Denkmaldatenbank
Volkspark Mariendorf
09046270 | |
Bezirk | Tempelhof-Schöneberg |
Ortsteil | Mariendorf |
Adressen | Mariendorfer Damm & Alt-Mariendorf & Prühßstraße & Rixdorfer Straße |
Denkmalart | Gartendenkmal |
Sachbegriff | Volkspark |
Datierung | 1923-1935 |
Umbau | nach 1938 |
Entwurf | Fischer, Rudolf & Kynast, Bernhard & Barth, Erwin (Gartenarchitekt) |
Bauherr | Bezirksamt Tempelhof |
Der mit Unterbrechungen von 1923-1935 überwiegend vom Bezirksgartendirektor Rudolf Fischer (1883-1942) gestaltete Volkspark Mariendorf am Mariendorfer Damm gehört zu den großzügig vom Berliner Magistrat geförderten bezirklichen Sport- und Erholungsparks, die in den 1920er Jahren im Zuge von Notstandsprogrammen entstanden sind. Zur Verbesserung der angespannten sozialen Lage, der Gesundheitsfürsorge und zur Förderung des Sports waren im Zentrum dieser Volksparke wie etwa Rehberge im Wedding oder Wuhlheide in Köpenick ein System regelmäßiger Sport- und Spielanlagen sowie Stadien vorgesehen. Auch Rudolf Fischer plante in seinen zahlreichen Entwürfen von 1922-31 stets im Nordosten der Anlage eine längs gerichtete Sport- und Festwiese (Fußballübungsplatz), eingebunden in der Ost-West-Hauptachse, flankiert von einem nördlichen Tennenplatz und einem südlichen Hockeyplatz. (1) Sie bildeten mit einem Kinderspielplatz in der Nordwestecke den ersten Abschnitt der Anlage. 1928 entstanden zwei "Sporthäuser" mit Umkleideräumen westlich des Fußballplatzes. (2) Das östlich anschließende, quer zur Hauptachse gerichtete Stadion (Kampfbahn) wurde in dem bereits 1931 eingeweihten Park erst 1935 fertig gestellt. Die Sportanlagen sind mit ihren einfassenden Wegen und rahmenden Baumalleen aus Spitzpappeln sowie Säuleneichen weitestgehend erhalten.Die ersten Parkentwürfe Fischers bis 1927 zeigen eine überwiegend architektonische Anlage mit zwei großzügigen, sich kreuzenden Freiraumachsen in geometrischer Form. Als Vorbild dienten Anlagen der Vorkriegszeit wie etwa der 1910-13 angelegte Kölner Blücherpark von Fritz Encke. (3) Das anstelle des Blümelteichs geplante rechteckige Schwimmbecken, südlich davon Tennisplätze und ein Tribünenhaus kamen nicht zur Ausführung. Die 1926 erhobenen Forderungen des "Bürgerbundes Groß-Berlin" nach einem "Naturpark" für ältere Einwohner sowie die gleichzeitige Forderung des Naturschutzes zur Erhaltung der Seenrinne bewirkten 1927 erste Umplanungen im Sinne der landschaftlichen Gestaltung des Blümelteichs. Das hier vorgesehene Freibad sollte am östlichen Parkrand entstehen. Schließlich modifizierte Fischer seinen Gesamtentwurf nochmals, nachdem der Berliner Gartendirektor Erwin Barth 1928 einen Teilplan zur "Erhaltung der eiszeitlichen Rinnenbildungen" und im Mai 1929 einen Gesamtplan für den Volkspark Mariendorf erstellt hatte. (4) Er übernahm in seinen Plan von 1931 insbesondere die stärkere axiale und geometrische Ausbildung der Nord-Süd-Querachse von Barths Gesamtplan. Auch passte er die Grundform der aufeinander folgenden Anlagen, des erhöhten ovalen Rosengartens, des quadratischen Staudengartens sowie des tiefer gelegenen Planschbeckens daran an und ergänzte die Achse um eine erhabene Lindenterrasse im Süden. Der Blümelteich erhielt an drei Seiten eine landschaftlich gestaltete Umrisslinie. Die später beleuchtete Rodelbahn wurde 1931 erhöht, auf 350 Meter verlängert und bildete einen Aussichtspunkt über das städtische Umfeld. Am Rand mit zahlreichen Nadelgehölzen bepflanzt, sollte sie den Anschein eines mitteldeutschen Gebirges vermitteln. Östlich der steilen Hänge entstand die Gartenkolonie Volkspark Mariendorf, westlich des Eckernpfuhls eine 9.000 m² große Bürgerwiese. Nach der Einweihung Ende Juni 1931 wurden 1933/34 noch der Stauden- und Rosengarten gestaltet. 1935 wurde das Schmiedegrundstück in den Park eingegliedert und die Mitte des Achsenkreuzes durch eine Sonnenuhr akzentuiert. Das stark bewegte südwestliche Parkgebiet mit Teichkette beließ man in landschaftlicher Gestaltung. An der Ausarbeitung der Pläne war auch der spätere Gartenamtsleiter Bernhard Kynast beteiligt, die Ausführung leitete Victor Huhn.
