Denkmaldatenbank
Dorflage Mariendorf
09055056 | |
Bezirk | Tempelhof-Schöneberg |
Ortsteil | Mariendorf |
Adressen | Alt-Mariendorf 37, 39, 41, 43, 45, 47 Friedenstraße 23, 24 Mariendorfer Damm 132, 134, 136, 138 |
Denkmalart | Ensemble |
Sachbegriff | Dorflage |
Der Dorfkern von Mariendorf ist bis heute deutlich zu erkennen, obwohl der lang gestreckte, eher schmale Dorfanger zugunsten einer dreispurigen Durchgangsstraße beseitigt wurde. Das Straßenbild wird von einstöckigen Bauernhäusern aus dem 19. Jahrhundert, viergeschossigen Mietshäusern aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und Wohngebäuden der Nachkriegszeit bestimmt. Das Ensemble Dorflage Mariendorf, (1) an dem sich die alte dörfliche Struktur ablesen lässt, umfasst den südwestlichen Bereich des Dorfkerns mit Kirche, Pfarrhaus, Kirchhof, Schule und zwei Gehöften. (2) Die Feldsteinkirche, die noch aus der Gründungszeit des Dorfs stammt, und der Kirchhof mit den Grabsteinen der alten Mariendorfer Bauernfamilien befinden sich seit achthundert Jahren an der gleichen Stelle. Die Dorfkirche steht nicht auf dem Anger, wie es eigentlich für Angerdörfer üblich ist, sondern auf einem Grundstück südlich der Dorfstraße. Die Bauernhöfe haben sich durch die Jahrhunderte hinweg immer wieder verändert. Nach schweren Bränden 1748 und 1809 wurden die giebelständigen Mittelflurhäuser, einfache Fachwerkbauten mit Strohdeckung, durch massive, mit der Längsseite zum Dorfanger orientierte Gebäude ersetzt. Die noch erhaltenen Bauernhäuser des 19. Jahrhunderts sind einstöckig, sie besitzen ein ziegelgedecktes Sattel- oder Walmdach und eine mehr oder weniger aufwendig dekorierte Putzfassade. Von der repräsentativ hervorgehobenen Straßenfront heben sich die schmucklosen, glatt verputzten Giebel- und Rückseiten ab. Vor den alten Bauernhäusern befinden sich kleine Vorgärten, umgeben von hölzernen oder schmiedeeisernen Zäunen. Die rückwärtigen Gebäude der Gehöfte - Ställe, Scheunen und Remisen - sind nicht erhalten geblieben.
Die im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts erbaute Dorfkirche Mariendorf auf dem Grundstück Alt-Mariendorf 37 und Mariendorfer Damm 132/138 (3) erinnert an die achthundertjährige Geschichte des Ortes, die mit der deutschen Besiedlung der Teltow-Hochfläche und der Gründung Mariendorfs durch den Templerorden begann. Die rechteckige Saalkirche mit einem nicht vollständig erhaltenen Westturm, einem eingezogenen, nahezu quadratischen Chor und einer halbkreisförmigen Apsis repräsentiert als "vollständige Anlage" den Standardtypus märkischer Dorfkirchen. Die ungegliederten Wandflächen mit den kleinen, runden Fensteröffnungen sind aus behauenen Feldsteinquadern gefügt. Die Bauuntersuchungen haben ergeben, dass Saal und Westturm etwas später an den älteren Chorbereich angefügt worden sind. Der spätgotische Sakristeianbau an der Nordseite des Chores erhielt im 16. Jahrhunderts seine heutige Gestalt. Der Fachwerkaufsatz mit Holzverschalung auf dem dickwandigen, querrechteckigen Westturm stammt von 1737. Das ziegelgedeckte Zeltdach leitet zu einem achteckigen Türmchen mit geschweifter Haube über. Der Bär an der Wetterfahne erinnert daran, dass das Patronat seit 1435 bei der Stadt Berlin lag. Eine 1480 gegossene Glocke läutet noch heute zum Gottesdienst. (4) Als russische Truppen die Kirche 1812 mit Kanonen beschossen, brach aus dem Turmmauerwerk eine größere Partie heraus, die durch eine verputzte Ausmauerung ersetzt wurde.
