Denkmaldatenbank

Luisenstädtischer Friedhof

Obj.-Dok.-Nr. 09046166,T
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Südstern 8

Golßener Straße & Züllichauer Straße
Denkmalart Gartendenkmal
Sachbegriff Friedhof
Datierung 1830
Umbau 1850, 1862
Bauherr Luisenstadt-Gemeinde (Kirchengemeinde, evangelisch)
Ausführung Ludwig Späth (Gartenbaufirma)

Der Luisenstädtische Friedhof am Südstern 8 (1) ist der größte Friedhof in Kreuzberg. Die fast einen Kilometer lange Mauer, die das ausgedehnte Friedhofsgelände zwischen Bergmannstraße, Züllichauer Straße und Golßener Straße umgibt, ist ringsum mit aufwendig gestalteten Wandgräbern besetzt. Da die Wandflächen nicht ausreichten, wurden auch innenliegende Erbbegräbnisse vergeben.

Die Luisenstadt-Gemeinde, die ihre Kirche in der nördlichen Luisenstadt hatte, erhielt 1817 seitens der Regierung die Anweisung, einen Begräbnisplatz vor den Toren der Stadt anzulegen. 1830 kaufte sie ein großes Weinbergsgrundstück an der Bergmannstraße, von dem zunächst nur der innenliegende Teil für Bestattungen genutzt wurde. Nach dem Vorbild des nahen Dreifaltigkeitsfriedhofs II wurde der 1831 eingeweihte Totengarten durch ein Wegekreuz in vier gleich große quadratische Quartiere geteilt und die Wegekreuzung in der Mitte als Rondell gestaltet. Der vordere Grundstücksteil, der anfangs noch als Gartenland verpachtet war, wurde in den 1850er Jahren für Bestattungen erschlossen, was eine Erweiterung des ursprünglichen Gliederungssystems bedingte. Nachdem die Gemeinde 1862 durch Ankauf und Tausch benachbartes Land erworben hatte, nahm sie 1869 auch den bisher verpachteten Teil im Südwesten in Nutzung. Weil die Erweiterungsflächen, die durch Alleen in rechteckige Abteilungen gegliedert sind, trotzdem nicht ausreichten, legte die Gemeinde 1865 den Luisenstädtischen Friedhof II in der Hermannstraße in Neukölln und 1884-90 den Luisenstädtischen Friedhof III am Fürstenbrunner Weg in Charlottenburg an.

Neben dem Zugang an der Bergmannstraße errichtete Louis Arnd 1892 ein Totengräberhaus im Stil der märkischen Backsteingotik. Die 1868 erbaute Leichenhalle wurde 1908-09 durch eine große Kapelle ersetzt, die Carl und Walter Koeppen in Anlehnung an den 1810 von Heinrich Gentz entworfenen Grabtempel für Königin Luise im Charlottenburger Park gestalteten und mit einer Tempelfront samt Dreiecksgiebel versahen. (2) Dabei verbanden sie klassizistische Motive mit schmückenden Architekturdetails, die dem Zopfstil des späten 18. Jahrhunderts entlehnt sind, während die Kapitelle der Säulenvorhalle eine freie, zeitgemäße Ausformung erhielten. Der mit einer flachen Kassettendecke ausgestattete Innenraum wird durch dorische Säulen in drei Schiffe geteilt. Der zugehörige Glockenturm wurde erst 1928 nach Entwurf von Heinrich Straumer hinzugefügt. Es handelt sich um einen schlichten, aus Bruchstein gemauerten Rundbogen, der als Glockenträger dient und oben von einem Eisenkreuz bekrönt wird. Die Hauptachse des Friedhofs führt vom Eingang zum Mittelrondell, das die höchste Erhebung des Friedhofsgeländes darstellt. Der überlebensgroße Bronzeengel, der hier steht, symbolisiert die Auferstehung. Er wurde von Otto Geyer geschaffen und als Stiftung Hugo Raussendorffs 1904 auf dem Friedhof aufgestellt. Hinter der Hangkante folgt ein zweites, kleineres Rondell. Hier befindet sich das 1881 errichtete Erbbegräbnis der Familien Friedrich Martin Löblich, Albert Löblich und Albert Liebau, das von einer halbkreisförmigen Säulenarchitektur aus braunem Granit umfangen wird. Die von Robert Baerwald geschaffene weibliche Bronzefigur in der Mitte des Grabmals stellt eine Allegorie der Trauer dar. Der nördliche Gegenblick wird vom Turm der 1897 eingeweihten Neuen Garnison-Kirche dominiert.

