Denkmaldatenbank

Reichsmarineamt mit Gedenkstätte für die Opfer des 20. Juli 1944 und Ehrenmal im Hof, Bendlerblock

Obj.-Dok.-Nr. 09050300,T
Bezirk Mitte
Ortsteil Tiergarten
Adressen Reichpietschufer 74, 76

Stauffenbergstraße 11, 12, 13, 14
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Verwaltungsgebäude & Ministerium & Gedenkstätte & Ehrenmal
Datierung 1911-1914, 1953
Umbau 1938
Entwurf Reinhardt und Süßenguth (Architekt)
Entwurf Bielenberg & Moser (Architekt)
Ausführung Held und Francke AG (Hoch- und Tiefbau-Ausführungen)
Bauherr Reichsfiskus

Am Reichpietschufer 74-76 steht (...) das ehemalige Reichsmarineamt, (1) das heute das Bundesministerium der Verteidigung beherbergt. Hinter dem monumentalen Eingangsbau am Landwehrkanal erstreckt sich ein riesiges Verwaltungsgebäude, das mehrere Höfe umschließt und nahezu die gesamte Blockinnenfläche des Geländestreifens zwischen Stauffenberg- und Hildebrandstraße einnimmt. Mit einem Erweiterungsbau, dem Bendlerblock, besetzt es die Grundstücke Stauffenbergstraße 11-14. Im Reichsmarineamt, einst Dienstgebäude der obersten Marinebehörden (1914-19), des Reichswehrministeriums (1919-37) und des Oberkommandos der Wehrmacht (1938-45), vollzogen sich bedeutende Ereignisse der deutschen Geschichte. Das Bauwerk erinnert an den Einsatz der Kriegsmarine im Ersten Weltkrieg, an die Revolution 1918/19, bei der sich wichtige Ereignisse im Reichsmarineamt abspielten, an den Zweiten Weltkrieg, der von hier aus geplant wurde, aber auch an den Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft.

Das monumentale Verwaltungsgebäude, das 1911-14 im Tiergartenviertel errichtet wurde, ist Ausdruck der massiven Aufrüstung der Hochseeflotte, die unter dem Schlagwort "Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser" durch Kaiser Wilhelm II. und Großadmiral Alfred v. Tirpitz betrieben wurde. Die Marinebehörden erhielten immer mehr Befugnisse, sodass sie ein eigenes Dienstgebäude benötigten. In den Haupttrakt am Landwehrkanal zogen Reichsmarineamt und Admiralstab der Marine ein, während das Marinekabinett den über einen Zwischenflügel angebundenen Nebentrakt an der Stauffenbergstraße 14 nutzte. Der Entwurf geht auf Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth zurück. Die Architektensozietät, von der die Rathäuser in Steglitz, Charlottenburg, Treptow und Spandau stammen, hatte den ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Auf dem Grundstück im Tiergartenviertel entstand eine fünfgeschossige Baugruppe mit zahlreichen begrünten Innenhöfen. Die Hauptfront am Landwehrkanal entspricht mit ihrer strengen neoklassizistischen Gestaltung den Forderungen des Bauherrn nach einer einfachen, vornehmen, möglichst schmucklosen, aber doch anspruchsvollen Architektur. Die mit grauem Muschelkalk verkleidete Hauptfassade wird durch breite Kolossalpilaster dorischer Ordnung gegliedert. Der kräftig vorspringende Mittelrisalit enthält im Erdgeschoss eine offene Vorhalle. Die Wappenkartusche des wuchtigen Dreiecksgiebels zeigt das Monogramm Kaiser Wilhelms II. mit der Reichskrone. Um zu den benachbarten Wohnhäusern überzuleiten, wurden an den Seiten einachsige, leicht hervortretende Baukörper ausgebildet, die einen offenen Altan tragen. Hinter der Vorhalle beginnt ein dreiteiliger Treppenaufgang, unterbrochen von doppelten dorischen Säulen. Es folgt ein beeindruckender Lichthof, der über vier Geschosse geführt ist. Die umlaufenden Galerien werden von toskanischen Säulen aus Muschelkalk getragen.

