Denkmaldatenbank

Alter Kirchhof Schöneberg

Obj.-Dok.-Nr. 09045877
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Hauptstraße 46

Belziger Straße 63, 65, 67
Denkmalart Gartendenkmal
Sachbegriff Friedhof
Datierung vor 1685, 1764-1766
Umbau 1867-1868
Bauherr Kirchengemeinde (Kirchengemeinde, evangelisch)

Der wohl bereits im 13. Jahrhundert begründete Alte Kirchhof Schöneberg, Hauptstraße 46, Belziger Straße 63/67, markiert mit der Dorfkirche und der Dorfaue den ursprünglichen Siedlungskern des 1264 erstmals urkundlich erwähnten Dorfes Schöneberg. Die Anlage gehört zu den ältesten noch genutzten Berliner Begräbnisplätzen. Die ursprüngliche Lage des Kirchhofes um die mittelalterliche Dorfkirche, den Vorgängerbau der heutigen Dorfkirche, ist im ältesten Plan Schönebergs, dem "Plan Geometral De Berlin Et des Environs" 1685 von La Vigne, dargestellt. (1) An den Kirchhof des 18. Jahrhunderts erinnert noch das älteste erhaltene Grabmonument, die sandsteinerne Grabplatte des Hoftapezierers Thomas Feger, die die Südfassade der heutigen Kirche schmückt. Die Kirche, die 1764-66 neu errichtet wurde, bildet den südlichen Abschluss und einen Point de vue für den Kirchhof. Zur Hauptstraße begrenzen eine hohe, 1963-65 errichtete Stützmauer aus Stahlbeton, verblendet mit Sandstein, sowie eine Hecke den Platz um die Kirche und den hier mehrfach, zuletzt um 1965 verkleinerten Kirchhof.(2) Die im Zuge einer Straßenverbreiterung erforderliche Anpassung der Zugangsbereiche zur alten Dorfkirche sowie zur 1960-63 neu erbauten Paul-Gerhardt-Kirche auf dem westlich anschließenden Grundstück gestaltete der Gartenarchitekt Hermann Mattern 1961-64.

Der Alte Kirchhof Schöneberg wird von der Hauptstraße über Treppenanlagen an beiden Seiten der Dorfkirche erschlossen. Den südöstlichen Treppenaufgang akzentuiert ein bronzenes Kriegerdenkmal, das Hermann Hosaeus Ende der 1920er Jahre schuf. (3) Ein weiterer Eingang sowie die Zufahrt mit schmiedeeisernem Tor befindet sich im Norden an der Belziger Straße. Hier begrenzt den Friedhof eine 1899 errichtete Klinkermauer, die durch höhere Pfeiler und senkrechte, weiß verputzte Blendnischen gegliedert ist sowie von einem schmiedeeisernen Gitter bekrönt wird. Von dieser Seite stellt sich der Friedhof mit seinen Erweiterungsflächen von 1867/68 noch annähernd als "grüner Berg" dar, wie ihn Ansichten um 1800 zeigen. (4)

Der schmale, lang gestreckte ältere Kirchhofsteil von annähernd trapezförmigem Grundriss, dessen Gelände zunächst von der Hauptstraße allmählich ansteigt, dann jedoch etwa nach der Hälfte der Längsausdehnung zur Belziger Straße abfällt, wird von einem Mittelweg durchzogen. Er führt, der Achsverschiebung des Friedhofs folgend, vom südöstlichen Eingang bis zum Eingang an der Belziger Straße, vorbei am 1909-20 errichteten Verwaltungsgebäude des Kirchhofinspektors. Das kleine neobarocke Haus dient heute als Kolumbarium. Der Bereich um dieses Gebäude ist der älteste Kirchhofsteil; er ist kleinteiliger gegliedert und weist einige alte Sommerlinden auf. Auch der schon bei Theodor Fontane 1888 erwähnte Gehölzbestand - Taxus, Flieder, Lebensbäume sowie Eschen und Zypressen - ist noch anzutreffen. Das heutige Erscheinungsbild des Kirchhofs prägen vor allem zahlreiche Trauereschen sowie einige Trauerbirken, aber auch Eichen und Ulmen, die als Streubäume vorhanden sind. Von den 1753 gepflanzten Maulbeerbäumen haben sich keine Exemplare erhalten.

