Denkmaldatenbank
Kraftwerk Moabit
09050441,T | |
Bezirk | Mitte |
Ortsteil | Moabit |
Adressen | Friedrich-Krause-Ufer 10, 11, 12, 13, 14, 15 An der Putlitzbrücke |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | E-Werk & Kraftwerk & Transformatorenhaus & Schalthaus & Maschinenhaus |
Nördlich des S-Bahnhofs Westhafen beherrscht das Kraftwerk Moabit, Friedrich-Krause-Ufer 10-15, mit einem aufragenden modernen Heizblock innerhalb einer eindrucksvollen historischen Kraftwerksanlage die ausgedehnte Industrielandschaft am Berlin-Spandauer Schiffahrtskanal. (1) Der aus mehreren Bauten zusammengesetzte Komplex beansprucht das weiträumige Gelände zwischen den Gleisen der Ringbahn, dem Friedrich-Krause-Ufer und der Rampe der Putlitzbrücke.
Das Kraftwerk dokumentiert die wechselvolle Geschichte der Stromversorgung in Berlin. Zu den Meilensteinen in der Kraftwerkstechnik, die an diesem Ort zum Teil mit entwickelt wurden, gehören die Einführung des Drehstromsystems um 1900, die Umstellung auf Dampfturbinen, die Erprobung der Kohlestaubfeuerungstechnik in den 1920er Jahren und die Einführung der emissionsarmen zirkulierenden Wirbelschichtfeuerung in den 1980er Jahren. (2)
Das 1900 in Betrieb genommene Kraftwerk Moabit, errichtet von den Berliner Elektricitäts-Werken (BEW), einem Gemeinschaftsunternehmen AEG mit der Stadt Berlin, war das zweite Drehstromkraftwerk in Berlin. Zusammen mit dem drei Jahre vorher eröffneten Kraftwerk Oberspree in Oberschöneweide lieferte es hochgespannten Drehstrom, der erstmals verlustarm über lange Strecken geleitet werden konnte. Dadurch wurde es möglich, große Kraftzentralen mit ihren rauchenden Schloten außerhalb der Städte an verkehrsgünstigen und erweiterbaren Standorten zu bauen. Der elektrische Strom wurde in dezentralen Abspannwerken und Netzstationen in den einzelnen Stadtvierteln in Strom niederer Spannung für Haushalte und Fabriken umgewandelt. Der Standort in Moabit war gut gewählt. Die benötigte Kohle konnte über den Berlin-Spandauer Schiffahrtskanal oder über das Gleisnetz der Eisenbahn rasch angeliefert werden. Das Kühlwasser ließ sich ohne großen Aufwand dem Schiffahrtskanal entnehmen. Um die schnell steigende Nachfrage nach elektrischer Energie befriedigen zu können, wurde das Kraftwerk 1907-08 um einen zweiten Block erweitert. Der schnelle Fortschritt durch die neue Turbinentechnik, die dort ausschließlich angewendet wurde, drückte sich darin aus, dass bei gleicher Leistung nur die Hälfte der Grundfläche des ersten Bauabschnittes benötigt wurde.
