Denkmaldatenbank

Kongreßhalle

Obj.-Dok.-Nr. 09050270
Bezirk Mitte
Ortsteil Tiergarten
Adressen John-Foster-Dulles-Allee 10
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kongresshalle
Entwurf 1955
Datierung 1956-1957
Umbau 1960, 1984-1987
Entwurf Stubbins, Hugh A. (Architekt)
Entwurf Düttmann, Werner & Mocken, Franz (Architekt)
Entwurf Bomhard, Helmut (Ingenieur)
Entwurf Borchard, Wolf-Rüdiger (Architekt)
Bauherr Benjamin-Franklin-Stiftung

Die Kongresshalle, John-Foster-Dulles-Allee 10 wurde 1956-57 von Hugh A. Stubbins unter Mitarbeit von Werner Düttmann und Franz Mocken als amerikanischer Beitrag zur Internationalen Bauausstellung 1957 errichtet. (1) Der Standort am Spreebogen, in der Achse des Reichstags, nahe der Sektorengrenze, wurde bewusst ausgewählt, denn die Kongresshalle, ein Geschenk der USA, sollte die Verbindung West-Berlins mit der freien Welt zum Ausdruck bringen und die kulturelle Überlegenheit der demokratischen Gesellschaft des Westens demonstrieren. Die Kongresshalle wurde als Sinnbild geistiger Freiheit und deutsch-amerikanischer Freundschaft verstanden.

Das markante Gebäude mit seinem geschwungenen Dach, das wie eine "urbane Skulptur" wirkt, spiegelt sich in zwei großen, rechteckigen Wasserbecken. Über einen asymmetrisch angeordneten Steg gelangt man zu einer Freitreppe, die auf eine nahezu quadratische Plattform führt. Dort erhebt sich über einem eiförmigen Grundriss der Oberbau der Hallenkonstruktion mit dem Auditorium und dem weit überstehenden anmutigen Spannbetondach. (2) Die kühn konstruierte, zweifach gekrümmte Dachschale, die nur an zwei Punkten den Boden berührt, bildet das architektonische Markenzeichen der Kongresshalle. Eine frei tragende Konstruktion dieser Spannweite war in den 1950er Jahren noch nicht ausführbar. Daher wurde die Last des auskragenden Dachbalkens auf einen Ringanker abgeleitet, der auf den Wänden des Auditoriums ruhte. In der Frontstadt des Kalten Krieges wurde das geschwungene Betondach sofort mit einer politischen Botschaft aufgeladen. Das Meisterstück neuzeitlicher Ingenieurkunst symbolisierte Freiheit und Modernität. Plattform und Freitreppe sind ausschließlich als gestalterische Motive zu verstehen, denn sie dienen nicht der Erschließung der Kongresshalle. Der Haupteingang befindet sich, hinter den Wasserbecken, im Sockelbereich. An das großzügige Foyer schließen sich Garderoben, Sitzungs- und Ausstellungssäle sowie ein Restaurant an. Über eine Zwischenebene und eine frei in den Raum gehängte Treppe gelangt man zum Eingang des Auditoriums. Der eiförmige Mehrzweckraum wurde für Kongresse und Tagungen aller Art genutzt. Mehrfach diente er dem Bundestag als Parlamentssaal, der mit seinen Sitzungen in Berlin die Zugehörigkeit West-Berlins zur Bundesrepublik Deutschland demonstrieren wollte. (3) Aufsehen erregte der Einsturz der Kongresshalle am 21. Mai 1980. Durch Materialermüdung brach der südliche Randbalken des Spannbetondachs ab. Angesichts der politischen und symbolischen Bedeutung der Kongresshalle wurde ein Wiederaufbau in Angriff genommen, der bis 1987 dauerte. Das Betondach wurde, den ursprünglichen Vorstellungen entsprechend, nun tatsächlich als frei tragende Konstruktion ausgeführt. Die Lasten werden über kräftige Randbalken zu den beiden seitlichen Widerlagern abgeleitet. Die Kongresshalle, heute Haus der Kulturen der Welt, wird als Veranstaltungs- und Kulturzentrum genutzt.