Trotz partieller Veränderungen seit 1938 beeindruckt noch heute das ausgeführte Gestaltungskonzept Fischers mit der konsequenten Raumbildung und dem bestimmenden Achsenkreuz, das in die landschaftlich gestalteten, selbstständigen Randbereiche eingebunden ist. Die differenzierte Raumgliederung in separate Wasserflächen, Sondergärten und Sportanlagen sowie selbstständige Parkteile wird durch Niveauunterschiede betont. Innerhalb der Freiraumachsen und von den regelmäßigen Terrassen am Parkrand ergeben sich weite Sichten über die Anlage wie zum Beispiel von der Kastanienterrasse am Mariendorfer Damm über den Blümelteich. In Folge der Umgestaltung zum ersten Modellsegelteich Berlins im Jahre 1938 und von Sanierungsmaßnahmen der 1950/1960er Jahre weist er eine fast begradigte Uferlinie in Rechteckform auf. Im Vordergrund der Blickachse, die über Teich, Staudengarten und Fußballplatz bis zu einem Ende der 1980er Jahre erbauten Funktionsgebäude des Stadions reicht, wachsen Schilf und Weiden am Ufer. Unweit davon erscheint die Bronzeskulptur eines Reihers in abstrahierten Formen, die der Künstler Demestros Anastasatos 1962 schuf. (5) Das Areal beidseitig der langen Uferwege ist frei gestaltet, im Süden befinden sich zwei umpflanzte Teiche und das hügelige Gelände eines Birkenwäldchens.
Vom Ostufer des Blümelteichs führen Stufen zwischen den Rasenböschungen in der Mitte der Freiraumachse zum Staudengarten hinauf. Dieser 1995 restaurierte, streng geometrische Garten wird von japanischen Zierkirschen unter Freilassung der Mittelachsen eingefasst. (6) Das Zentrum des Kreuzungsquadrats akzentuiert eine 1999 neu aufgestellte Sonnenuhr auf einem Rundplatz. Mit Stauden und Ziergehölzen bepflanzte Beete rahmen den Garten in den Ecken. Ein quadratischer Umgangsweg aus roten, polygonal verlegten Sandsteinplatten bindet je einen geometrischen Platz in den Gartenecken ein. Niedrige Bruchsteinmauern unterschiedlichen Materials bilden ihre Einfassung. Die Symmetrie der Anlage wird durch je eine Kinderfigurengruppe eines knienden Kindes mit Tier, auf den äußeren Mauerecken hervorgehoben. Anstelle der 1933-36 von Friedrich Zuchantke geschaffenen und zerstörten Originale sind seit 2001 Kopien aus Betonguss aufgestellt. (7) Im Nord- und Südwesten befinden sich der "Knabe mit dem Ziegenbock" und das "Mädchen mit Schaf", als Pendant an der östlichen Gartenseite das "Mädchen mit Reh" und der Okarina spielende "Knabe mit Hund". Der breite Mittelweg des Gartens wird im erhöhten, von einer Stützmauer eingefassten Rosengarten fortgesetzt. Die zwei Hälften des Rasenovals und den anschließenden Randweg rahmen Rosenrabatten. Der 1959 vergrößerte Garten weist am Außenrand geschnittene Buchenhecken und mäanderförmig angelegte Sitznischen auf. Die beiden erhöhten Sondergärten und ein halbkreisförmiges Aussichtsplateau am südlichen Ende der Mittelachse führen den Blick über eine symmetrische