Der rechteckige Saal, der ursprünglich nur durch eine Pforte an der Nordseite zu betreten war, erhielt 1436 eine Holzbalkendecke mit ornamental bemalten Deckenbalken. (5) Im 16. Jahrhundert wurde der Raum durch stämmige Säulen in zwei Schiffe unterteilt und überwölbt, wobei die alte Holzbalkendecke über der Einwölbung erhalten blieb. Die beiden parallelen Tonnengewölbe werden durch hohe Stichkappen gegliedert, die den Eindruck aneinander liegender Gewölbejoche vermitteln. Im Chor ist ein einfaches Kreuzgratgewölbe ausgebildet. Die 1567/68 durchgeführte Erneuerung des Dachwerks lässt vermuten, dass die Einwölbung aus der gleichen Zeit stammt. (6) Die 1589 eingebauten Glasfenster an der Südseite des Chores mit Wappendarstellungen und Namen der Bürgermeister, Kämmerer und Ratsherren von Berlin und Kölln wurden 1945 zerstört. Während der Zweite Weltkrieg nur wenige Schäden anrichtete, brachte die 1953-56 unter Leitung von Friedrich Mellin durchgeführte Purifizierung und Erneuerung erhebliche Veränderungen, die das Bild der Dorfkirche bis heute bestimmen. In der Absicht, einen einfachen, schlichten Kirchenraum zu schaffen, wurde die gesamte historische Ausstattung vernichtet. Das betraf das mittelalterliche, aus Eisen geschmiedete Tabernakel, den Renaissance-Taufstein, die barocke Kanzel von 1714, die neugotische Orgel und die bemalte Seitenempore. Der im Zweiten Weltkrieg ausgelagerte und bis heute verschollene Renaissance-Altar von 1626 wurde durch eine Kopie des Kruzifixes aus der Abteikirche in Werden bei Essen, entstanden um 1060, ersetzt. Hermann Kirchberger schuf die Bleiverglasung der kleinen Apsisfenster mit der Darstellung der vier Evangelisten und der Marterwerkzeuge Christi. Der alte Eingang an der Nordseite der Kirche wurde zugemauert, die zum Kirchenschiff gerichtete Turmwand abgebrochen und das spitzbogige Westportal in ein rundbogiges Stufenportal umgewandelt. In die Dorfkirche kamen sechs kleine Holztafelbilder (Abraham und die drei Engel, Elias mit dem Feuerwagen, Fußwaschung, Enthauptung Johannes des Täufers), gemalt vor 1600 und 1646, die ursprünglich die Emporenbrüstung der Heilig-Geist-Kapelle in Berlin-Mitte schmückten. Weitere Brüstungstafeln aus der 1905 profanierten Heilig-Geist-Kapelle werden in der Dorfkirche Tempelhof und in der Dorfkirche Zehlendorf aufbewahrt. Das schildartig gewölbte Tafelbild im Chorraum, entstanden um 1600, stellt die Kreuzigung dar. (7) Im Turm der Dorfkirche, der zuletzt 2002 restauriert und teilweise erneuert wurde, hängt seit 1970 ein Glockenspiel mit sechzehn Glocken, das stündlich Choräle und geistliche Volkslieder spielt.
Um die Kirche breitet sich der kleine Kirchhof aus, der von einer Einfriedung aus Feldsteinen umgeben ist. Die Grabstätten der alteingesessenen Mariendorfer Bauernfamilien werden bis heute für Bestattungen genutzt. Das Pfarrhaus auf dem Grundstück Alt-Mariendorf 39, das seit alters her neben dem Kirchhof stand und in seiner Bauweise den Bauernhäusern glich, wurde 1910-11 durch einen villenartigen Neubau ersetzt. Curt Steinberg entwarf ein zweigeschossiges Gebäude mit einem hohen, ziegelgedeckten Walmdach, das sich mit seiner zurückhaltenden heimatgebundenen Gestaltung gut in den Dorfkern einfügt. Die weiß verputzten, schmucklosen Fassaden, die Sprossenfenster und die Fensterläden deuten auf die vor dem Ersten Weltkrieg verbreitete Reformarchitektur. Die Architekten dieser Zeit bedienten sich nicht mehr aus dem Fundus der historischen Ornamente und Bauformen, sondern vermittelten gediegene Bürgerlichkeit durch schlichte Gestaltung und bequeme Grundrisse. An der Ostseite ist dem Pfarrhaus ein zweigeschossiger Standerker vorgesetzt.
Auf dem benachbarten Grundstück Alt-Mariendorf 41 befand sich ein Großbauernhof, der früher, wie der älteste Plan des Dorfes aus der Zeit um 1830 zeigt, vierseitig umbaut war. Der Bauerngutsbesitzer Ferdinand Ziedrich ließ an der Dorfstraße vor 1860 ein eingeschossiges, traufenständiges Wohnhaus mit Satteldach errichten. Das Gebäude wurde um 1890 nach Osten erweitert und im spätklassizistischen Stil umgestaltet. (8) Die reiche spätklassizistische Dekoration, die um 1870 in Berlin üblich war, dokumentiert das Selbstbewusstsein und den wachsenden Wohlstand der Mariendorfer Bauern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Stichbogenfenster der symmetrisch aufgebauten Straßenfront sind mit schmuckreichen Einfassungen und Verdachungen versehen. Das Gebäude macht mit zwei ungewöhnlich gestalteten Risalitachsen auf sich aufmerksam. Gequaderte Pfeiler tragen ein kräftiges Gebälk und darüber eine aus der Dachfläche hervorgezogene Dachgaube mit flachem Dreiecksgiebel. Die Fenster werden von Karyatiden nach antiken Vorbildern gerahmt. Von der prächtigen Fassade am Dorfanger heben sich die auffallend schlichten Rück- und Giebelseiten ab. Der Vorgarten ist mit einem kunstvoll geschmiedeten Zaun umfriedet, an den sich das schmiedeeiserne Hoftor anschließt, das von einer weit nach oben ragenden Blume bekrönt wird.
