Denkmaldatenbank

Wohnhaus, Appartementhaus Am Schlachtensee 144

Obj.-Dok.-Nr. 09065280
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Nikolassee
Adressen Am Schlachtensee 144
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus & Appartementhaus
Datierung 1963-1965
Entwurf Lee, Chen Kuen (Architekt)

Das 1964-65 erbaute Wohnhaus Am Schlachtensee 144 hat der aus China stammende Architekten Chen Kuen Lee entworfen. (1) Lees ursprüngliches Konzept eines Apartmenthauses mit drei zweistöckigen und drei einstöckigen Apartments für kreativ arbeitende Singles oder kinderlose Paare wurde zwischen 1976 und 1986 mit minimalen Eingriffen in die Substanz sukzessive zu drei nebeneinander liegenden, nunmehr dreigeschossigen Wohneinheiten umgewandelt. (2) Das Wohnhaus am Schlachtensee ist eines der Hauptwerke des in Stuttgart beheimateten Architekten, der zu den bedeutendsten Vertretern der Berliner Scharoun-Schule sowie des organischen Bauens in Süddeutschland zählte. Lee war besonders bekannt für seine künstlerisch herausragenden Einfamilienhäusern. Abgesehen von Lees Wohnhochhäusern im Märkischen Viertel ist das Wohnhaus am Schlachtensee das einzige Bauprojekt dieses Architekten in Berlin. Viele der von ihm verwendeten architektonischen Motive sind vom Werk Hans Scharouns beeinflusst: Sei es die Laubengangerschließung, die spitz auskragenden und damit vielfältige Ausblicke ermöglichenden Balkone oder der aufgefächerte offene Grundriss, der sich teilweise über zwei Ebenen erstreckt. In Verbindung mit einer geschickten Lichtregie wirken die eigentlich bescheiden dimensionierten Wohnungen dadurch sehr viel größer als sie sind.

Das Haus steht auf einem zum Schlachtensee abfallenden Areal. Chen Kuen Lee entwarf ein kompaktes fächerförmiges zweigeschossiges Gebäude auf hohem Souterrain, das nach Nordosten zum See ausgerichtet ist. Von der Straße führt eine sich leicht verengende Treppe zum gepflasterten Eingangshof an der Westseite hinauf. Linkerhand liegen drei in den Hang hineingebaute Garagen, die auch als Sichtschutz für den Vorplatz fungieren. Über die Wohnungseingänge im Erdgeschoss gelangt man zunächst in eine Diele und von dort in einen offenen Wohnraum, der um ein Halbgeschoss nach oben versetzt ist. Raumhohe Fenster und Fenstertüren öffnen den lichtdurchfluteten und sich fächerförmig nach Osten weitenden Raum auf eine vorgelagerte Terrasse mit freiem Blick in den Garten und auf den Schlachtensee. Im Souterrain, unterhalb des Wohnraumes, brachte Lee ein Schlafzimmer mit separatem Bad unter, das über eine zweiläufige Treppe von der Diele aus erschlossen wird. Die früheren Einzimmerwohnungen im Obergeschoss sind außer über die später hinzugefügten Wendeltreppen im Inneren über eine ummauerte, am Nordrand des Vorplatzes stehende Wendeltreppe mit anschließendem Laubengang erreichbar. Hohe schräge Decken mit einem nach Westen orientierten Oberlichtband und die wiederum offene Grundrissdisposition geben den Räumen einen Ateliercharakter. Die Wandöffnungen beziehungsweise die Balkone im Obergeschoss sind so geschickt platziert, dass die Nachbarn optisch völlig ungestört voneinander bleiben.

Auch am Außenbau legte der Architekt großen Wert auf eine starke Differenzierung und Belebung der Fassaden. Putzflächen kontrastieren mit dem sauber gemauerten Backsteinsockel, der sich an der Westseite über das gesamte Erdgeschoss erstreckt. Der halbrunde Wendeltreppenschaft fungiert optisch wie funktional als Scharnier des dreifach gegliederten Hausfächers, dessen tief sitzende Dachkrempe aus Wetterschutzgründen über den offenen Laubengang hinausgeführt ist. An der sehr viel stärker modellierten Ostfassade beleben insbesondere die wie eingehängt wirkenden drei Balkone mit ihren schrägen, nach unten leicht überstehenden Betonbrüstungen das Fassadenbild.


1) Der Text wurde der Erfassung für das Landesdenkmalamt von Alexander Hoff und Thomas Steigenberger entnommen. Chen-Kuen Lee wurde 1914 in Wuxing im Südosten Chinas geboren. 1931 begann er ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Braunschweig, das er an der Technischen Hochschule Berlin Charlottenburg, u.a. als Schüler von Hans Poelzig, fortsetzte und 1937 abschloss. Danach arbeitete er bis 1943 und dann wieder ab 1947 im Büro von Hans Scharoun, wo er u.a. 1951 als Mitentwerfer des bekannten Wettbewerbsbeitrags für eine "Darmstädter Volksschule" in Erscheinung trat. Seit 1954 betrieb er ein eigenes Büro in Stuttgart. Überwiegend in Baden-Württemberg entwarf er etwa 50 Einfamilienhäuser und Villen, mehrere Apartment-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser sowie einige Chinarestaurants und Industriebauten. Vgl. Koch, Michael: Beziehungen im Wandel. Das Gleichbleibende an den unterschiedlichen Häusern von Chen Kuen Lee, in: Deutsche Bauzeitung 1984, Heft 4, S. 36-41; Wen-chi Wang: Chen Kuan Lee (1914-2003) und der Chinesische Werkbund, Berlin 2010.

2) Architekten: Hans Joachim Mette, der schon als Kontaktarchitekt von Lee beim Bau des Hauses in Erscheinung getreten war, und Klaus Hoffmann.

Literatur:

  • Michael Koch: Bezeihungen im Wandel. Das Gleichbleibende an den unterscheidlichen Häusern von Chen Kuen Lee in
    Deutsche Bauzeitung (1984)4 / Seite 36-41
  • Wen-chi Wang: Chen-kuan Lee (1914-2003) und der Chinesische Werkbund, Berlin 2010 / Seite insbes. S. 243-247

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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