Treppenanlage und Stützmauer mit Bankplätzen über das ehemalige Planschbecken. Hier wird die konsequente architektonische Achsenführung durch eine seit 1952 bestehende Sumpfzone, die der Eckernpfuhl speist, aufgelöst. (8) Einige Sumpfzypressen begrenzen den Blick auf den rechteckigen, südlich anschließenden Platz, der von Linden gerahmt wird. Eine symmetrische Treppenanlage erschließt die bastionsartig erhöhte Anlage mit einem Azaleengarten. Im Vordergrund der Aussichtsterrasse befindet sich seit 1983 der künstlerisch bemerkenswerte "Vierkinder-Brunnen", den Waldemar Berger 1926/ 28 schuf. (9) Der Springbrunnen weist zwei Schalen aus grünlichem Diabasgestein mit keilförmigen Ausflüssen auf. Aus diesem seltener verwendeten Hartgestein sind auch die vier Kinderfiguren in sitzender und kniender Stellung auf dem inneren Brunnenrand gearbeitet. Zwei herabgebeugte spielende Kleinkinder flankieren den vorderen Ausfluss, während dahinter zwei symmetrisch angeordnete Mädchen auf erhöhten Stufen die Köpfe zum Himmel recken. Für einen volkstümlichen Kinderbrunnen der 1920er Jahre wirken Brunnenform und Art der Kinderdarstellung bereits sehr modern. Unterhalb des Lindenplatzes gelangt man zum nördlichen Ufer des Eckernpfuhls. Hier erinnert ein Granitfindling mit Inschrift seit 1951 an die Verdienste des ersten Tempelhofer Bezirksverordneten und Sozialdemokraten Friedrich Küter um den Volkspark. (10)
Die Spazierwege entlang des Teichs führen zum Aussichtsrondell am südlichen Parkeingang und in Richtung Heidefriedhof. Am äußeren Parkrand erregen einige abstrakte Stahlplastiken der Künstlergruppe "Glyptiker" die Aufmerksamkeit. Die großen Skulpturen "Die Gruppe 1984" von Manfred Hodapp, "Großes Idol" von Dietrich Arlt-Aeras und etwas entfernt "Trilogie" von Miguel Esteban Cano wurden 1985 aufgestellt. Zur Ausstattung des Parks gehört eine realistisch gestaltete Bärenfigur aus Muschelkalk, das der Bildhauer Hans Bautz um 1955 wohl als Bauplastik schuf. Es steht südlich des Spielplatzes am Mariendorfer Damm, ein Pendant dieser Figur befindet sich am Spielplatz im Franckepark. (11)
Der Volkspark Mariendorf entsprach mit seinen Spiel- und Sportanlagen, den differenzierten geometrischen Anlagen und Sondergärten sowie seinem abwechslungsreichen Spazierwegenetz in natürlicher Umgebung nicht nur dem geforderten sozialen Programm der 1920er Jahre, sondern er ist auch heute ein überregional beliebter Aufenthalts- und Erholungsort der Berliner.
1) Findbuch Tempelhof 1992, Gesamtpläne C1/4 (erster Entwurf August 1922) bis C1/17a, b und C1/18 (letzter Gesamtplan vom April 1931) sowie Teilpläne im LDA-Archiv Berlin.
2) Bauamt und Gemeindebau 14 (1932), S. 36.
3) Wiegand, Heinz: Entwicklung des Stadtgrüns in Deutschland zwischen 1890 und 1925 am Beispiel der Arbeiten Fritz Enckes, in: Geschichte des Stadtgrüns, Band II, hrsg. v. Dieter Hennebo, Berlin, Hannover, o. J. [1977], S. 58 ff.