Die Gestaltung der Außenanlagen an der Kongresshalle 1956 bis 1958 sollte die künstlerisch-architektonische Wirkung des Gebäudes akzentuieren und es in die umgebende Stadtlandschaft mit dem Großen Tiergarten im Süden sowie der Spree im Norden und Westen einbinden. (4) An der Freiraumgestaltung wirkten mehrere Architekten und Gartenarchitekten mit. Hugh A. Stubbins lieferte die Entwürfe für das der Halle südlich vorgelagerte große rechteckige Spiegelwasserbecken, das eine Steganlage asymmetrisch teilt. Er gestaltete auch die anschließende großzügige Freitreppe und die Aussichtsplattform um das Auditorium mit ihrem gerasterten Belag großformatiger Waschbetonplatten. Der beim Senator für Bau- und Wohnungswesen tätige Gartenarchitekt Hans Migge erstellte den Gesamtentwurf für die umgebenden Grünanlagen. Bei der Geländemodellierung entsprach er den Forderungen Stubbins'. Zur Betonung der räumlichen Wirkung und der Bedeutung der Haupthalle mit ihrer eigenwilligen Dachkonstruktion wurde das Gebäude auf einer sanft ansteigenden Anhöhe errichtet. Zudem sind die Grünanlagen im Querprofil starke ausgemuldet. Von der Anschüttung wurden die in Erdgeschosshöhe gelegenen Höfe, der westliche Ausstellungs- und der östliche Delegiertengarten ausgespart. Willy Alverdes gestaltete sie regelmäßig mit Rastern aus Granitpflaster, eingefasst von Streifen aus dunklen Colomentplatten, wobei er nur wenige Rasen- beziehungsweise Pflanzflächen aussparte. Stützmauern fangen die Höhenunterschiede nördlich und südlich der Höfe auf.

An der Spreeseite entstand nach Entwurf von Düttmann und Mocken eine Schiffsanlegestelle mit Hafenplattform, von der breite terrassenförmige Treppen den Zugang vom Wasser eröffnen. Eine Uferpromenade führt an den sorgfältig modellierten Böschungen nordwestlich des Gebäudes entlang und umgibt an der Nordseite den fast dreieckigen Parkbereich zwischen Spree und John-Foster-Dulles-Allee. Hans Migge entwarf die raumbildenden Gehölzgruppen und Solitärs, die um einen Randweg entlang einer großen Wiesenmulde angeordnet sind. Mehrere von Blumenbeeten begleitete Sitzplätze in Nähe des Uferweges bieten wechselnde Aussichten auf die Spreelandschaft, in den Tiergarten und auf die Kongresshalle. Einzelheiten der Gestaltung wie die Form und die Beläge der Sitzplätze aus Colomentplatten, die Ausbildung von Treppen und Stützmauern sowie die Gehölz- und Staudenverwendung sind auf den Leiter des Gartenbauamtes Tiergarten, Willy Alverdes, zurückzuführen. Unter Alverdes und seiner Bauleiterin Anna-Lore Waschnek entstand in Abstimmung mit den Hochbauarchitekten auch der Vorplatz am Spiegelbecken, mit der Pflasterung aus Colomentplatten in verschiedenen Grautönen, formalen Kleinsteinmosaik-Feldern und ausgesparten Pflanzflächen. Dazu gehören auch der Steg mit seinen flankierenden Pflanzstreifen und den seitlichen Rasenflächen zwischen Bassin und der repräsentativen, rötlich getönten Vorfahrt. Einige Wacholder und Immergrüne sowie Stauden und Ziersträucher beleben die Randbereiche. Alverdes sorgte auch für eine Einbindung des Gebäudes in die Parklandschaft des Großen Tiergartens. Mit dem Ziel, die Kongresshalle in ihrer Bedeutung als modernen Bau und internationale Begegnungsstätte hervorzuheben, ließ er von der Straße des 17. Juni eine Schneise keilförmigen Zuschnitts bis zur heutigen John-Foster-Dulles-Allee in den Baumbestand schlagen. Diese über einen kleinen Teich führende Sichtachse sollte die Halle in ihrer perspektivischen Wirkung von Süden akzentuieren. Sie zeichnet sich trotz späterer Anpflanzungen noch im Gelände ab.

