Denkmaldatenbank

III. Städtischer Friedhof Berlin-Schöneberg

Obj.-Dok.-Nr. 09046604
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Friedenau
Adressen Stubenrauchstraße 43, 44, 45
Denkmalart Gartendenkmal
Sachbegriff Friedhof
Datierung 1881, 1894, 1904-1912, 1914-1916
Entwurf Scherler, J. (Architekt)
Bauherr Gemeinde Friedenau

Der III. Städtische Friedhof Berlin-Schöneberg in der Stubenrauchstraße 43-45 (Abb. 191-98, Liste Nr. 184) wurde 1881 für die Gemeinde Friedenau auf dem ehemaligen Hamburger Platz angelegt. Der oblonge Platz bildete, umgeben von vier Straßen, das westliche Pendant zum ehemaligen Berliner Platz, dem heutigen Perelsplatz. Beide Plätze sollten nach der Planung von Carstenn als Schmuckplätze im Norden beiderseits der Kaiserallee (heute Bundesallee) gestaltet werden.

Nach seiner Auflassung und mit fortschreitender Bebauung des Gebiets war die Umgestaltung des Friedhofs in einen Schmuckplatz vorgesehen. Der heutige Friedhof ist geometrisch gegliedert und wird einschließlich der Erweiterungsflächen von 1894, 1904-10 und 1912 von einer verputzten Mauer eingefaßt. Die Eingänge befinden sich nördlich an der Fehler- und östlich an der Stubenrauchstraße. Hier bildet ein hohes dreiteiliges Mauerwerktor (um 1912) mit Rundbogendurchfahrt und spitzem Giebel sowie schmiedeeisernen Türflügeln einen Blickfang für die Hauptachse des Friedhofs.

Am westlichen Ende des Hauptwegs im ältesten Friedhofsteil erscheint die von W. Spieß 1888-89 errichtete Friedhofskapelle als Point de vue. Im Süden grenzt die Mietshausbebauung aus der Zeit um 1910 an den Friedhof. Im Südwesten und Westen bilden die roten Ziegelbauten der Bobertal- und der Ruppin-Schule Sichtbezüge. Sie stellen ein architektonisches Ensemble in formaler Verwandtschaft mit der Urnenhalle dar, die als langgestrecktes, zweigeschossiges Columbarium 1914-16 errichtet wurde. Mit seinem überkuppelten Rundturm im Zentrum bildet es einen Point de vue für die ostwestlich ausgerichtete Hauptachse des mit einem Doppelwegekreuz angelegten nordöstlichen Friedhofsteils. Den Kreuzungsmittelpunkt schmückt ein ebenfalls in expressionistischen Formen errichteter Brunnen aus Klinkermauerwerk, der westlich von zwei Trauerbuchen gerahmt wird. Die zweite ostwestlich ausgerichtete Hauptachse führt, noch von einer Lindenallee gerahmt, vom Eingang an der Stubenrauchstraße auf die Friedhofskapelle zu. Die gotisierende dreijochige Backsteinkapelle mit Leichenhalle besitzt ein vorgezogenes Spitzbogenportal, dessen Baldachin mit Terrakottabesatz geschmückt ist. 1914 wurde auf der Nordseite der 1913-17 instandgesetzten und umgebauten Kapelle eine Ehrenstätte und ein Kriegerfriedhof für "die im Felde gefallenen Friedenauer Kriegsteilnehmer" angelegt.

Auf einer erhöhten Terrasse nördlich der Kapelle erhebt sich das zentrale Pfeilerdenkmal, eine achteckige Säule aus Muschelkalkstein mit der bekrönenden Figur eines sterbenden Soldaten. Nördlich davon schließt sich der 1914-16 belegte Kriegerfriedhof mit vier Reihen schlichter Kalksteinkreuze und mit Efeu bepflanzter Gräber an. Formhecken aus Eiben rahmen die Grabmalreihen wirkungsvoll. Für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs wurden 1939-45 beiderseits des Haupteingangs an der Stubenrauchstraße Ehrenhaine mit Rasen, liegenden Grabmalplatten aus Terrakotta und einzelnen Birken gestaltet.Das überlieferte historische Wegenetz des Friedhofs wird noch durch die Restbestände der Lindenalleen und -reihen markiert. Zudem prägen einzelne alte Buchen und Eichen als Grab- oder Streubäume sowie zahlreiche Hecken das Erscheinungsbild der Abteilungen mit.

Schließungs- und Umgestaltungsabsichten des Friedhofs kamen nicht zum Tragen, vielmehr wurden Reihengräber in Urnenstellen umgewandelt, so daß der Friedhof mit Ausnahme veränderter Flächenteilungen heute noch weitgehend die Struktur von 1881 bis etwa 1920 vermittelt.

