Denkmaldatenbank

Wohnanlage Alt-Moabit 55, 55A, 55B, 55C, 55D, 55E, 56, 56A, 56B, 56C, 56D

Obj.-Dok.-Nr. 09050222
Bezirk Mitte
Ortsteil Moabit
Adressen Alt-Moabit
55, 55A, 55B, 55C, 55D, 55E, 56, 56A, 56B, 56C, 56D
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Wohnanlage
Datierung 1910-1911
Umbau 1953-1954
Ausführung Mattheus, Adolph (Maurermeister)
Bauherr Erbbauverein Moabit

Der dreieckige Gewerbestandort nördlich der Gotzkowskybrücke wird von der Straße Alt-Moabit begrenzt, die an der Beusselstraße endet, um in die Kaiserin-Augusta-Allee überzugehen. Im umliegenden Stadtgebiet wurden um 1900 vor allem großstädtische Mietshäuser mit Seiten- und Quergebäuden errichtet. Die einfachen, beengten Wohnungen waren für Arbeiter vorgesehen, die in dem benachbarten Industriegebiet Martinickenfelde beschäftigt waren. Mitten in diesem dicht bebauten Arbeiterquartier befindet eine bedeutende genossenschaftliche Wohnanlage des frühen 20. Jahrhunderts. Die 1911 errichtete Wohnanlage des Erbbauvereins Moabit, Alt-Moabit 55-56D verdeutlicht das Bestreben, die katastrophalen Wohnverhältnisse in den Arbeitermietshäusern durch eine Wohnreform zu überwinden. (1) Für minderbemittelte Bevölkerungsschichten sollte ein Mindeststandard an Wohnkomfort geschaffen werden. Die Grundrisseiteilung und Ausführung der Anlage übernahm Maurermeister Adolph Mattheus. Das sehr tiefe Grundstück wird an der Straße, wie es bis dahin üblich war, von Vorderhäusern abgeriegelt, die den geschlossenen Blockrand fortsetzen. Durchschreitet man jedoch die korbbogige Durchfahrt, dann gelangt man in einen lang gestreckten begrünten Innenhof. Dem linken Seitengebäude steht ein rechtes Seitengebäude gegenüber, das mit Querbauten kammartig angelegt ist. Leider fehlt das kriegszerstörte Hintergebäude, das einst den Hof abschloss. Der Wohnhof mit Gartenanlage und Spielplatz war ein Gegenmodell zur engen Hinterhofbebauung. (2) Die zum Wohnhof oder zu den rückwärtigen Nebenhöfen ausgerichteten Wohnungen erhalten ausreichend Licht, Luft und Sonne. Die Anlage umfasste ursprünglich 178 Wohneinheiten mit ein bis drei Zimmern, teilweise mit Bad und Balkon. Es überwiegen Einzimmerwohnungen, die für arme Arbeiterfamilien gedacht waren. In den Vorderhäusern waren Läden für den täglichen Bedarf eingerichtet. Die Fassadengestaltung mit Elementen des Landhausstils ging durch Kriegseinwirkung, vor allem aber durch die Beseitigung des Dekors 1960 überwiegend verloren. Die schlichte, sachliche Fassade unter einem ziegelgedeckten Dach wird durch Balkone und eingeschnittene Loggien gegliedert. Der Werksteinsockel, die Hauseingänge und Treppenhäuser künden von der architektonischen Qualität der gemeinnützigen Wohnanlage. (3)


1) Die gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft Erbbau-Verein Moabit eGmbH wurde 1904 von 27 Mitgliedern der Moabiter Ortsgruppe des Bundes Deutscher Bodenreformer gegründet. Da man nach bodenreformerischen Grundsätzen bei den geplanten Bauvorhaben in erster Linie das Erbbaurecht zur Anwendung kommen sollte, von dem man sich eine Senkung der Wohnungsmiete versprach, wurde der Genossenschaft der Name "Erbbau-Verein Moabit" gegeben. Einen großen Anteil der Mitglieder machten gering besoldete Reichs- und Staatsbeamte, weil die Genossenschaft so in den Genuss billiger Staatshypotheken zur Finanzierung ihrer Bauvorhaben kam. Siehe Geschichte der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft in Berlin. Hrsg. vom Verband Berliner Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften e.V. Berlin 1957, S. 75, 200; 25 Jahre Erbbauverein Moabit. Berlin 1929, S. 6. BusB IV A, S. 238.

2) Die städtebauliche Figur des Wohnhofs, die bei den Gartenstadtsiedlungen als auch beim innerstädtischen Genossenschaftsbau zur Überwindung überkommener Baustrukturen nach der Jahrhundertwende zur Anwendung kam, ist eine Rezeption der bereits in älteren deutschen und niederländischen Stadtanlagen vorkommenden gemeinschaftlicher Wohnformen (Fuggerei in Augsburg, Wohngänge in Lübeck und Hamburg).

3) Die kriegszerstörten hinteren Häuser der beiden Seitenflügel, Eingänge 55 E und 56 D, wurden 1953-54 wiederaufgebaut, ohne die bauliche Gesamtwirkung zu beeinträchtigen. Das Quergebäude, welches die Anlage nach hinten abschloss, wurde ebenfalls zerstört, ist jedoch nicht wieder ersetzt worden.

Literatur:

  • Katamon Exposé / Seite 9
  • 25 Jahre Erbbauverein Moabit. Berlin 1929 / Seite 238
  • BusB IV A 1970 / Seite 75, 200
  • Geschichte der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft in Berlin. Hrsg. vom Verband Berliner Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften e.V. Berlin 1957 / Seite 234
  • Topographie Mitte/Tiergarten, 2005

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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