Die Grabdenkmäler auf dem Luisenstädtischen Friedhof dokumentieren in einmaliger Fülle die Entwicklung der Grabmalskunst im 19. und 20. Jahrhundert. Die ältesten Wandgräber sind an der Westmauer zu finden. Diese sind meist mit spätklassizistischem Dekor versehen. Der Kaufmannsfamilie Heckmann (um 1850) ist eine mit gelblichen Sandsteinplatten verkleidete Grabwand gewidmet. In der Mitte befindet sich eine Spitzbogennische, die einen Christuskopf enthält. Das um 1859 errichtete Wandgrab für Carl Friedrich Schilling (1825-1897) besitzt reichen Terrakottaschmuck, darunter einen Christuskopf und zwei Engel . Christian August Hahnemann entwarf das Erbbegräbnis der Familie Rudolph Schultz (um 1860). In der Nische, die in der Mitte der Grabwand ausgebildet ist, steht ein Engel des Bildhauers Hugo Hagen. Das Grabmal der Kaufmannsfamilie Richard Weckmann (um 1860) ist als Tempelfront gestaltet, wobei sämtliche Architekturteile von der Tonwarenfabrik March geliefert wurden. Der Architekt Friedrich Adler gestaltete 1877 für seinen Onkel, den Stadtverordneten Heinrich Kochhann (1805-1890), eine streng gehaltene antikisierende Grabwand.

Die spätklassizistische Grabmalskunst wurde um 1880 durch reiche Gestaltungen im Neorenaissancestil abgelöst. Ein herausragendes Beispiel ist das Erbbegräbnis Sieg in der nordwestlichen Ecke des 1862 erschlossenen Erweiterungsbereichs. Es wurde um 1880 vermutlich nach Entwurf von Overbeck & Lüdicke für den Ratsmaurermeister Ludwig Sieg (1821-1887) errichtet und von Hofsteinmetzmeister Otto Metzing ausgeführt. Die fein ornamentierte Schaufassade mit Dreiecksgiebel und bekrönendem Engel enthält eine mit Marmor ausgekleidete Nische, in der eine weibliche Marmorfigur steht. Die Allegorie der Trauer wurde 1889 von Heinrich Goetschmann geschaffen. Die Grabstätte ist von einer Mauer begrenzt, an die sich nach Osten und Süden offene Säulenstellungen anschließen, wodurch in der Ecklage ein intimer Raum entsteht. Von ortsgeschichtlicher Bedeutung ist das Erbbegräbnis der Gärtnerfamilie Späth (um 1890), die seit 1720 eine Gemüse- und Blumengärtnerei betrieb . Franz Späth (1839-1913), dem eine Bronzebüste von Albert Manthe gewidmet ist, gründete 1863 im Südosten Berlins eine große Baumschule, nach welcher der Ortsteil Baumschulenweg benannt ist. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde nahe dem Eingang das Wandgrab des Unternehmers Robert Stock (1858-1912) angelegt. Vor der Grabwand steht die naturalistische Bronzefigur eines Schmiedes, die 1897 von Gerhard Janensch für den Fabrikanten und Kunstsammler geschaffen wurde. Der Sockel enthält die Inschrift "Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis", die als Zitat aus Friedrich Schillers "Lied von der Glocke" die Arbeit und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolg würdigt. Robert Stock gründete 1887 eine Firma für Spulen und Fernhörer, aus welcher die noch heute bestehenden Deutschen Telephonwerke (DeTeWe) hervorgingen.

Zur Jahrhundertwende wurde der bis dahin vorherrschende Neorenaissancestil durch andere künstlerische Formulierungen abgelöst. Das Wandgrab des Malers Ernst Carl Eugen Koerner (1846-1927) wurde um 1899 im neoromanischen Stil errichtet. In rotem Sandstein ausgeführt, besetzt es die Südwestecke des Friedhofs. Das Grabmal des Wäschereibesitzers Gustav Eltschig (1850-1903) zeichnet sich dagegen durch eine eigenwillige Mischung aus neoromanischen Anklängen und Jugendstilformen aus. Den Entwurf lieferte der Architekt Jürgen Kröger. Während sich in der Mitte ein sitzender Engel des Bildhauers Richard Grüttner erhebt, tragen die Seitenflächen symbolische Reliefs. Die Seitenwangen sind von greifenartigen Vögeln bekrönt. Ebenfalls an der Südwand steht die Grabstätte Biedermann, die 1905 nach Entwurf des Bildhauers Fritz Behn als Nischenarchitektur errichtet wurde . Den Zugang bewachen links ein sich wehrender Mann und rechts eine trauernde Frau, die als Allegorien von Morgen und Abend zu verstehen sind. Die Rückwand enthält Bänke und einen mächtigen Thron. Darüber folgt ein Goldgrundmosaik der Firma Puhl & Wagner mit Darstellung eines paradiesischen Hains. Die griechische Inschrift spielt auf den frühen Tod Liza Biedermanns (1881-1901) an. Während das Wandgrab Stücklen (1904) figürliche Jugendstilreliefs und eine Kolossalmaske enthält, ist das Grabmonument Lüben (1906) mit vegetabilen Jugendstilreliefs verziert. Das Wandgrab der Familie Maassen (1907) zeigt zwei trauernde Gestalten im Relief, die der Bildhauer Hugo Lederer schuf. Die Erbbegräbnisse aus dem frühen 20. Jahrhundert sind überwiegend an der Südwand zu finden, der gegenüber eine innenliegende Erbbegräbnisreihe angelegt wurde. Die Grabstellen sind mit Graniteinfassungen und Gittern versehen und besitzen vorwiegend Stelen aus schwarzem Granit. An der Nordwand der Erweiterungsfläche steht das monumentale Mausoleum der Familie Wrede (um 1910).

