Denkmaldatenbank

Philharmonie

Obj.-Dok.-Nr. 09050203
Bezirk Mitte
Ortsteil Tiergarten
Adressen Herbert-von-Karajan-Straße 1
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Konzertsaal
Entwurf 1956
Datierung 1960-1963
Umbau 1975, 1978-1981, 1987
Entwurf Scharoun, Hans (Architekt)
Entwurf Weber, Werner (Architekt)
Entwurf & Ausführung Wisniewski, Edgar (Architekt)
Entwurf & Ausführung Wisniewski, Edgar (Architekt)
Entwurf & Ausführung Wisniewski, Edgar (Architekt)
Ausführung Dyckerhoff und Widmann (Baufirma)
Bauherr Konzerthaus GmbH

Die 1960-63 erbaute Philharmonie, Herbert-von-Karajan-Straße 1, verkörpert den demokratischen Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. (1) Hans Scharoun entwarf ein dynamisch schwingendes Gebäude, wobei er bewusst auf alle traditionellen Repräsentationsgesten verzichtete. Aus dem niedrigen Eingangsbereich wächst der polygonale, fast fensterlose Saalbau hervor, dessen Dach in mehreren Schwüngen zeltartig ansteigt, um mit einer geflügelten Dachplastik von Hans Uhlmann zu enden. (2) Der Außenbau war anfangs ockerfarben verputzt. Nach den Vorstellungen des Architekten wurden 1978-81 golden schimmernde Aluminiumplatten angebracht, die einen diaphanen Glanz erzeugen. (3) Hans Scharoun entwickelte eine neuartige Saalkomposition, bei der die "Musik im Mittelpunkt" steht. Der Saalgrundriss ergibt sich aus drei übereinander gelegten und gegeneinander verdrehten Fünfecken. Das Podium in der Raummitte ist allseitig von gestaffelten, räumlich versetzten Zuschauerrängen umgeben. Die Gemeinschaft der Zuhörer kann sich vollkommen auf das Orchester und die Musik konzentrieren. Die ansteigenden Zuschauerränge vereinen sich mit den an der aufstrebenden Decke angebrachten pyramidenförmigen Schallreflektoren, den frei schwingenden Schallsegeln und den abgehängten Lampen zu einem lebendigen Raumgefüge. Scharoun verstand die zeltartige Decke als eine der "Landschaft" des Saals gegenüber gestellte "Himmelschaft". Das fantasievoll gestaltete Foyer, das sich halbkreisförmig um den Saal legt, erweckt mit seinen zahlreichen Treppen, Gängen, Betonstützen und Galerien einen labyrinthischen Eindruck. Die eingestellten Treppenaufgänge scheinen richtungslos durch den Raum zu schweben, folgen aber einem Verkehrskonzept, das den breiten Strom der Zuschauer aus dem Foyer zu ihren Plätzen in den verschiedenen Saalbereichen kanalisiert. Hans Scharoun engagierte mehrere Künstler, die aus der Philharmonie ein Gesamtkunstwerk von Architektur und Design machten. Alexander Camaro fertigte vier Farbglaswände, bestehend aus runden Glasbausteinen, die in Beton eingebettet sind. Die Natursteinkomposition des Foyerbodens geht auf einen Entwurf von Erich F. Reuter zurück. Die kugelförmigen Leuchten, zusammengesetzt aus kleinen Fünfeckflächen aus Polyamid, wurden von Günter Ssymmank für die Philharmonie entwickelt. Bernhard Heiliger schuf die Aluminiumplastik "Auftakt 63" im Eingangsbereich. Im oberen Foyer stehen Porträtplastiken der Dirigenten des Philharmonischen Orchesters. (4)

Die Philharmonie bildet mit dem Kammermusiksaal und dem Staatlichen Institut für Musikforschung, zwei Nebengebäuden, die von Edgar Wisniewski nach Studien Hans Scharouns ausgeführt wurden, eine gestalterische Einheit. Östlich schließt sich das 1978-84 erbaute Staatliche Institut für Musikforschung mit dem Musikinstrumentenmuseum an. (5) Dem zweigeschossigen Institutstrakt, der sich um einen rechteckigen Innenhof legt, ist ein organisch komponierter Museumsflügel angefügt. Quergestellte Sheds belichten den zentralen Ausstellungsraum, um den sich kleinere Kabinette gruppieren, wobei Edgar Wisniewski die Materialien und architektonischen Details der Philharmonie übernahm. Das sieht man an dem labyrinthischen Spiel verschiedener Ebenen und Galerien. Der 1984-87 errichtete Kammermusiksaal (6) beruht auf einer 1968 angefertigten Skizze Hans Scharouns. Edgar Wisniewski führte das Gebäude deutlich größer aus, sodass es fast gleichwertig der Philharmonie gegenübersteht. Mit dem zeltartig geschwungenen Dach und dem zentralisierten Innenraum setzt der Kammermusiksaal die Architektur der Philharmonie fort. Edgar Wisniewski wiederholte Materialien und Formen der zwanzig Jahre älteren Philharmonie. Das betrifft die Treppen und Geländer, die Wandscheiben mit ihren kreisrunden Durchblicken, die Kugelleuchten von Paul Ssymmank und die Farbglaswände von Alexander Camaro. Kammermusiksaal, Philharmonie und Staatliches Institut für Musikforschung sind über eine durchgehende "Foyerlandschaft" miteinander verbunden.