Die Anpassung des Kraftwerks an die jeweils aktuellen Verhältnisse und den technischen Stand hatte vielfältige Neu- und Umbauten zur Folge, die den Komplex laufend veränderten. Der Kraftwerkskomplex ist ein Spiegel der Entwicklung der Kraftwerkstechnik des 20. Jahrhunderts. Von der aus Kessel-, Maschinen- und Schalthaus bestehenden alten Kraftzentrale (Moabit I), die Franz Schwechten 1898-1900 für die Berliner Elektricitäts-Werke errichtet hatte, blieb nur der nördliche, etwa zehn Meter tiefe Abschnitt der Maschinenhalle mit einem schmalen dreigeschossigen Bürotrakt erhalten, wobei verlorene Details der Fassade 1988 wieder hergestellt wurden. Vor dem modernen, steil aufragenden Heizblock der 1980er Jahre wirkt der Hallenkopf, der heute für Ausstellungen genutzt wird, klein und kulissenhaft. Die Entwurfsidee des Architekten kann man dennoch deutlich ablesen. Franz Schwechten bildete eine vornehme historisierende Fassade aus, galt es doch, auf die wachsende Bedeutung der Stromerzeugung aufmerksam zu machen. Er gestaltete die Giebelfront in freier Anlehnung an die deutsche Renaissance. Dabei fügte er Schweifgiebel, Eckturm und Werkseinfahrt zu einer malerischen Baugruppe zusammen. Der Turm, versehen mit einem auskragenden, steilen Helm sollte als Wahrzeichen auf das Kraftwerk hinweisen. Die roten Backsteinfassaden, die nur sparsam mit Ornamenten aus Sandstein geschmückt sind, wirken flächig. Ein riesiges, dicht über dem Boden aufsteigendes Bogenfenster lässt ausreichend Licht in die Maschinenhalle hinein. An dieser feinsinnigen, repräsentativen aber auch sehr zweckmäßigen Gestaltung zeigt sich der erfahrene und weit bekannte Architekt, der bereits vorher bedeutende Industrie- und Verkehrsbauten wie die Apparatefabrik der AEG und den Anhalter Bahnhof gestaltet hatte. Die Fassade des Kraftwerks band zweckmäßige Hallen und Nebengebäude zu einer einheitlichen, schlichten Architektur mit ausdrucksstarken Silhouetten an Straße und Wasserweg zusammen.
Der in westliche Richtung an die Giebelfront der alten Maschinenhalle anschießende zweite Bauabschnitt des Kraftwerks (Moabit II) erscheint heute nicht mehr in seiner 1908 von Franz Schwechten entworfenen Gestalt. Das Kraftwerk wurde bis 1920 mehrfach erweitert und sein Kesselhaus ab 1920 auf die moderne Kohlenstaubfeuerung umgestellt. Seit dem Ende der 1920er Jahre verstellt ein Umformerwerk die Fronten von Kessel- und Maschinenhaus und auch fast alle anderen Fassaden wurden neu gestaltet.
Für die Kohlenstaubfeuerung fügte Hans Müller, Architekt der Berliner Städtischen Elektrizitätswerke AG (BEWAG), 1925 an der Südseite der Anlage eine Kohlenstaubmahl- und Aufbereitungsanlage an, deren bauliche Hülle verändert und mit neuer Nutzung heute noch besteht. (3) Dem Umbau zu einem Werkstatt- und Sozialgebäude in den 1950er Jahren folgte 1987 die Aufstockung um drei Geschosse. Das charakteristische Walmdach wurde beseitigt. Die Kohlenstaubfeuerung für Kraftwerke wurde in Moabit getestet und entwickelte sich so vielversprechend, dass sie bereits 1926 im Großkraftwerk Klingenberg eingesetzt werden konnte.
Zwischen Moabit I und Moabit II entstand 1925-26 ein fünfgeschossiges Umspannwerk nach Entwürfen von Klingenberg & Issel, das 1929-30 (diese Datierung unsicher) in der Grundstückstiefe erweitert wurde.
Die Verteilerspannung der Kraftwerke wurde ab 1924 von 6 kV auf 30 kV hochgesetzt und dafür musste ein neues Schalthaus gebaut werden. Es überspannte mit einer breiten Durchfahrt den bis dahin freien Hof zwischen den beiden Kraftwerksteilen und nahm neben den Schaltanlagen auch Büros, Werkstätten und die Schaltwarte auf. Expressionistische Details wie hervortretende Klinkerschichten an den Eingängen und an der Durchfahrt beleben die betont waagerecht gegliederte Fassade.
Vor dem Giebel stand bis in die 1950er Jahre das im Krieg nicht beschädigte Pumpenhaus nach einem auf den 10.01.1908 datierten Entwurf von Schwechten . 1952 zeichnet Erich Ritz als Angestellter in der Bewag-Bauabteilung die Pläne für das Umspannwerk und die Eigenbedarfsanlagen an Stelle des alten Pumpenhauses.
Nach Kriegsschäden, besonders in Moabit II, dem Wiederaufbau und einer grundlegenden Modernisierung in den 1950er Jahren wurde das Kraftwerk als Spitzenlastanlage ausgebaut und später als Heizkraftwerk genutzt.
1988 wurde das auffällige neue Heizkraftwerk mit umweltfreundlicher Wirbelschichtfeuerung in Betrieb genommen, dem ein großer Teil des historischen Kraftwerks Moabit I weichen musste.