Die Einzelgräber des Luisenstädtischen Friedhofs schmücken Vasendenkmäler, Obelisken, Kreuze und Stelen in unterschiedlicher Gestaltung. Hervorzuheben ist die Marmorfigur einer Trauernden mit Kreuz auf der Grabstätte Mosch, die um 1890 von Gustav Eberlein geschaffen wurde. Der lebensgroße weibliche Akt über dem Grab der Margarethe Lange (gest. 1920) stammt von Paul Scheurich. Auf dem Grab der Martha Jagielski (um 1920) sitzt eine weibliche Gestalt, die sich trauernd an eine Urne lehnt. Es handelt sich um ein Werk des Bildhauers Albert Moritz Wolff. Hermann Hosäus fertigte die Muschelkalkstele für Reimar Hobbing (1874-1919).

Die neoklassizistischen Motive, die nach der Jahrhundertwende aufkamen, blieben bis in die 1920er Jahre hinein vorherrschend. Ein Beispiel dafür ist das Grabmal des Baumeisters Otto Sohre (1853-1926) und seiner Familie nahe dem Eingang. Das nebenstehende Wandgrab der Familie August Tobias (1924) enthält ein schlichtes Relief von Ernst Kopp, auf dem zeichenhaft ein segelnder Mann zu sehen ist. Das Grabmal für den Reichsaußenminister Gustav Stresemann (1878-1929), das der Bildhauer Hugo Lederer 1930 in Muschelkalk ausführte, setzt sich aus monumentalen Architekturelementen zusammen . Vor einer flach übergiebelten Tempelfassade erhebt sich eine sarkophagförmige Platte, die den Gruftzugang verdeckt. Die Steinkugeln über der Grabstätteneinfassung symbolisieren Ewigkeit. Eine sachliche Architekturauffassung verrät das Wandgrab der Familie Zühlke (um 1925). Ziegel unterschiedlicher Formate bilden ein Kreuz, das aus der Grabwand hervortritt. Einen Bruch mit der traditionellen Grabmalskunst markiert das Grabmal von Erwin Reibedanz (1878-1919) . Die expressionistische Muschelkalkstele in Gestalt eines auffliegenden Kometen wurde von Max Taut entworfen. Der Stein hatte ursprünglich eine leuchtende Farbfassung in Blau und Gold, die aber aufgrund von Protesten beseitigt werden musste. Reibedanz war Besitzer einer Wäscherei in Tempelhof, die sein Schwager, der Architekt Franz Hoffmann zusammen mit Bruno Taut gestaltet hatte. (4)

Auf dem Friedhof ruhen außerdem der Stadtarchivar Ernst Fidicin (1802-1883), der Bürgermeister Heinrich Hedemann (gest. 1872), der Verleger August Scherl (1849-1921), der Maler Albert Klatt (1892-1970), der Komponist Hans Chemin-Petit (1902-1981) sowie die Architekten Wassili (1889-1972) und Hans Luckhardt (1890-1954). Zwei Grabstellen sind den Diakonissen der Berliner Diakonissenhäuser Bethanien und Bethesda gewidmet.


(1) Radicke, Fritz: Die St.-Jacobi-Gemeinde zu Berlin. Festschrift zum 125. Jubiläum, Berlin 1970, S. 20; BusB X A (3), S. 55-56, 86, 92-93; Hammer 2001, S. 91-92; Gartendenkmale in Berlin. Friedhöfe, Petersberg 2008, S. 72-75.

(2) Vgl. BusB X A (3), S. 55-56.

(3) Die deutsche Übersetzung lautet: "Den jung Verstorbenen lieben die Götter".

(4) Anni Hoffmann, die Schwester von Franz Hoffmann, war mit Erwin Reibedanz verheiratet. Zur Wäscherei Reibedanz in Tempelhof vgl. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Berlin. Bezirk Tempelhof-Schönberg. Ortsteile Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und Lichtenrade, Petersberg 2007, S. 147.

Literatur:

  • BusB X A 3 1981 / Seite 92
  • Späth-Buch 1720-1930. L. Späth, Berlin-Baumschulenweg 1930 / Seite S. 630-632, 634
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 428 ff.

Teilobjekt Kapelle

Teil-Nr. 09046166,T,001
Sachbegriff Friedhofskapelle
Datierung 1908-1909
Entwurf Koeppen, Carl & Koeppen, Walter

Teilobjekt Friedhofsverwaltung (Totengräberhaus)

Teil-Nr. 09046166,T,002
Sachbegriff Verwaltungsgebäude
Datierung 1892
Entwurf Arnd, Louis

Teilobjekt Glockenturm

Teil-Nr. 09046166,T,003
Sachbegriff Glockenturm
Datierung 1928
Entwurf Straumer, Heinrich

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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