4) Ausführliche Darstellung in: Land, Dietmar/Wenzel, Jürgen: Heimat, Natur und Weltstadt. Leben und Werk des Gartenarchitekten Erwin Barth, Leipzig 2005, S. 401 ff.; Plansammlung TU Berlin: Inv. Nr. 41107 (Barth 122/1), Inv. Nr. 41106 (Barth 122/2), Inv. Nr.41108 (Barth 122/3); Findbuch Tempelhof C 1/100.
5) Die Plastik wurde 1973 von der Theodor-Haubach-Schule versetzt. Kuhn/Kähler 2004, Objekt-Nr. 64.
6) Entwurf Hartmut Teske nach Plänen des Bezirksgartenamtes Tempelhof von 1934, Findbuch Tempelhof 1992 Nr. C 1/ 107-113.
7) Die beiden Gruppen des Tierbildhauers Friedrich Zuchantke (1888-1957) an der Westseite des Gartens waren aus Kunststein, die Gruppen von 1936 an der Ostseite aus Krensheimer Muschelkalk. 1970 Zerstörung aller Bildwerke. Modelle der Rekonstruktionen von 2001 bei Hans Starke in Spandau. Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, hrsg. v. Hans Vollmer, Band XXXVI, Leipzig 1947, S. 581; Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts, hrsg. v. Hans Vollmer, Band 3, Leipzig 1956, S. 217; Kuhn/ Kähler 2004, Objekt-Nr. 63.
8) Das Planschbecken wurde 1952 aus hygienischen Gründen geschlossen. Das Schwimmbad an der Ostseite des Parks entstand ohne Bezug zur Planung R. Fischers von 1931.
9) Die von Oberbürgermeister Gustav Böß geleitete "Deputation für Kunst- und Bildungswesen erwarb den "Vierkinder-Brunnen" 1930 im Rahmen ihrer umfangreichen Ankäufe für städtische Anlagen. Wohl nach dem Tod des Künstlers Waldemar Berger (1890 bis um 1930) 1931 wurde er vor dem Rathaus Mariendorf und nach seiner Sanierung 1983 am heutigen Standort aufgestellt. Der z.Zt. stark beschädigte Brunnen ist erheblich gefährdet. Juryfreie Kunstschau, Ausstellungskatalog, Berlin 1927, Nr. 43 und 47; Wille 1985, S. 91; Allgemeines Künstlerlexikon, Band 9, München, Leipzig 1994, S. 366; Kuhn/Kähler 2004, Objekt-Nr. 62 mit Angabe der Archivalien.
10) Der ehemalige Dezernent des Tempelhofer Gartenamtes hatte sich als Bezirksverordneter um die Bereitstellung von Finanzmitteln des Magistrats zum Bau des Volksparks gekümmert. Der Sozialdemokrat wurde 1944 von den Nationalsozialisten verhaftet und kam 944 im KZ Sachsenhausen um. Der bereits vorhandene Granitfindling stammte aus der Kiesgrube an der Friedrich-Franz-Straße. Hölters, Bernd O./Schnell, Wolfgang: Volkspark Mariendorf. Pläne, Daten, Geschichten zum 50jährigen Jubiläum 28. Juni 1981, hrsg. v. Bezirksamt Tempelhof von Berlin, Berlin 1981, S. 17; Kuhn/Kähler 2004, Objekt-Nr. 61.
11) Kähler, Susanne: Stahlplastiken in Berlin - zur Etablierung des Materials im öffentlichen Raum, in: Der Bär von Berlin. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins, 54. Folge 2005, Berlin/Bonn 2005, S. 138-141, 151; Kuhn/Kähler 2004, Objekt Nr. 58-60. Die Bärenfiguren werden dem Bildhauer Hans Bautz (1908-1986?) zugeschrieben. Endlich/Wurlitzer 1990, S. 145; Kuhn/Kähler 1990, Objekt-Nr. 65, dort ausführliche Quellenangaben.
Literatur:
- BusB XI 1972 / Seite 87f. & 268f.
- Gartenwelt 31 (1927) / Seite 513-517
- GA 19 (1970) / Seite 6
- Wollschläger/ Der Bezirk Tempelhof, 1964 / Seite 80ff.
- Volkspark Mariendorf. Pläne - Daten, Berlin 1981 / Seite 2-5
- Topographie Tempelhof, 2007 / Seite 182ff.
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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