Denkmaldatenbank
Urnenfriedhof Wedding
09046194,T | |
Bezirk | Mitte |
Ortsteil | Wedding |
Adressen | Gerichtstraße 35, 36, 37, 38 Adolfstraße 28, 29 Plantagenstraße 30, 31 Ruheplatzstraße |
Denkmalart | Gartendenkmal |
Sachbegriff | Friedhof & Einfriedung & Verwaltungsgebäude & Grabmal |
Datierung | 1828-1869, 1912, 1922-1924, 1937 |
Entwurf | Brodersen, Albert (?) (Gartenarchitekt) |
Der Urnenfriedhof Wedding an der Gerichtstraße 37-38 wurde ab 1912 vermutlich nach einem Entwurf des Stadtgartendirektors Albert Brodersen gestaltet. (1) An seinem Standort befand sich der erste, von den Berliner Kommunalbehörden angelegte Friedhof, der nur etwa ein Drittel der heutigen Friedhofsfläche zwischen der Gericht-, der Ruheplatz-, der Plantagen- und der Adolfstraße einnahm. Diese 1828 eingeweihte Anlage wurde ab 1831 für einen Armenfriedhof erstmals vergrößert. 1879 wurde sie nach vollständiger Belegung geschlossen. (2) Seit 1903 war ein Friedhofsteil in eine öffentliche Grünanlage umgestaltet worden. Schon vor der Legalisierung von Feuerbestattungen in Preußen ließ 1909-10 der Berliner Verein für Feuerbestattungen in der Nordostecke des Friedhofs eine repräsentative Urnenhalle errichten. Diese wurde bis 1912 zum ersten Krematorium Berlins umgebaut.
Der heutige Urnenfriedhof zeugt von zeigt mehreren Gestaltungsphasen. Während der ersten Umgestaltung in einen Urnenhain ab 1912 wurde das von Alleen eingefasste regelmäßige Hauptwegesystem beibehalten. Von dem ursprünglichen Baumbestand sind infolge von Kriegszerstörungen nur noch Einzelexemplare von Sommer- und Winterlinde, Roßkastanie, auch Spitzahorn, Rotbuche sowie Stieleiche, Bergulme und Robinie als Streubäume anzutreffen. Der 1964 aufgelassene Bereich des alten Ruheplatzes im westlichen Friedhofsteil präsentiert sich heute in landschaftlicher Gestaltung mit nur wenigen erhaltenen, überwiegend nach 1912 aufgestellten Erbbegräbnisarchitekturen. Zwei große Trauerbuchen rahmen das Grab des Bildhauers Louis Tuaillon. Sein schlichter Stelenstein entstand wohl nach eigenem Entwurf in den Werkstätten für Grabmalskunst in Berlin. (3)
Der Eingangsbereich vor dem Krematorium mit dem Urnenhain von Brodersen wurde 1991 neu gestaltet. Den Haupteingang an der Gerichtstraße bildet eine Eingangshalle von 1937 mit dreifacher Bogenarkatur. Westlich des lang gestreckten Vorplatzes befindet sich das Verwaltungsgebäude, das aus einer Leichenhalle des 19. Jahrhunderts und einem 1914 errichteten Inspektorwohnhaus hervorgegangen ist. (4)
Zwischen dem Krematorium, dessen Eingangsbereich und dem aufgelassenen Friedhofsteil im Westen zeigt der Urnenfriedhof noch charakteristische Merkmale seiner Entstehungszeit von 1912 bis in die Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. (5) Im mittleren nördlichen Grabfeld zur Plantagenstraße werden durch geschwungene Wegeführungen und die entsprechende Bepflanzung mit Trauerbäumen parkartige Wirkungen erzielt. In den übrigen Bereichen zwischen den drei Nord-Süd ausgerichteten Hauptwegen bestimmt die streng formale Gliederung mit Heckeneinfassungen das Bild. Die End- und Kreuzungspunkte des Wegenetzes sind oftmals als formale Plätze ausgebildet und einzelne Bereiche innerhalb der Grabfelder in Form quadratischer, rechteckiger oder gerundeter Quartiere gestaltet, die bevorzugte Standorte für wenige repräsentative Erbbegräbnisse darstellen. So bildet der aus Muschelkalk errichtete Monopteros der Familie Alfred Bertuch (1850-1927) mit eingestellter Schmuckurne über einem Sockel einen Point de vue am Ende eines lang gestreckten Quartiers in der Friedhofsmitte. Der östlich davon gelegene parallele Hauptweg führt vom Nebeneingang an der Gerichtstraße