Denkmaldatenbank

Friedhof I und II der Jerusalems- und Neuen Kirche

Obj.-Dok.-Nr. 09046170
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Zossener Straße & Baruther Straße & Blücherstraße
Denkmalart Gartendenkmal
Sachbegriff Friedhof
Datierung 1735
Umbau 1796
Bauherr Jerusalems- und Neue Kirche-Gemeinde (Kirchengemeinde, evangelisch)

Der um 1735 angelegte und mehrfach erweiterte Friedhof I und II der Jerusalems- und Neuen Kirche (1) wird heute durch einen Zugang an der Zossener Straße erschlossen. Das Wegesystem ist jedoch auf den alten Eingang ausgerichtet, der sich im Norden befand, aber mit der Durchlegung der Blücherstraße 1967-73 zusammen mit der Nordmauer beseitigt wurde. Die Gemeinde, die den Friedhof verwaltete, hatte mit der Jerusalemskirche in der südlichen Friedrichstadt und mit der Neuen Friedrichstadtkirche (Deutscher Dom) auf dem Gendarmenmarkt zwei innerstädtische Gotteshäuser. 1830 wurden die Parochien getrennt, doch blieben die Friedhöfe in gemeinschaftlichem Besitz. Nach einer ersten Erweiterung, die 1755 erfolgte, erhielt der Friedhof 1767 eine Mauer aus Rüdersdorfer Kalkstein, die hinter den Wandgräbern und Mausoleen des Friedhofs I teilweise erhalten geblieben ist. 1796 wurde die südlich angrenzende, bis zur Baruther Straße reichende Fläche erworben und auf ihr der Friedhof II angelegt. Die rechteckige Erweiterung wurde 1799-1800 durch eine Mauer eingefasst, die heute ringsum mit Erbbegräbnissen besetzt ist. Als die Wandflächen nicht mehr ausreichten, wurden auch innenliegende Erbbegräbnisse vergeben. Diese sind überwiegend mit geschmiedeten Gittern umgrenzt, wodurch die friedhofstypischen "Gitterstraßen" entstanden.

Das älteste Wandgrab erinnert an Johann Carl Wilhelm Moehsen (1722-1795), den Leibarzt Friedrichs des Großen . In einer rundbogigen Nische aus verputztem Mauerwerk steht ein Kenotaph aus Sandstein, auf dem eine anmutige weibliche Liegefigur ruht. Dargestellt ist Hygieia, die Tochter des Heilgottes Asklepios, die dessen Attribut, eine Schlange, aus einer Schale tränkt. Der Entwurf für das frühklassizistische Monument stammt von dem Maler Christian Bernhard Rode, der sich dabei an etruskischen Grabdenkmälern orientierte. (2) Das älteste Mausoleum, das auf den Friedhöfen vor dem Halleschen Tor zu sehen ist, wurde 1798 für die Bildhauer- und Hoftischlerfamilie Eben errichtet und bis ins 19. Jahrhundert hinein von den Nachkommen genutzt. Mit dem wuchtigem Gesims, dem eingeschnittenen Portal und den schweren dorischen Säulen folgt die Grabkapelle der aus Frankreich nach Deutschland vermittelten Baukunst des frühen Klassizismus. Das Tympanonrelief aus Sandstein, vielleicht ein Werk von Johann Ephraim Eben, zeigt, wie Poenitentia als Sinnbild der Bußfertigkeit die von Chronos geleitete Verstorbene erwartet. Ein Genius mit Lebensfackel und ein Putto mit dem Schmetterling als Symbol der menschlichen Seele begleiten die Szene. Das Wandgrab für den Architekten David Gilly (1748-1808) an der Innenmauer zwischen den Kirchhöfen I und II zeichnet sich durch eine bemerkenswert reduzierte Architekturfassung aus . Die durch einen Halbbogen unter schlichtem Giebel gegliederte Wand wurde von Gilly um 1802 vermutlich selbst entworfen. In der Bogennische befindet sich lediglich ein gusseisernes Namensschild. Nach diesem Muster wurden im frühen 19. Jahrhundert mehrere Wandgräber gestaltet, darunter das Wandgrab der Familie Neumann (um 1810), das Erbbegräbnis der Familie von Knobloch (um 1810) und das Grabmal für Johann Heinrich Weydinger (um 1815). Das reicher gegliederte Erbbegräbnis der Familie Fischer (um 1800) nimmt hingegen das traditionelle Tempelschema in vereinfachter Form auf. Um 1820 verbreiteten sich schlichte, einfach gehaltene Grabwände, die meist nur mit einfachen Namenstafeln aus Gusseisen oder Marmor verziert sind. Beispiele sind Mechows Erbbegräbnis (um 1819), das Erbbegräbnis der Familie Zenker (um 1820), die Grabstätte der Freiherren von Maltzahn (1857) oder das Erbbegräbnis des Kammergerichtspräsidenten Carl Anton Wilhelm Freiherr von Schleinitz (1751-1807). An den Schauspieler August Wilhelm Iffland (1759-1814), der seinerzeit erfolgreiche Bühnenstücke schrieb, erinnert eine schlichte Granittafel mit der lapidaren Aufschrift "Iffland starb 1814".