Nördlich der Philharmonie wurde 1984 ein Abguss der 1959 von Gerhard Marcks modellierten Plastik "Orpheus" aufgestellt. (7) Die schmale Gestalt des mythischen Sängers, der eine Geige hält, aber den Bogen gedankenversunken an seine Stirn drückt, versinnbildlicht die geistige Kraft der Musik. Die Metallplastiken "Echo I" und "Echo II", die seit 1988 vor dem Kammermusiksaal stehen, stammen von Bernhard Heiliger, (8) der die abstrakten Kompositionen als Gleichnis für kosmische Kräfte, Energien und Prozesse verstand. Den flächigen, absichtsvoll rostigen Scheiben sind raumgreifende Stäbe und Kugeln spannungsvoll entgegengesetzt.


1) Die Berliner Philharmonie. In: Bauwelt 55 (1964), Heft 1/2 (mit mehreren Beiträgen); Blundell Jones, Peter: Hans Scharoun. Eine Monographie. Stuttgart 1980, S. 36-42; BusB V A, S. 140-147, 155-156; Hoffmann, Andreas: Philharmonie, Matthäikirchstraße 1. In: Geschichtslandschaft 1989, S. 241-249; Hans Scharoun. Bauten, Entwürfe, Texte. Hrsg. v. Peter Pfankuch. 2. Auflage Berlin 1993, S. 279-297, 401-404; Wisniewski, Edgar: Die Berliner Philharmonie und ihr Kammermusiksaal. Der Konzertsaal als Zentralraum. Berlin 1993; Bärnreuther, Andrea: Himmelschaft und Weinberge. Die Philharmonie von Hans Scharoun. In: Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert der Kunst in Deutschland. Architektur in Berlin. Hrsg. v. Andres Lepik und Anne Schmedding. Köln 1999, S. 68-69; Dehio Berlin 2000, S. 435.

2) Endlich/Wurlitzer 1990, S. 156.

3) Die Platten hatte bereits Hans Scharoun vorgesehen, auf sie musste aber aus Kostengründen 1960-63 verzichtet werden. Es handelt sich um eloxierte, kunststoffüberzogene Aluminiumplatten.

4) Hans v. Bülow (von Richard Hess), Arthur Nikisch (von Hugo Lederer), Wilhelm Furtwängler (von Alexander Archipenko). Die Büste von Hans Scharoun im unteren Foyer schuf Margarete Moll.

5) Zwoch, Felix: Staatliches Institut für Musikforschung mit Musikinstrumentenmuseum in Berlin. In: Bauwelt 76 (1985), S. 796-798; Dehio Berlin 2000, S. 435-436.

6) BusB V A, S. 147-149; Berlin baut 4. Der Kammermusiksaal. Hrsg. vom Senator für Bau- und Wohnungswesen. Berlin 1987; Wisniewski, Edgar: Die Berliner Philharmonie und ihr Kammermusiksaal. Der Konzertsaal als Zentralraum. Berlin 1993; Dehio Berlin 2000, S. 435.

7) Endlich/Wurlitzer 1990, S. 181; Rudloff, Martina: Gerhard Marcks. Das Plastische Werk. Werkverzeichnis. Hrsg. v. Günter Busch. Frankfurt am Main-Berlin-Wien 1977, S. 69, 402. Gerhard Marcks fertigte die Bronzefigur 1959 für das Stadttheater Lünen an. In Berlin ist ein Nachguss aufgestellt.

(8) Endlich/Wurlitzer 1990, S. 156-157; Salzmann, Siegfried und Romain, Lothar: Bernhard Heiliger. Frankfurt am Main-Berlin 1989, S. 350.

Literatur:

  • BusB V A 1983 / Seite 140-147 & 155-156 (dort ausführliche Literaturangaben)
  • Wisniewski, Edgar, Die Berliner Philharmonie und ihr Kammermusiksaal, Berlin 1993 / Seite (mit ausf. Lit-Angaben)
  • Topographie Mitte/Tiergarten, 2005 / Seite 118f.
  • Funke, Hermann/ Zirkus Karajani in Berlin in
    Die Zeit 17.05.1963

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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