auf einen formalen Platz vor der Urnennischenwand und die vorgelagerte Pergola zu. Die 1922-24 errichtete Kolumbariumswand aus Kunststein ist durch Pfeiler, vorgelagerte Pfeilerpodeste und die Pergolen streng architektonisch gegliedert und mit Efeu berankt. Die Kompartimente mit den je vier senkrechten und fünf waagerechten, heute nicht mehr belegten Urnennischenreihen sind identisch ausgebildet. Der noch erhaltene Abschnitt der für einen Berliner Friedhof einzigartigen Kolumbariumswand bietet aus erhöhter Lage Sichten auf die Anlage mit ihren bemerkenswerten Grabstätten. (6)
Auf dem Friedhof fanden bedeutende Berliner Persönlichkeiten, darunter Künstler, Unternehmer und Politiker ihre letzte Ruhestätte, wie die repräsentativen Familiengrabstätten, darunter mehrere antikisierende Monumente, zeigen. (7) Hierzu gehört das klassizistische Grabdenkmal von 1916 für die Bankiersfamilie Gutmann am Hauptweg, das vom Architekten und Kunstgewerbler Franz Seeck stammt. Vor dem breiten zurückgesetzten Mittelteil befindet sich über einem Podest ein mächtiger Schmuckkenotaph in Form eines von Sphingen getragenen Sarkophags, während die Nischen der seitlichen Wandfelder Urnen enthalten. Das bekannteste Familienmitglied war der 1925 verstorbene Begründer der Dresdner Bank, Eugen Gutmann. Von künstlerischer Bedeutung ist auch das Erbbegräbnis der Familie von Rudolf Conrad (1865-1935) in der gleichen Reihe. Die überlebensgroße Bronzefigur einer sitzenden Trauernden vor einer dreiteiligen neuklassizistischen Grabwand aus Muschelkalkstein schuf der Bildhauer Wagner-Teichen. (8)
Im östlich davon gelegenem Grabfeld befinden sich seltene Beispiele jüdischer Bestattungen, wie das mit einem dreiteiligen kleinformatigen Grabzeichen ausgestattete Ehrengrab für den Begründer des Philharmonischen Chores Siegfried Ochs (1858-1929) und dessen Familie. Jüdischer Herkunft war auch der preußische Innenminister und Schöpfer der Weimarer Reichsverfassung Prof. Hugo Preuß (1860-1925). Seine Urne seines Ehrengrabes befindet sich in einer neuklassizistischen Grabarchitektur im nordöstlichen Bereich. Das Grabmal von Carl und Johanna Borchert, geschaffen um 1915, besteht aus einer Stele und seitlichen dorischen Säulen, die mit Sockel und Architrav zu einer antikisierenden Grabwand zusammengefasst sind. Auf einem Sockel vor der Stele ist eine steinerne Urne aufgestellt. Die Urnengrabmäler des Friedhofs sind von der sepulkralen Reformkunst nach 1900 beeinflusst, die sich hier an frühklassizistischen Grabmalsformen orientierte. Dabei diente der von Johann Gottfried Schadow um 1800 zur formalen Vollendung geführte Grabmaltyp in Form einer Schmuckurne über einem Sockel besonders oft als Vorbild. (9) Diese Urnengrabmäler findet man auch in expressionistisch überformter Gestaltung, wie etwa die Urnengrabmäler der Familien Hackrath von 1924 und Rottenbacher von 1931. Neben den Urnengrabmälern schmücken zudem neoklassizistische Stelen mehrere Grabstätten. Auch die rechteckige, im Rückgriff auf frühklassististische Vorbilder gestaltete und seit Beginn der 1920er Jahre beliebte Liegeplatte mit Inschriften in Metallbuchstaben ist anzutreffen. (10)
1) Einzige Quelle hierfür ist ein 1910 signierter Plan für einen repräsentativen Urnenhain vor der neu erbauten Urnenhalle des im gleichen Jahr zum Stadtgartendirektor berufenen Brodersen. Die nicht erhaltene Partie vor dem heutigen Krematorium war durch eine breite formale Hauptachse im Zentrum und zwei seitliche Rechteckflächen mit Rasen und Gehölzgruppen sowie symmetrisch angelegten Rundplätzen und landschaftlichen Wegeführungen charakterisiert, vgl. Szamatolski 1984, Abb.13 und 16 (Gutachten, Landesdenkmalamt).