Während die Wandgräber bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine schlichte Gestaltung aufweisen, setzten sich später reichere Architekturformen durch. So besitzt das Erbbegräbnis der Familie L. Köhler (um 1880) eine neogotische Schaufront aus vorgefertigten Terrakottaelementen, während sich das Grabmal der Familie Ankermann (um 1880) durch eine reiche spätklassizistische Gestaltung auszeichnet. Die vorgesetzten weißen Marmortafeln enthalten Porträtbüsten. Um 1890 setzten sich aufwendige Grabarchitekturen aus Granit und Marmor durch. Das Wandgrab der Familie Collani (um 1902) besteht aus schwarzem Granit und einem in der Mitte angebrachten Relief aus weißem Marmor, das Hugo Cauer schuf . Dargestellt ist eine lebensgroße Frau, die ihren Schleier anhebt, was die Hoffnung auf Auferstehung versinnbildlichen soll. Das Mausoleum der Familie Georg Caro (1901), entworfen vom Architekturbüro Kayser & von Großheim, ist einem antiken Tempel nachempfunden. Einen monumentalen Eindruck hinterlässt das wuchtige Mausoleum der Familie Lothar Bär (um 1900).

Die Einzelmonumente des Friedhofs zeichnen die Entwicklung der Berliner Bildhauerkunst über drei Jahrhunderte nach. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden große Urnenmonumente aus Sandstein errichtet. Das früheste Figurengrabmal, das sich auf einem Berliner Friedhof erhalten hat, erinnert an Landjägermeister Friedrich Wilhelm von Lüderitz (1717-1785). Das Monument, das vermutlich von Emanuel Bardou geschaffen wurde, besteht aus einem blockhaften Sockel und einer urnenförmigen Vase, auf die sich Chronos als Sinnbild der menschlichen Hinfälligkeit stützt. Hinzu kommen antikisierender Waffenschmuck und ein trauernder Putto. (3) Das benachbarte spätbarocke Urnendenkmal mit Bildnismedaillon wurde 1786 für den Kammergerichtsrat Justus Dietrich Schlechtendall (1712-1786) gesetzt. Um die Urne gesellen sich eine Trauernde mit efeuumrankten Stecken und zwei Putten, von denen einer die Lebensfackel löscht. Das Urnenmotiv wiederholt sich auf den Grabdenkmälern für den Kriegsminister Leopold Otto von Gaudi (1728-1789) sowie für seine Tochter Marie Amalie Charlotte von Gaudi (1768-1786). Das letzte Beispiel ist das klassizistische Urnengrabmal für den Schauspieler Johann Friedrich Ferdinand Fleck (1757-1801), das die Masken der Tragödie und Komödie zeigt (Abb 283). August Wilhelm Iffland, der Direktor der Königlichen Schauspiele, ließ es 1803 auf eigene Kosten von Johann Gottfried Schadow anfertigen.

Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind verschiedene Grabgestaltungen überliefert. Zum Gedenken an Oberfinanzrat Friedrich Wehling (1743-1809), der unter Friedrich II. die Entwässerung des Rhins leitete, wurde ein antikisierender Opferaltar errichtet, der ein Bildnismedaillon und figürliche Reliefs enthält. Die Stele des Musikers und Komponisten Carl Friedrich Fasch (1736-1800), des Gründers der Berliner Singakademie, ist mit einer Marmorbüste von Johann Gottfried Schadow geschmückt. Dagegen wurde für Henriette Herz, geb. de Lemos (1764-1847) ein gusseisernes Kreuz mit neogotischen Stilelementen errichtet . Die Tochter eines jüdischen Arztes portugiesischer Herkunft führte in Berlin einen einflussreichen Salon. Ein freistehender Grabtempel aus Granit und Sandstein, errichtet um 1842, erinnert an den Chirurgen, Generalstabsarzt und Hochschullehrer Carl Ferdinand von Graefe (1787-1840) und seine Frau Auguste von Graefe, geb. von Alten (1797-1857). Das klassizistische Monument, das vermutlich auf Heinrich Strack zurückgeht, enthält die idealisierte Porträtbüsten des Ehepaars, die auf einem Doppelpfeiler in der dreiseitig geöffneten Tempelhalle stehen und von Friedrich Drake geschaffen wurden. (4) Nebenan ist der berühmte Augenheilkundler Albrecht von Graefe (1828-1870) begraben. Das marmorne Medaillon mit dem Doppelbildnis von ihm und seiner Ehefrau schuf 1874 der Bildhauer Bernhard Afinger.

