Denkmaldatenbank
Ev. Martin-Luther-Gedächtniskirche mit Gemeindehaus
09055080,T | |
Bezirk | Tempelhof-Schöneberg |
Ortsteil | Mariendorf |
Adressen | Rathausstraße 28, 29 Kaiserstraße |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Kirche |
Datierung | 1933-1935 |
Entwurf | Steinberg, Curt (Architekt) |
(...) verweist (...) die evangelische Martin-Luther-Gedächtniskirche (1) an der Rathausstraße 28-29 Ecke Kaiserstraße auf das im frühen 20. Jahrhundert angelegte Ortszentrum der Gemeinde Mariendorf. Durch den ungeahnten Bevölkerungszuwachs nach der Jahrhundertwende reichte die Dorfkirche für die Gottesdienste nicht mehr aus, sodass Pläne entwickelt wurden, gegenüber dem Rathaus eine zweite Pfarrkirche zu errichten. 1918 beschloss die Gemeinde den Bau einer Kirche zum Gedächtnis an den Weltkrieg. Curt Steinberg, der Leiter des landeskirchlichen Bauamts, entwarf 1926 ein kirchliches Zentrum mit Gemeindehaus, Kirche, Pfarrhaus, Altersheim und einem Gebäude für die Wohlfahrtspflege. In einem ersten Bauabschnitt wurde 1927 das Gemeindehaus an der Rathausstraße ausgeführt. Das zweigeschossige Gebäude mit Putzfassade, Treppenhausvorbau, glockenförmig geschwungenem Walmdach und spitzen Dachgauben richtet sich größtenteils nach der um 1910 üblichen Architektur. Als Curt Steinberg in den frühen 1930er Jahren die Martin-Luther-Gedächtniskirche plante, gab er diesen Baustil zugunsten einer zeitgemäßen, von sachlichen und expressiven Gestaltungsideen beeinflussten Bauweise auf. Die Kirche folgt weder der traditionalistischen Kirchenarchitektur noch avantgardistischen Tendenzen, sondern wahrt eine eigentümliche Zwischenstellung. Die nationalsozialistische Machtergreifung 1933 wirkte sich noch auf die Innengestaltung, nicht aber auf die äußere Architektur aus. Nach der Grundsteinlegung im Oktober 1933 wurde die Martin-Luther-Gedächtniskirche, die an den vierhundertfünfzigsten Geburtstag des Reformators erinnert, im Dezember 1935 eingeweiht. Die nach Süden orientierte Saalkirche mit halbrund geschwungener Apsis und einem 49 Meter hohen Turm über quadratischem Grundriss ist innen und außen vollständig mit gelbbraunen Keramikplatten verkleidet. Zwischen kräftigen Wandpfeilern öffnen sich hochrechteckige Fenster. Der blockhafte, fast fensterlose, durch Wandpfeiler gegliederte Turm besitzt ein ovales Glockengeschoss und eine durchbrochene Laterne, die sich nach oben verjüngt und in ein weithin sichtbares Kreuz mündet. Das wie ein Eselsrücken geschwungene Dach des Kirchenschiffs wird von einer Stahlskelettkonstruktion getragen.
Durch die nach außen geöffnete Turmhalle erreicht man den als Ehrenhalle gestalteten Vorraum. An den Seitenwänden sind Terrakottaköpfe von Martin Luther und von Reichspräsident Paul von Hindenburg angebracht, während eine umlaufende Frakturinschrift das Lutherlied "Ein feste Burg ist unser Gott" zitiert. (2) Der geschmiedete Kronleuchter zeigt das Eiserne Kreuz, umgeben von vergoldeten Eichenblättern. Die seitlich anschließenden Kapellen erhielten in der Nachkriegszeit farbige Glasfenster. Das tonnengewölbte Kirchenschiff mit einem geneigten Fußboden, der sich wie im Theater oder Hörsaal zum Altar hin absenkt, ist von Emporen umgeben. Über der Sängerempore ordnete der Architekt die Orgel an. Die von der Firma Walcker gebaute Orgel wurde 1935 zum Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg gespielt, bevor sie in die Martin-Luther-Gedächtniskirche kam. Die Orgelpfeifen sind mit volkstümlichen Motiven bemalt. Der Blick richtet sich auf den monumentalen Triumphbogen, der mit über 800 quadratischen Ornamentplatten aus Terrakotta verkleidet ist. Der Bildhauer Heinrich Mecklenburger entwarf 36 verschiedene Motive und Symbolzeichen, die sich bunt durchmischt mehrfach wiederholen. Das Bildprogramm ist von der nationalsozialistischen Ideologie und von Glaubensvorstellungen der "Deutschen Christen" beeinflusst. Man erkennt christliche Symbole (Christusmonogramm, Dornenkrone, Kelch, Taube des Heiligen Geistes, Evangelistensymbole, Alpha und Omega, Ähren, Weintrauben, Lutherrose), Zeichen der "Volksgemeinschaft" (Arbeiterkopf, Bauernkopf, Soldatenkopf, Waage als Zeichen der Justiz, Hammer, Sichel mit Kreuz), Bilder des täglichen Lebens (musizierende Kinder), aber auch nationale beziehungsweise nationalsozialistische Symbole (Reichsadler, Hakenkreuz, Eisernes Kreuz, Signet der NS-Volkswohlfahrt). Viele der nationalsozialistischen Motive wurden bereits 1937 wieder entfernt, denn das mit rückwirkender Geltung eingeführte "Gesetz zum Schutze der Bezeichnungen der NSDAP" verbot es, Symbole der NSDAP oder ihrer Gliederungen für Kirchenbauten zu verwenden. (3)