2) Ausführliche Darstellung der frühen Entwicklungsgeschichte bei Langeheinecke 1992, S. 259-277; vgl. auch BusB X, A (3), S.1-4,114; Szamatolski 1984, S. 43 ff. (Gutachten, Landesdenkmalamt).
3) Die kunsthistorischen Angaben stützen sich ein Gutachten von Kuhn 2002 (Landesdenkmalamt), S. 112-117; zu Louis Tuaillon (1862-1919), vgl. Ethos und Pathos I, S. 323-331, Ethos und Pathos II, S. 567; Amazone zu Pferde, 1895, vor der Alten Nationalgalerie (Vergrößerung im Tiergarten); Mitbegründer der auf dem Friedhof mehrfach tätigen Werkstätten für Grabmalskunst war Franz Seeck (1874-1944), Architekt und Kunstgewerbler.
4) Szamatolski 1984, S. 46, 73 (Gutachten, Landesdenkmalamt).
5) 1927 wurde ein Gesamtplan für die Umgestaltung als Urnenfriedhof erstellt, ebenda, S. 46.
6) 1964 wurde die Mauer für Beisetzungen aufgehoben, etwa die Hälfte im Westen abgerissen, ebenda, S. 72.
7) Zu den prominenten Beigesetzten gehören u. a.: der Direktor des Wiener Burgtheaters und Fontane Nachlaß-Verwalter Paul Schlenther, gest. 1916, der Kaufmann und großzügige Mäzen der Stadt Berlin Hans Boller, gest. 1921, der Arzt Prof. Dr. Emanuel Mendel, gest. 1907, der Bakteriologe Prof. Dr. August von Wassermann, gest. 1925, der Landschaftsmaler Louis Kolitz, gest. 1914.
8) Bronzeguß der Gießerei Martin & Piltzing, der Nachfolgefirma der Gießerei Moritz Geiß; seltenes Beispiel einer figürlichen Großplastik aus der sepulkralen Kunst nach 1918.
9) Etwa Grabdenkmäler Familie Deitel, Ida Deitel, gest. 1930; Henriette Heinemann, gest. 1931.
10) Etwa Grabdenkmal Familie Lesser-Silberberg, Erstbestattung Isidor Lesser, gest. 1912, frühes Beispiel einer jüdischen Bestattung, das von großer kulturgeschichtlicher Bedeutung ist. Vgl. Gutachten Kuhn 2002 (Landesdenkmalamt).
(G. Schulz)
Literatur:
- Gartendenkmalpflege 7 (1992)BusB X A 3 1981 / Seite 114
- Geschichtslandschaft, Wedding, 1990 / Seite 170-188
Teilobjekt Grabmal Borchert
Teil-Nr. | 09046194,T,001 |
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Sachbegriff | Grabmal |
Datierung | um 1910 |
Bauherr | Borchert |
Literatur:
- Topographie Mitte/Wedding, 2004 / Seite 184
Teilobjekt Grabmal Familie Eugen Gutmann
Teil-Nr. | 09046194,T,002 |
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Sachbegriff | Wandgrabmal |
Datierung | 1916 |
Bauherr | Gutmann, Eugen (Bankier) |
Literatur:
- Topographie Mitte/Wedding, 2004 / Seite 184
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