Denkmaldatenbank

Kriminalgericht Moabit

Obj.-Dok.-Nr. 09050355
Bezirk Mitte
Ortsteil Moabit
Adressen Turmstraße 91
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Gericht
Datierung 1902-1906
Umbau 1969, 1977
Entwurf Thoemer, Paul (Architekt)
Entwurf Fasquel, Jean (Architekt)
Entwurf Vohl, Carl (Architekt)
Entwurf Mönnich, Rudolf
Ausführung Held und Francke (Baugeschäft)
Bauherr Justizfiskus

Hinter dem Untersuchungsgefängnis erhebt sich das monumentale Kriminalgericht Moabit, heute Amts- und Landgericht, Turmstraße 89-93, mit seiner beeindruckenden Werksteinfassade. (1) Kuppel, Mittelrisalit und zwei 60 m hohe Türme akzentuieren die 210 m lange Straßenfront. Der prächtige Justizpalast wurde 1902-06 errichtet, weil das Alte Kriminalgericht an der Rathenower Straße zu klein war, um die in Moabit konzentrierten Gerichte aufzunehmen. Bei der Justizreform von 1899 war beschlossen worden, die drei Berliner Landgerichte zu vereinen und zusammen mit den Strafabteilungen des Amtsgerichts Mitte in Moabit anzusiedeln. Paul Thoemer und Jean Fasquel legten einen Vorentwurf vor, der die Grundlage für die Ausführungsplanung von Rudolf Mönnich und Carl Vohl bildete. Das Kriminalgericht Moabit gehört zu den architekturgeschichtlich bedeutendsten Bauten der wilhelminischen Ära. Mit seinen schlossähnlichen Ausmaßen, der imposanten Gestaltung und der prachtvollen Treppenhalle erregte das Gerichtsgebäude großes Aufsehen. Um die Justiz, die dritte Staatsgewalt, angemessen zu repräsentieren, wurde der neobarocke Baustil gewählt. Vorbild war die friderizianische Architektur des 18. Jahrhunderts. Der langrechteckige Bau, der sich um vier Innenhöfe legt, besitzt eine monumentale, kraftvolle Fassade. Die Ecke an der Rathenower Straße wurde mit einer 48 m hohen Kuppel hervorgehoben, hinter der sich ein Wasserbehälter für die Wasserversorgung des Gerichtsgebäudes verbirgt. Ein breiter Mittelbau, flankiert von aufstrebenden Türmen beherrscht die Hauptfassade an der Turmstraße. Dort wurden die 21 Gerichtssäle konzentriert. Im Mittelrisalit, betont durch einen Dreiecksgiebel, öffnet sich der Haupteingang. Die beiden Hauptsäle des Schwurgerichts zeichnen sich außen durch einen vorgewölbten Erker ab. Betritt man das Kriminalgericht, dann gelangt man in eine überwältigend große Treppenhalle. Im wilhelminischen Berlin war es üblich, Gerichtsgebäude mit gewaltigen Eingangshallen zu versehen. Die imposante Architektur sollte die Erhabenheit des Rechts deutlich machen. Die riesige Treppenhalle des Kriminalgerichts Moabit erstreckt sich über drei Schiffe, die von einem Klostergewölbe überspannt werden. Mit zwölf gotisch anmutenden Bündelpfeilern, reich gegliederten Wandpfeilern, Sandsteingeländern in Bandelwerk und allegorischen Figuren entfaltet sich ein prächtiger neobarocker Raum, der einen sakralen Eindruck erweckt. Um den zentralen Eingangsraum legt sich eine weiträumige doppelläufige Treppenanlage, die labyrinthisch erscheint und mit ihrer Raumdurchdringung die barocken Vorbilder weit übertrifft. Möglich wurde das durch den Einsatz moderner Werkstoffe und Konstruktionsmethoden. (2) Bei den weitgespannten Gewölben der großen Mittelhalle handelt es sich um neuartige Bulbeisendecken aus Eisenbeton, die eine Überwölbung des Raumes bei geringer Stichhöhe zuließen. (3)


(1) Die im Bau begriffenen Gerichtsbauten in Berlin und in den Vororten. In: Centralblatt der Bauverwaltung 23 (1903), S. 469-470, 513-516; Vohl, Carl: Das neue Kriminalgericht in Berlin-Moabit. In: Zeitschrift für Bauwesen 58 (1908), Sp. 329-360, 547-574; Wirth 1955, S. 100; BusB III, S. 67, 71, 75; Posener 1979, S. 81-82, 84-87; Grzywatz, Berthold: Das Kriminalgericht Moabit, Turmstraße 91. In: Geschichtslandschaft 1987, S. 216-235; Kühne 1988, S. 64-76; Dehio Berlin 2000, S. 429.

(2) Ausführliche Konstruktionsbeschreibung siehe Vohl, Carl: Das neue Kriminalgericht in Berlin-Moabit. In: Zeitschrift für Bauwesen (58) 1908, Sp. 329-360, 547-574.

(3) Vohl, Carl: Das neue Kriminalgericht in Berlin-Moabit. In: Zeitschrift für Bauwesen (58) 1908, Sp. 356: "Die Bulbeisendecke ist derart ausgeführt, daß der Druckgurt durch den Beton der Decke, der Zuggurt aber im Gegensatz zu den meisten bekannten Betoneisendecken durch ein Walzeisen von sehr großer Biegungsfestigkeit, das sog. "Bulbeisen" gebildet wird. Die Verwendung dieses Eisens ergab eine Gewichtsersparnis von 50 bis 60 v. H. gegenüber den gewöhnlichen Trägern." Die Berechnung der schubfreien Eisenbetonkonstruktion lieferte der angesehene Ingenieur Otto Leitholf.

Literatur:

  • Zeitschrift für Bauwesen 58 (1908) / Seite 329-571
  • Inventar Tiergarten, 1955 / Seite 98-100
  • Grzywatz, Berthold/ Das kriminalgericht Moabit =Geschichtslandschaft, Tiergarten 2, 1987 / Seite 216-235 (dort weit.Lit)
  • Hüter, Architektur 1900-1933, 1987 / Seite 33,35
  • Kähne/ Gerichtsgebäude in Berlin, 1988 / Seite 64-76
  • BusB III 1966 / Seite 75 (dort weitere zeitgenössische Lit. zitiert)
  • Topographie Mitte/Tiergarten, 2005 / Seite 205f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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