Anlässlich der 750-Jahrfeier Berlins wurde 1987 die Bronzeplastik "Large Divided Oval:Butterfly", eine abstrakte Skulptur des englischen Künstlers Henry Moore, vor der Kongresshalle aufgestellt. Die monumentale, 1986 in der Bildgießerei Noack in Berlin-Friedenau gegossene Bronzeplastik ist die letzte öffentliche Arbeit des international bedeutenden Künstlers. Sie besitzt die Form eines Kugelsegments und ruht auf einem Punkt ihrer Rundung. Die runden ausladenden seitlichen Formen werden im Zentrum vorn zusammengeführt. Die nach oben geöffnete halbrunde Grundform der abstrakten Gestalt korrespondiert mit der konkaven Dachkantenwölbung der Kongresshalle. Die Aufstellung im westlichen "reflecting pool" unterstützt die Wirkung des scheinbaren Schwebens trotz der Monumentalität der Skulptur.


1) Kongreßhalle Berlin. Feier zur Grundsteinlegung am 3. Oktober 1956. Hrsg. von der Benjamin-Franklin-Stiftung. Berlin 1956; Kongreßhalle Berlin. Feier zur Eröffnung am 19. September 1957. Hrsg. von der Benjamin-Franklin-Stiftung. Berlin 1957; Die Kongreßhalle Berlin der Benjamin-Franklin-Stiftung. In: Bauwelt 48 (1957), S. 590-591; Kongreßhalle Berlin. [Berlin 1957]; BusB IX, S. 250-253; Berlin: Zum Kongreßhallen-Einsturz. In: Bauwelt 71 (1980), S. 895; Bomhard, Helmut, Kraemer, Udo und Mainz, Jürgen: Wiederaufbau der Kongreßhalle - Konstruktion und Bau. In: Bauingenieur 61 (1986), S. 569-576; Berlin baut 2. Die Kongreßhalle. Geschichte, Einsturz, Wiederaufbau. Hrsg. vom Senator für Bau- und Wohnungswesen. Berlin 1987; Reissig, Harald: Die Kongreßhalle, John-Foster-Dulles-Allee 10. In: Geschichtslandschaft 1989, S. 163-175; Barkow, Frank: Forum der öffentlichen Rede. Die Kongreßhalle von Hugh Stubbins. In: Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert der Kunst in Deutschland. Architektur in Berlin. Hrsg. v. Andres Lepik und Anne Schmedding. Köln 1999, S. 56-57; Dehio Berlin 2000, S. 432-433.

2) Die Dachschale besitzt ein einbetoniertes Seilnetz, das stabilisierend wirkt. Vorbild war die Sporthalle von Raleigh (North Carolina, USA), die 1950-53 von Matthew Nowicki errichtet wurde. Deren Seilkonstruktion ist an zwei Randbalken aufgehängt.

3) 1957 fand die konstituierende Sitzung des 3. Deutschen Bundestags in der Kongresshalle statt. 1965 kam der Bundestag letztmals in der Berliner Kongresshalle zu einer Sitzung zusammen. Die alliierten Mächte, bedrängt von der Sowjetunion, untersagten weitere Bundestagssitzungen in Berlin. Der Reichstag konnte in den 1950er und 1960er Jahren noch nicht benutzt werden. Der Ausbau des Plenarsaals war erst 1971 abgeschlossen.

