Denkmaldatenbank

Zellengefängnis Moabit

Obj.-Dok.-Nr. 09050274
Bezirk Mitte
Ortsteil Moabit
Adressen Lehrter Straße 5B, 5C, 5D

Invalidenstraße 54, 55
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Gefängnis
Datierung 1842-1849
Umbau 1888, 1897
Entwurf Busse, Carl Ferdinand (Architekt)
Bauherr Staat Preußen

Zwischen der Lehrter Straße und dem Bahngelände erstreckt sich ein unbebautes Areal mit Kleingärten, Spontanvegetation, einigen wenigen Gebäuden und einem Friedhof. Auf diesem Gelände stand früher das 1842-49 erbaute Zellengefängnis Moabit, Lehrter Straße 5B-D und Invalidenstraße 54-55, das 1957-58 bis auf einige Reste abgebrochen wurde. (1) Die von Carl Ferdinand Busse entworfene Musterstrafanstalt war das erste Zellengefängnis in Deutschland. Die isolierte Einzelhaft wurde hier erstmals konsequent umgesetzt. Als Vorbild diente das Zellengefängnis von Pentonville bei London. (2) Das dort verwendete panoptische System, das auch in Moabit übernommen wurde, stammte aus den USA: Das nahe gelegene Untersuchungsgefängnis Moabit zeigt anschaulich die Weiterentwicklung des Bautyps. Die Strafanstalt war festungsähnlich angelegt. An der Lehrter Straße stand ein dreiflügeliges Eingangsgebäude, dahinter folgte das eigentliche Gefängnis mit einem zentralen Überwachungsturm und fünf sternförmig angeordneten Zellentrakten. An den Ecken der sechseckigen Ringmauer, die das Gefängnis umschloss, waren wehrhafte, turmartige Wohngebäude angeordnet, in denen die Gefängnisaufseher lebten.

Der nördliche und südliche Teil dieser Ringmauer ist erhalten geblieben. Außerdem haben drei Beamtenwohnhäuser den Abbruch des Zellengefängnisses überdauert. Der Eckturm Lehrter Straße 5D gehört noch zum ursprünglichen Bestand, das Wohnhaus Lehrter Straße 5C kam 1888 hinzu, während das Wohnhaus Lehrter Straße 5B 1897 errichtet wurde. Die verbliebenen Gebäude und Mauern vermitteln noch einen Eindruck von der Größe und der bedrückenden Anstaltsarchitektur. Die Gebäude wirken wie Türme einer festungsähnlichen Bewehrung, denn sie wenden sich mit geschlossenen, fensterlosen Wandflächen dem früheren Gefängnishof zu. Zusammen mit der mächtigen Mauer sollte von ihnen eine Furcht einflößende, abschreckende Wirkung ausgehen. Die auskragende, von Konsolen getragene Attika lässt den englisch-gotischen Stil der verschwundenen Gefängnisanlage erahnen.

Diese ältesten Gefängnisreste stehen auch für ein bedeutendes Kapitel Berliner Sozialgeschichte. Die Einzelhaft wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts als fortschrittliche Methode gewertet, um Straftäter vor Rückfällen zu bewahren. Die gegenseitige negative Beeinflussung der Gefangenen untereinander sollte unterbunden werden. Der christliche Sozialreformer und Begründer der Inneren Mission Johann Hinrich Wichern hat im Auftrage des Königs Friedrich Wilhelm IV. in Moabit erstmals ein Gefängnis dieser Art organisiert. Bekannte Gefangene waren 254 polnische Freiheitskämpfer, die mit ihrem Anführer Ludwyk Mieroslawski 1846 in Moabit einsaßen, der spätere "Hauptmann von Köpenick" Wilhelm Voigt, der Kaiserattentäter Max Hödel und der Mitbegründer der KPD Karl Radek. Im Moabiter Gefängnishof wurden auch Hinrichtungen durchgeführt.


1) Ortloff, Hermann: Das Zellengefängniß zu Moabit bei Berlin. Gotha 1861; Wilke, Karl: Bau, Einrichtung und Verwaltung der Königlichen neuen Strafanstalt (Zellengefängnis) bei Berlin. Berlin 1872; BusB 1877, Bd. 1, S. 230-232; BusB 1896, Bd. 2, S. 342-345; Die Strafanstalten und Gefängnisse in Preußen. Erster Teil: Anstalten in der Verwaltung des Ministeriums des Innern. Hrsg. v. Carl Krohne und Rudolf Uber. Berlin 1901, Bl. 60-63; Schimpf, W.: Das Zellengefängnis Lehrter Straße in Berlin. In: Zeitschrift für Strafvollzug 5 (1950), S. 1-10; Wirth 1955, S. 97; Geist/Kürvers 1980, S. 389-408; Hoffmann, Andreas: Zellengefängnis Lehrter Straße 1-5. In: Geschichtslandschaft 1987, S. 311-326; Becker/Jacob/Hellweg/Schmoll 1991, S. 52-58; Schäche, Wolfgang: Das Zellengefängnis Moabit. Zur Geschichte einer preußischen Anstalt. Berlin 1992.

2) Das Gefängnis von Pentonville wurde nach Plänen von Crawford und Russel 1840-42 erbaut. Busse unternahm 1841 eine Studienfahrt nach England, wo er das Zellengefängnis in Pentonville besichtigte, siehe Behrendt, Walter Curt: Carl Ferdinand Busse. Ein preußischer Baubeamter. In: Zentralblatt der Bauverwaltung 52 (1932), S. 634-635; Geist/Kürvers 1980, S. 397.

Literatur:

  • Inventar Tiergarten, 1955 / Seite 97
  • Hoffmann, Andreas/ Zellengefängnis =Geschichtslandschaft, Tiergarten 2, 1987 / Seite 311-326
  • Schäche, Wolfgang, Das Zellengefängnis Moabit, Berlin 1992 / Seite (dort weitere Lit.)
  • Katamon Exposé / Seite 20.01.1995
  • Wo man einst "im Dreieck sprang" =Berliner Zeitung / Seite 253
  • Topographie Mitte/Tiergarten, 2005

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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