Auf dem Friedhof sind zahlreiche repräsentative Erbbegräbnisse des 19. und 20. Jahrhunderts, zum Teil von namhaften Vertretern der späten Berliner Bildhauerschule gestaltet, erhalten geblieben. Sie befinden sich überwiegend an der Südwand, aber auch an den übrigen Einfassungsmauern. Zudem bildet eine ganze Anzahl von Gittergräbern und Grabstätten des 19. und 20. Jahrhunderts in den Innenfeldern einen Blickpunkt beziehungsweise sind kultur- und kunsthistorisch von Bedeutung.

Dazu gehören die älteste erhaltene Grabstelle, das Gittergrab der Familie Roenneberg (erste Beisetzung Eduard Roenneberg, Königlich Preußischer Stadtbauschreiber [+ 18.1.1888]), wie auch das Gittergrab der Familie Carl Bamberg (Mechaniker und Optiker [1847-92]). Beide Grabstellen befinden sich beiderseits des Hauptwegs am Kapellenvorplatz, den eine Christus-Figur aus Sandstein nach Bertel Thorvaldsen (1770-1844) akzentuiert. Die Skulptur Thorvaldsens gilt nach Peter Bloch als die einzige bedeutende religiöse Bilderfindung des 19. Jahrhunderts. Die beiden Repliken auf dem Friedhof - dazu gehört auch die Marmorskulptur auf der Grabstätte Stephan/Prasse/Schatz an der Südmauer - sind charakteristische Beispiele der späten Rezeptionsgeschichte der Figur um 1900.

Die Grabdenkmäler für Ferruccio Busoni (von Georg Kolbe), für die Familien Albert Hirt und Wilhelm Prowe (von Valentino Casal) sowie für Hugo Moeller (von Hans Dammann) sind die künstlerisch signifikantesten Grabmale des Friedhofs, deren Autoren zu den namhaftesten Vertretern der späten Berliner Bildhauerschule gerechnet werden.Der bedeutende Berliner Bildhauer Georg Kolbe (1877-1947) entwarf 1925 im Auftrag des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ein Grabdenkmal für den Komponisten Ferrucio Busoni (1866-1924), das nordwestlich des Haupteingangs in der Abteilung 6 gelegen ist. Die Grabanlage besteht aus einem sich konisch nach oben verbreiternden Pfeilerdenkmal von quadratischem Grundriß, bekrönt von der 1922 entstandenen Bronzeplastik "Genius". Eine schlichte quadratische Plattenfläche und die einfassende Eibenhecke geben einen wirkungsvollen Rahmen für das Grabdenkmal ab.

Das Grabdenkmal Prowe, am Ende einer Wegeachse vor der Südwand gelegen, ist unter den bekannten eigenständigen Werken von Valentino Casal (1867- nach 1930) das künstlerisch bedeutendste. Die Werkstatt des in Venedig geborenen Bildhauers befand sich seit etwa 1904 in der Bachestraße in Friedenau, so daß hier auch lokalhistorische Bezüge gegeben sind. Die Grabanlage mit Wandgrab in Form eines dreiachsigen Scheinmausoleums wurde 1906 für den Gutsbesitzer Wilhelm Prowe durch Oskar Haustein ausgeführt. Die Symmetrie der Anlage wird durch zwei Eiben betont. Das Mauerwerk ist mit weißem Marmor verkleidet. Der zentrale Scheinrisalit der Grabmalwand ist in Form eines Tempelpylonen mit Scheintür und Inschriftentafel aus hellgrauem Marmor ausgeführt. Rechts der Scheintür ist die marmorne Figur einer Trauernden angelehnt. Die von Casal signierte, vollplastische Skulptur von 1908 steht auf einem vorgelagerten Podest mit dreistufigem Abschluß. Eine dreiseitige Brüstung mit vier von Schalen bekrönten Pfosten aus Muschelkalkstein sowie Granitschwellen dienen als Einfassung. Diese gut proportionierte neuklassizistische Grabmalarchitektur entstand unter dem späten Einfluß der Architektur von David und Friedrich Gilly sowie Karl Friedrich Schinkel in Berlin. Die Skulptur wurde in Anlehnung an die Trauernden am Grabdenkmal der Erzherzogin Marie Christine in der Wiener Augustinerkirche, einem Werk Antonio Canovas von 1805, geschaffen.

Neben dem Grabmal Prowe befindet sich das Erbbegräbnis für die Familie des Apothekers Albert Hirt (+ 1905), dessen Grabdenkmal 1906 ebenfalls von Valentino Casal geschaffen wurde. Das Wandgrab mit Granitsockel und Marmorverkleidung weist einen erhöhten Mittelteil mit sehr flacher Rundbogennische auf. Vor einem gesockelten Kreuz steht eine vollplastische Engelsfigur aus Carrara-Marmor auf einem dreistufigen Podest. Die beiden Wandflanken der Grabmalwand sind als rundbogig schließende Stelen mit vertieften Inschriften ausgebildet. Die Grabstelle wird dreiseitig durch eine eiserne Pfosten-Rundstab-Konstruktion eingefriedet. Die Grabmalgestaltung stellt eine repräsentative, künstlerisch überzeugende Anlage im Sinne des Jugendstils dar. Grabdenkmal und Skulptur gehören zu den sehr seltenen eigenen Werken des Bildhauers Casal, dessen Friedenauer Werkstatt zahlreiche Steinbildwerke für prominente Vertreter der kaiserzeitlichen Berliner Bildhauerschule ausführte.