4) Alverdes W., Die Kongresshalle wird in den Tiergarten einbezogen. In: Das Gartenamt 7 (1958) Heft 6, S. 129 f.; Barkow, Frank, Forum der öffentlichen Rede. Die Kongreßhalle von Hugh Stubbins. In: Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert der Kunst in Deutschland. Architektur in Berlin. Hrsg. von Andres Lepik und Anne Schmedding, Köln 1999; BusB IX, S. 250-253; Die Kongreßhalle Berlin der Benjamin-Franklin-Stiftung. In: Bauwelt 48 (1957), S. 590 f.; Bournot, Helmut, Koordinierung und Gesamtplanung der Grünflächen im Hansaviertel Berlin. In: Garten und Landschaft 67(1957) Heft 10, S. 256 f.; Kuhn, Jörg, Büro Müller & Altmeyer, Erfassung/ Inventarisation der plastischen Denkmäler, Brunnen und anderer Werke der bildenden Kunst im öffentlichen Raum im Ortsteil Tiergarten des Bezirks Mitte von Berlin. Gutachten i. A. des LDA Berlin, Fachreferat Gartendenkmalpflege, Berlin 2003, Teil 1, Objekt Nr. 10.; Stubbins, H., Die architektonische Konzeption. In: Berlin Baut 2. Die Kongreßhalle. Geschichte, Einsturz, Wiederaufbau. Hrsg. vom Senator für Bau und Wohnungswesen. Berlin 1987, S. 54 f.; Stubbins, Hugh, Kongreßhalle. In: Wiederaufbau Hansaviertel Berlin, Interbau Berlin 1957. Hrsg. Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin, Berlin 1957, S. 138-141.

Literatur:

  • Kabel, Heike: Die Berliner Kongreßhalle, Magisterarbeit, FB Kunstgeschichte der FU Berlin 1992 / Seite (dort ausf. Lit.)
  • Alverdes W.: Die Kongresshalle wird in den Tiergarten einbezogen, in: Das Gartenamt 7 (1958) 6 / Seite 129 f.
  • BusB IX 1971 / Seite 250-253
  • Barkow, Frank: Forum der öffentlichen Rede. Die Kongreßhalle von Hugh Stubbins, in: Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert der Kunst in Deutschland. Architektur in Berlin, Köln 1999 / Seite .
  • Die Kongreßhalle Berlin der Benjamin-Franklin-Stiftung, in: Bauwelt 48 (1957) / Seite 590 f
  • Bournot, Helmut: Koordinierung und Gesamtplanung der Grünflächen im Hansaviertel Berlin, in: Garten und Landschaft 67 (1957) 10 / Seite 256 f.
  • Stubbins, H., Die architektonische Konzeption, in: Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin (Hrsg.): Berlin Baut 2. Die Kongreßhalle. Geschichte, Einsturz, Wiederaufbau, Berlin 1987 / Seite 54 f.
  • Bomhard, Helmut: Die Konstruktion der neuen Halle, in: Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin (Hrsg.): Berlin Baut 2. Die Kongreßhalle. Geschichte, Einsturz, Wiederaufbau, Berlin 1987 / Seite 36-43
  • Bomhard, Helmut: Vorschlag Dyckerhoff Widman AG - Der Ausführungsentwurf, in: Bautechnik 64 (1987) 4 / Seite 131-134
  • Stubbins, Hugh: Kongreßhalle, in: Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin (Hrsg.): Wiederaufbau Hansaviertel Berlin, Interbau Berlin 1957, Berlin 1957 / Seite 138-141
  • Topographie Mitte/Tiergarten, 2005 / Seite 111ff.
  • Lorenz, Werner; May, Roland; Staroste, Hubert: Ingenieurbauführer Berlin, Petersberg 2020 / Seite 194-197

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