Die typischen Grabdenkmäler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Stelen aus poliertem Granit. Diese tragen teilweise runde Bildnismedaillons oder andere Bilddarstellungen. So ist das Grab des Theologen und Kirchenhistorikers August Neander (1789-1859) mit einem Bildnisrelief des Bildhauers Friedrich Drake geschmückt. Nebenan steht ein Granitstein mit marmornem Reliefbild des Naturforschers Petrus Simon Pallas (1741-1811). Die Granitstele für den Bildhauer Eduard Lürssen (gest. 1891) und Marie Lürssen, geb. Paez (1834-1891) enthält ein ausdrucksstarkes Doppelporträt des Ehepaars, geschaffen von Carl Lürssen. Das Bildnismedaillon Carl Helmerdings (1822-1899) ist aus Bronze gegossen. Gustav Eberlein schuf das Grabdenkmal für Franz Duncker (1822-1888), den Mitbegründer der ersten gewerkschaftlichen Arbeiterorganisation Deutschlands. Es enthält ein Bildnisrelief Dunckers und eine plastisch gebildete Blumenranke.

Von beeindruckender Gestalt ist das Grabmal der Familie Worpitzky, das der Bildhauer Julius Moser 1881 schuf. Die Stele aus poliertem Granit enthält ein Hochrelief aus weißem Carrara-Marmor. Man sieht eine lebensgroße weibliche Gestalt in antiker Anmutung, die durch eine leicht geöffnete Kassettentür dem Jenseits zuschreitet. Das Grabmonument für Albert Hoffmann (1818-1880), Verleger der satirischen Zeitschrift "Kladderadatsch", und seine Ehefrau Emma Hoffmann (1824-1864) schuf um 1880 der Bildhauer Erdmann Encke. Auf der mit einem Bildnis des Ehepaars verzierten Grabstele steht eine verschleierte Frau, die von einem Engel mit emporgerichtetem Blick gehalten und getröstet wird. Ignatius Taschner schuf zwei bemerkenswerte Grabstelen, die Jugendstilanklänge zeigen. Beim Grabmal für Carl und Emy Bennewitz von Loefen (1855-1899) wächst aus der Stelenform ein sinnlicher Frauenkopf mit langem Haar heraus , während die Sandsteinstele für den Landschaftsmaler Karl Wilhelm Leopold Bennewitz von Loefen (1826-1895) einen Frauenkopf im Profil zeigt, der mit "ARS" beschriftet ist. An Wandgräber der italienischen Renaissance erinnert ein freistehendes Grabdenkmal, das um 1907 von Walter Schott für Clara Gräfin von Einsiedel, geborene Gräfin Reuß-Schleiz-Köstritz (1789-1870) sowie für Felix von Falckenberg (1869-1909) und dessen Ehefrau Else von Falckenberg, geb. Künitz (1849-1907) errichtet wurde. Die gesockelte Bogenarchitektur enthält eine dramatisch inszenierte junge Frau, die schlafend auf einem Katafalk ruht. Der Grabstein des Malers Ludwig Passini (1832-1903) ist mit einem bemerkenswerten Bronzerelief gekennzeichnet, das klassizistische Elemente und Jugendstilformen vereint.

Zu den bekannten Persönlichkeiten, die auf dem Friedhof ruhen, gehören die Schauspielerin Friederike Bethmann-Unzelmann, geb. Flittner (1768-1815), ihr Sohn Friedrich Unzelmann (1797-1854), der sich als Maler und Grafiker einen Namen machte, der Arzt Ernst Ludwig Heim (1747-1834), der Astronom Johann Franz Encke (1791-1865), der Hofschauspieler Ernst Krause (1842-1892), Georg W. Büxenstein (1857-1924), Begründer des Berliner Ruder-Clubs sowie Stadtbaurat Hermann Blankenstein (1829-1910). Begraben sind hier außerdem der Berliner Oberbürgermeisters Franz Christian Naunyn (1799-1860) und sein Sohn Bernhard Naunyn (1839-1925), der als Arzt bekannt wurde, ferner Eduard Leonhard Drory, Mitinhaber der Imperial Continental Gas Association (ICGA), die am Halleschen Tor das erste Gaswerk Berlins errichtete. Ein Gedenkstein nahe dem Eingang an der Zossener Straße erinnert an den Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753) und an den Hofmaler Antoine Pesne (1683-1757). Die sterblichen Überreste der beiden Hofkünstler wurden 1881 auf den Friedhof überführt.


(1) Kirmss, Paul: Die Geschichte der Neuen Kirche zu Berlin von 1808 bis 1908, Berlin 1908, S. 109; Hammer 2001, S. 77-83; Gartendenkmale in Berlin. Friedhöfe, Petersberg 2008, S. 84-87.

(2) Das Grabdenkmal wurde 1864 und 1986-87 grundlegend saniert. 2005 wurde der Kopf der Hygieia gestohlen, jedoch wieder aufgefunden. Bisher ist der Kopf noch nicht wieder aufgesetzt worden.

(3) Das Grabdenkmal wurde in den 1950er Jahren und 1986-87 restauriert.

(4) 1986 wurden die Büsten durch Kunststeinkopien ersetzt.

Literatur:

  • BusB X A 3 1981 / Seite 120
  • Gartendenkmalpflege 7 (1992) / Seite .
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 349-352

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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