Der Terrakottaschmuck setzt sich in der Apsis fort. An den mächtigen Wandpfeilern sind die Köpfe der Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon, der Musiker Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel, der Liederdichter Martin Rinckart und Paul Gerhardt und der Gründerväter der Inneren Mission Johann Hinrich Wichern und Friedrich von Bodelschwingh angebracht. Kanzel, Altar und Taufstein sind aus Holz geschnitzt. Auf dem Kanzelkorb ist die Bergpredigt dargestellt, wobei die zu Jesus Christus kommenden Menschen zeitgenössische Kleidung tragen. Man sieht eine Familie mit einem Soldaten, alte und junge Leute sowie zwei Mitglieder der Hitlerjugend in Uniform. Der Altartisch wird von Statuen der vier Evangelisten getragen, während Engel als Kerzenhalter das mächtige Kruzifix mit einem heldenhaften Christus flankieren. Die 1935 von Walter Göritz gestalteten Apsisfenster mit Szenen der biblischen Geschichte wurden 1945 zerstört und 1955 durch eine künstlerisch bedeutende Bleiverglasung nach Entwurf von Gottfried von Stockhausen ersetzt. Die farbigen Motive sind eine bildliche Umsetzung des Präfationsgebets der Abendmahlsliturgie.
(1) Kühne/Stephani 1978, S. 253-255; Hoffmann-Tauschwitz 1987, S. 29; Tempelhof - Bauten, Straßen, Plätze 1992, S. 54-55; BusB VI, S. 408; Dehio Berlin 2000, S. 419; Prolingheuer, Hans: Hitlers fromme Bilderstürmer, Köln 2001, S. 61-64, 138-141, 253-255, 272; Goetz/Hoffmann-Tauschwitz 2003, S. 290-291; Donath 2004, S. 187-189.
(2) An der Stelle des Hindenburg-Bildnisses befand sich ursprünglich eine Kopfmaske Adolf Hitlers. Die umlaufende Inschrift lautet: "Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen / Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen / Der alt böse Feind, mit Ernst ers jetzt meint, auf Erd ist nicht seinsgleichen / Unsern Ausgang segne Gott, unsern Eingang gleichermaßen".
(3) Prolingheuer, Hans: Hitlers fromme Bilderstürmer, Köln 2001, S. 138-141, 253-255.
Literatur:
- Riedrich, Otto: Aus dem Schaffen des Architekten Dr.-Ing. Curt Steinberg, Berlin, in: Neue Baukunst Berlin, 6 (1930) 12 / Seite 1-18
- Topographie Tempelhof, 2007 / Seite 166f.
- Möbius, Martin R. : Curt Steinberg. Neue Werkkunst. Leipzig - Wien 1931.Kühne, Günther & Stephani, Elisabeth : Evangelische Kirchen in Berlin. Berlin 1978 / Seite 253-255
- W.S. (Wolfgang See): 50 Jahre Martin-Luther-Gedächtniskirche Mariendorf. Festschrift. Hg. v. Gemeindekirchen rat. Berlin 1985.BusB VI 1997 / Seite 408
- Dehio, Berlin, 1994 / Seite 454-455
- Dehio, Berlin, 2000 / Seite 419
- Goetz, Christine & Hoffmann-Tauschwitz, Matthias (Hg.): Kirchen Berlin - Potsdam. Führer zu den Kirchen in Berlin und Potsdam. Berlin 2003 / Seite 290-291
- Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Mariendorf (Hg.): Jochen Klepper zum 100. Geburtstag 22. März 1903 - 2003. Berlin 2003, / Seite 20
Teilobjekt Gemeindehaus der Martin-Luther-Gedächtniskirche
Teil-Nr. | 09055080,T,001 |
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Sachbegriff | Gemeindehaus |
Datierung | 1926-1928 |
Entwurf (?) & Ausführung | Steinberg, Curt (Architekt & Ingenieur) |
Bauherr | Ev. Kirchengemeinde Berlin-Mariendorf (Kirchengemeinde) |
Teilobjekt Martin-Luther-Gedächtnis-Kirche
Teil-Nr. | 09055080,T,002 |
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Sachbegriff | Kirche ev. |
Datierung | 1933-1935 |
Entwurf | Antz, Ludwig (Architekt) |
Bauherr | Ev. Kirchengemeinde Berlin-Mariendorf (Kirchengemeinde) |
Ausführung | Wilhelm Schmidt (Baugeschäft) |
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
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- Fax: (030) 90259-3700
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