Anders als die Hauptfassade des Reichsmarineamts mit ihrem monumentalen Anspruch besitzt die Fassade des Marinekabinetts in der Stauffenbergstraße 14 den Charakter eines gediegenen Geschäftshauses. Unter einem steilen Mansarddach entfaltet sich eine vornehme, durch breite Wandvorlagen gegliederte Fassade. In den Mittelachsen wird das Motiv der dorischen Pilaster zitiert, sodass eine feinsinnige Beziehung zum Hauptgebäude besteht. Auf dem Grundstück Stauffenbergstraße 11-13 ließ das Oberkommando der Wehrmacht 1938 nach Plänen von Bielenberg & Moser (2) einen Erweiterungsbau anfügen, der als Bendlerblock (3) bezeichnet wird. Die lang gestreckte Straßenfassade wiederholt, wenn auch vereinfacht, den architektonischen Aufbau des benachbarten Marinekabinetts. Selbst der Fugenschnitt der Muschelkalkplatten wurde zugunsten einer einheitlichen Erscheinung fortgeführt. Die monoton aufgereihten Fenster mit kantigen Gewänden wie auch die Durchfahrt in breiten, gedrückten Proportionen entsprechen jedoch dem Formenkanon der nationalsozialistischen Architektur. Der ausgedehnte Innenhof mit seinen weiß verputzten Fassaden ist sehr schlicht gehalten. Lediglich die Eingänge und die Durchfahrten besitzen Gewände aus Kalkstein. Nach dem misslungenen Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wurden in diesem Hof die Anführer der Verschwörung, unter ihnen Claus Graf Schenk v. Stauffenberg, erschossen. Daran erinnert das Ehrenmal für die Opfer des 20. Juli 1944 in Gestalt eines nackten, gefesselten Jünglings, der den Geist des Widerstands verkörpert. Die Bronzefigur von Richard Scheibe wurde 1953 aufgestellt. (4) In den ehemaligen Büros der Offiziere im zweiten Obergeschoss ist die Gedenkstätte Deutscher Widerstand mit einer Ausstellung über den Widerstand im Nationalsozialismus eingerichtet.

Das Gebäude wurde 1945 schwer beschädigt, aber in der Nachkriegszeit teilweise wieder aufgebaut, wobei man die seitlichen Trakte abbrach. Das Bundesministerium der Verteidigung ließ das Reichsmarineamt 1997-2001 herrichten und restaurieren.


1) Der engere Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein Dienstgebäude der obersten Marinebehörden in Berlin. In: Deutsche Bauzeitung 44 (1910), S. 773-778; Das neue Dienstgebäude der obersten Marinebehörden. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1914, S. 3; Das Reichsmarineamt. In: Bauwelt 1 (1910), Heft 13, S. 17, Heft 27, S. 23; Meyer, G.: Der Neubau eines Dienstgebäudes für die obersten Marinebehörden. In: Zentralblatt der Bauverwaltung (34) 1914, S. 405-409; Wirth 1955, S. 104-105; BusB III, S. 16, 41; Grzywatz, Berthold: Die obersten Marinebehörden, das Reichswehrministerium und das Oberkommando der Wehrmacht, Reichpietschufer 72-76/Stauffenbergstraße 11-14. In: Geschichtslandschaft 1989, S. 277-298; Schäche 1991, S. 368-370; Fischer, Burckhardt: Bundesministerium der Verteidigung, Berliner Dienstsitz. In: Hauptstadt Berlin. Denkmalpflege für Parlament, Regierung und Diplomatie. Berlin 2000, S. 135-138; Dehio Berlin 2000, S. 430-431; Dürre 2001, S. 129.

2) Die Sozietät wurde von Richard Bielenberg (1871-1929) und Josef Moser (1872-1963) gegründet. Auch nach dem Tod Bielenbergs firmierte das Büro unter "Bielenberg & Moser". Die Firma Krupp & Druckenmüller war als Bauunternehmen für die Ausführung zuständig.

3) Der Bendlerblock ist nach der Bendlerstraße (heute Stauffenbergstraße) benannt. Der Name verweist auf Ratsmaurermeister Johann Bendler (1789-1873), der die Straße 1837 auf eigene Kosten anlegen ließ.

4) Wirth 1955, S. 223; Endlich/Wurlitzer 1990, S. 165-166.

Literatur:

  • Deutsche Bauzeitung 44 (1910) / Seite 773-778
  • Bauwelt 1 (1910) 13 / Seite 17
  • Bauwelt 1 (1910) 27 / Seite 23
  • Berliner Architekturwelt 17 (1914/15) / Seite 405-09
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 34 (1914) 55 / Seite 104f.
  • Inventar Tiergarten, 1955 / Seite .
  • Schmitt, E.: Öffentliche Verwaltungsgebäude, Leipzig 1946 / Seite .
  • Seeger, H.: Öffentliche Verwaltungsgebäude, Leipzig 1943 / Seite 41
  • BusB III 1966 / Seite 45
  • Bahlinger, G., u.a.: Tiergarten - Vom kurfürstlichen Jagdbezirk zum Stadtbezirk im Stadtzentrum Berlins, Berlin 1986 / Seite 277-298
  • Grzywatz, Berthold: Die obersten Marinebehörden, das Reichswehrministerium und das Oberkommando der Wehrmacht, in: Geschichtslandschaft, Tiergarten 1, 1989 / Seite 468
  • Dehio, Berlin, 1994 / Seite 368ff
  • Schäche, Architektur, 1991 / Seite 92,93
  • Hauptstadtplanung und Denkmalpflege. Die Standorte für Parlament und Regierung in Berlin, Berlin 1995 / Seite 128ff.
  • Topographie Mitte/Tiergarten, 2005

Teilobjekt Gedenkstätte für die Opfer des 20. Juli 1944

Teil-Nr. 09050300,T,001
Sachbegriff Gedenkstätte & Skulptur
Datierung 1953
Entwurf Scheibe, Richard

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen