Dammann. Berlin 1992 / Seite 72-83
  • Wegner: Das Lamellendach nach Stadtbaurat Zollinger, Merseburg in
    Zentralblatt der Bauverwaltung 45 (1925) 7 / Seite 77-80
  • Hoffmann, Ernst: Das Zollinger Lamellendach (...) in
    Die Bauzeitung 20 (1923) 9 / Seite 73-75
  • Sattler: Das Zollbau-Lamellendach in
    Die Baugilde 6(1924)9 / Seite 106-110
  • Bauweltkatalog 1929/30 / Seite 436
  • Winter, K. ;Rug, W.: Innovationen im Holzbau in
    Bautechnik 69(1992)4 / Seite 192-197
  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 67
  • Bappert/Immenhausen/Schneider: Ein Wannsee-Bilderbuch, Berlin 2000 / Seite 72-83

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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