In der Südwestecke des Friedhofs raumwirksam disponiert befindet sich das Erbbegräbnis des Kommerzienrats und Ehrenbürgers Friedenaus Hugo Moeller (1840-1911) und seiner Familie. Sein Urheber Hans Dammann (1867-1942) gehört zu den bedeutendsten Sepulkralplastikern des Historismus, dessen Werke auf zahlreichen deutschen und europäischen Friedhöfen erscheinen. "Das Grabdenkmal Moeller zählt darunter zu seinen repräsentativsten Architekturgrabmälern." Den Entwurf für das dreiseitig eingefaßte Wandgrab mit drei Achsen, das eine zentrale Aedikula und gleichhohe Seitenwände aus Muschelkalkstein besitzt, lieferte Dammann, die Gruft wurde durch Albert Koch ausgeführt. Die von dorischen Säulen flankierte, mit Mosaik hinterfangene und übergiebelte Nische wird durch eine stilisierte Blumenschale auf hohem Sockel akzentuiert. Die Seitenwände öffnen sich durch Pfeilerstellung. Die Eckpfeiler sind vorn mit Reliefbändern, Immortellen darstellend, verziert und mit Vasenaufsätzen bekrönt. Die Grabstelle ist zum Weg hin durch niedrige Mauern und eine mittige zweiflügelige Eisentür begrenzt. Vergleichbare Grabdenkmäler Dammanns befinden sich zum Beispiel auf dem städtischen Friedhof Wilmersdorf (Familien Loebell und Ascher) und auf dem III. Friedhof der Jüdischen Gemeinde zu Berlin im Bezirk Weißensee. Zudem besitzen mehrere weitere Grabdenkmäler eine künstlerische Bedeutung, da sie - wie das Wandgrabmal für die Familie E. Stephan/Prasse (ehemals Schatz) - zeittypische, charakteristische Beispiele für die künstlerische Gestaltung repräsentativer Grabanlagen des stilpluralistischen Hoch- und Späthistorismus am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts darstellen. Sie gehören zu den ältesten Grabanlagen des Friedhofs und bestimmen in besonderer Weise durch ihre Gestaltung und ihre Lage dessen Gesamterscheinung mit.

Auf dem Friedenauer Friedhof fanden zahlreiche bekannte Berliner Persönlichkeiten ihre letzte Ruhestätte. Dazu gehören zum Beipiel die Schriftsteller Paul Zech (1881-1946), Hans Halden (1888-1973) und die Schriftstellerin Dinah Nelken (1900-89) sowie die Schauspieler Herbert Grünbaum (1903-81) - nach 1945 Ensemblemitglied des Berliner Schillertheaters - und Paul Westermeier (1892-1972) - am Admiralspalast (später Metropoltheater) engagiert - sowie natürlich die Filmschauspielerin Marlene Dietrich (1901-92).

Die gewachsene Friedhofsanlage besitzt in Verbindung mit der Kapelle, der Urnenhalle und dem Ensemble der historischen Grabstätten mit charakteristischen Beispielen für die Grabmalkunst vom Ende des 19. und vom Beginn des 20. Jahrhunderts künstlerische Bedeutung.

Literatur:

  • AKL, Bd. 16, 1997 / Seite 87, 107
  • Aubert, Joachim, Handbuch der Grabstätten berühmter Deutscher, Österreicher und Schweizer, München/Berlin 1973BusB X A 3 1981Bloch, Grzimek/ Das Klassische Berlin, 1978Ethos und Pathos, 1990 / Seite 248 f., 429 f., 435 f., 499
  • Gede, Martina, Der Bildhauer Hans Dammann, Magisterarbeit FU Berlin 1994Hammer, Klaus/Nagel, Jürgen, Historische Friedhöfe und Grabdenkmale in Berlin, Berlin 1994 / Seite 136-138
  • Der Haus- und Grundbesitzer-Verein zu Berlin-Friedenau 1888-1913, Berlin 1913Schmiedekunst auf Berliner Friedhöfen, hrsg. v. Roland Hecker, Berlin 1999Möller, Julius, Chronik der Kirchengemeinde zum Guten Hirten Berlin-Friedenau von ihrer Entstehung 1871 / Seite 104 f.
  • Steckner, Cornelius/ Museum Friedhof. Bedeutende Grabdenkmäler in Berlin, Berlin 1984Straub, Enrico, Berliner Grabdenkmäler (=Berlinische Reminiszenzen, Nr. 55), Berlin 1984Topographie Schöneberg/Friedenau, 2000 / Seite 129-134

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