1) Festschrift der Berliner Elektricitätswerke. Aus Anlaß ihres 25-jährigen Bestehens ihren Freunden und Gönnern ehrerbietigst gewidmet. [Berlin 1909]; Hanszel, H.: Über Berliner Kraftwerke. In: Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines 64 (1912), S. 337-342; 50 Jahre Berliner Elektrizitätswerke 1884-1934. Im Auftrage der Berliner Städtische Elektrizitätswerke Akt.-Ges. bearbeitet von Conrad Matschoß, Erich Schulz und Arnolf Theodor Groß. Berlin 1934, S. 32, 35-36; Wirth 1955, S. 258-259; Kraftwerk Moabit, Hrsg. von der Betriebsleistung des Kraftwerks Moabit. Berlin 1958; Streich 1981, S. 419-422; Hoffmann, Andreas: Kraftwerk Moabit, Friedrich-Krause-Ufer 10-15. In: Geschichtslandschaft 1987, S. 20-30 (dort falsche Angaben zur Baugeschichte); Kraftwerk Moabit. Architektur und Kunst 1900-1990. Hrsg. von der Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-Aktiengesellschaft Berlin 1990 (mit mehreren Beiträgen); Dehio Berlin 2000, S. 440; Grube, Hans Achim: Renaissance der E-Werke. Historische Industriearchitektur im Wandel, Berlin 2003; Kraftwerke in Berlin. Das Erbe der Elektropolis (mit mehreren Beiträgen), Berlin 2003, S. 60-73.
2) Zirkulierende Wirbelschichtbefeuerung für das Heizkraftwerk Moabit. Hrsg. von der Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-Aktiengesellschaft. Berlin 1990; Bade, Hans: Das Heizkraftwerk Moabit. Zirkulierende Wirbelschichtfeuerung für verbesserten Umweltschutz in Berlin. Hrsg. von der Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-Aktiengesellschaft. Berlin 1993.
3) Kahlfeldt 1992, S. 51-52.
Literatur:
- Festschrift zum 25jährigen Jubiläum der Berliner Elektrizitätswerke, 1909Inventar Tiergarten, 1955 / Seite 258f.
- Berlin/ Residenzstadt, 1981 / Seite 413-427
- Karwelat, J., "Insel" Moabit, Berlin 1986 / Seite 51f.
- Hoffmann, Andreas/ Krafwerk Moabit in
Geschichtslandschaft, Tiergarten 2, 1987 / Seite 20-30 - Bade, Kühne, Romain, Kraftwerk Moabit, Berlin 1990Architekturführer Berlin, 1994 / Seite 105
- Reclam Berlin, 1991 / Seite 191
- Dehio, Berlin, 1994 / Seite 486
- Kraftwerke in Berlin, Berlin, Jovis 2003 / Seite 60-71
- Topographie Mitte/Tiergarten, 2005 / Seite 310ff.
Teilobjekt Kesselhaus
Teil-Nr. | 09050441,T,001 |
---|---|
Sachbegriff | Kesselhaus |
Datierung | 1899-1901 |
Umbau | 1987 |
Entwurf | Schwechten, Franz Heinrich (Architekt) |
Ausführung & Bauherr | Berliner Elektrizitätswerke AG |
Teilobjekt Umspannwerk
Teil-Nr. | 09050441,T,002 |
---|---|
Sachbegriff | Umspannwerk |
Datierung | 1929-1930 |
Entwurf | Klingenberg, Walter & Issel, Werner (Architekt) |
Bauherr | Berliner Elektrizitätswerke AG |
Teilobjekt Umfassungsmauer
Teil-Nr. | 09050441,T,003 |
---|---|
Sachbegriff | Umfassungsmauer |
Datierung | 1899-1901 |
Entwurf | Schwechten, Franz Heinrich (Architekt) |
Ausführung & Bauherr | Berliner Elektrizitätswerke AG |
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
- Tel.: (030) 90259-3653
- Fax: (030) 90259-3700
- E-Mail juliane.stamm@lda.berlin.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
Jüdenstr.
- 248
- N8
- 300
-
Nikolaiviertel
- N40
- N60
- N65
-
Jüdenstr.