Die ehemalige Gemeindeschule auf dem Grundstück Alt-Mariendorf 43 ging aus der alten einklassigen Dorfschule hervor, die man nach den Bränden 1748 und 1809 immer wieder erneuert hatte. (9) Das zweigeschossige Gebäude mit spätklassizistischer Putzfassade wurde 1873 errichtet und 1883 nach Westen erweitert. Mit der Streifenquaderung des Erdgeschosses, den reich profilierten, über die gesamte Fassadenlänge durchlaufenden Gesimsen und den einfachen Fensterverdachungen wurde eine horizontale Fassadengliederung geschaffen, der auch die beiden leicht hervortretenden Eingangsrisalite unterworfen sind. Vertikale Akzente setzen die beiden Eingangsachsen mit ihren flachen Dreiecksgiebeln. Die Schule war in einen Knaben- und Mädchenbereich getrennt. Durch das Bevölkerungswachstum in Mariendorf reichte das Gebäude zur Jahrhundertwende nicht mehr für den Schulbetrieb aus. Daher wurde auf dem rückwärtigen Grundstück 1907-08 ein stattlicher Neubau errichtet, der sich mit der Hauptfassade der Friedenstraße zuwendet. Die alte Gemeindeschule beherbergt heute eine Musikschule.
(1) Tempelhof und seine Dorfauen 1987, S. 33-44; Rach 1988, S. 210-215; Dehio Berlin 2000, S. 417.
(2) Zum Ensemble gehört das eingeschossige, traufenständige Wohnhaus Alt-Mariendorf 45, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet und 1862 sowie 1893 umgebaut wurde. Die 1910 aufgesetzten Dachgauben wurden 1951 durch ein breites Dachgaubenband ersetzt. Heute wird das Wohnhaus als Restaurant genutzt. Das Stallgebäude an der hinteren Grundstücksgrenze ist stark überformt. Auf dem Nachbargrundstück Alt-Mariendorf 47 steht ein Wohnhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, das 1904 durch einen eingeschossigen Anbau erweitert wurde.
(3) Bergau 1885, S. 518-520; Göldner 1925, S. 35-36, 53-54, 72; Pomplun 1960, S. 166, 171, 176; Pomplun 1962, S. 51-52; v. Müller 1968, S. 64-65; Kühne/Stephani 1978, S. 244-245; v. Müller 1981, S. 286-287; Pomplun 1984, S. 67-69; Hoffmann-Tauschwitz 1986, S. 24-32; Hoffmann-Tauschwitz 1987, S. 30; Cante 1987, S. 127-131; Tempelhof und seine Dorfauen 1987, S. 38-39; Petras 1988, S. 48-49; Schwarz, Berthold: Die Dorfkirche Alt-Mariendorf und ihre Geschichte, Berlin 1990; BusB VI, S. 333; Dehio Berlin 2000, S. 417-418; Wollmann-Fiedler/Feustel 2001, S. 90-94; Goetz/Hoffmann-Tauschwitz 2003, S. 289-291.
(4) Die Glocke ist mit einer Inschrift in gotischen Minuskeln versehen: "o o rex glorie + xpe [= christe] o veni + cum o pace o anno d[omi]ni mccclxxx o" (O König der Herrlichkeit, Christus, komm in Frieden. Im Jahr des Herrn 1480), siehe Wille, Klaus-Dieter: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar, Berlin 1987, S. 190-191.
(5) Die Datierung der Holzbalkendecke konnte 1995 durch eine dendrochronologische Untersuchung ermittelt werden.
(6) Die Datierung des Dachwerks von Langhaus, Chor und Sakristei konnte 1995 durch eine dendrochronologische Untersuchung ermittelt werden.
(7) Das Tafelbild stammt nicht aus der Dorfkirche Mariendorf, sondern wurde aus einer anderen Kirche hierher überführt. Der ursprüngliche Standort ist nicht zu ermitteln.
(8) Rach 1988, S. 212.
(9) Rach 1988, S. 214; Dehio Berlin 2000, S. 419.
Literatur:
- Topographie Tempelhof, 2007 / Seite 153ff.
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Juliane Stamm
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