Der im südlichen Teil mit Natursteinmosaik befestigte Pflasterweg kreuzt etwa in der Mitte des Friedhofs einen schmalen Querweg und setzt sich als Lindenallee verbreitert und mit Betonsteinen belegt nach Norden in den neueren Teil des Friedhofs fort. An der Westseite schließt im Bereich des ehemaligen Pfarrhausgartens der jüngste Erweiterungsteil von 1948 mit einem Wirtschaftshof und -gebäuden an. (5) Westlich des Wegekreuzes befand sich bis zu ihrer Zerstörung 1943 die Kirchhofskapelle. (6) Die räumliche Lage des Grundwegenetzes ist bis heute kaum verändert: Randwege erschließen die repräsentativen Erbbegräbnisse an Ost-, West- und Nordmauer des Friedhofs; schmalere Querwege markieren den Wechsel zwischen den Abteilungen. Wenn auch einige Wandgräber sowie mehrere Mausoleen inzwischen zu Urnenhainen oder Kolumbarien umgestaltet wurden, so ist dennoch ein bemerkenswerter Bestand an künstlerisch und kulturgeschichtlich bedeutenden Grabdenkmalen und Grabstätten auf dem Kirchhof überliefert. Bei einem Rundgang erschließt sich ein großes Spektrum hochrangiger Beispiele der Sepulkralkultur verschiedenster Stilrichtungen des 19. und 20. Jahrhunderts, geschaffen von namhaften Berliner Bildhauern und Architekten.

Unmittelbar an der Stützmauer zur Hauptstraße hinter der Kirche stellt das Grabmal für den preußischen Generalleutnant Friedrich Otto von Diericke (1743-1819) ein herausragendes Zeugnis für die Zeit des romantischen Klassizismus dar. Das rechteckige Gittergrab mit gusseisernem Sockel und goldener Inschrift, das eine ägyptisierende Schmuckurne trägt, ist ein Werk der königlichen Eisengießerei. Das an einen antiken Zippus (Grenzstein) erinnernde Monument sowie das gotisierende gusseiserne Gitter entsprechen dem romantischen Kunstverständnis um 1820. Der Entwurf wird Karl Friedrich Schinkel zugeschrieben.

Eine Besonderheit stellt die erhaltene Reihe von kunst- und architekturhistorisch bedeutenden Erbbegräbnisbauten an der Ostmauer des Kirchhofs dar. Vom östlichen Eingang an der Hauptstraße kommend, trifft man zunächst auf das Ensemble der Grabanlage Richnow, deren fünf Grabdenkmale um 1853 bis 1975 entstanden sind. Ein dreiseitiges schmiedeeisernes Gitter über einem Klinkersockel fasst die nach antikem Vorbild aufgereihten Grabmale der Familiengrabstätte zusammen. Es umschließt die überwiegend mit Efeu und einigen Immergrünen bepflanzte Grabfläche. Von hoher künstlerischer Bedeutung ist das vor der erhöhten Rückwand 1875 errichtete Grabmal für den Gutsbesitzer und Kirchenvorsteher Martin Friedrich Richnow (1817-1872) und dessen Ehefrau. Das Nischenmonument des Berliner Bildhauers Julius Franz besteht aus weißem Marmor und zeigt die vollplastische Figur eines aufschwebenden Engels unter einer auf Konsolen aufliegenden Überdachung, die Akroterien und ein Mittelkranz schmücken. Die spätklassizistische architektonische Gestaltung des Denkmals knüpft an Entwürfe von Friedrich August Stüler und Johann Heinrich Strack an, deren Grabmale gestalterische Parallelen aufweisen. Die ebenfalls von Julius Franz, einem Schüler von Christian Daniel Rauch, geschaffene Engelsfigur symbolisiert den Triumph der Auferstehung und den Sieg über den Tod. Die anschließenden, um 1885 bis etwa 1900 errichteten Mausoleen und Wandgrabanlagen gehören zu den künstlerisch bedeutendsten sepulkralen Kleinarchitekturen des Historismus in Berlin. Sie wurden für die durch Landverkäufe und Bodenspekulation reich gewordenen Schöneberger Großbauern Willmann, Hewald, Richnow und Munk errichtet, deren repräsentative Wohnhäuser mit ihren zumeist spätklassizistischen Fassaden an der Hauptstraße noch vom Reichtum ihrer früheren Besitzer zeugen. Dagegen sind die Mausoleen größtenteils in Anlehnung an die Baustile der Spätrenaissance und des Barock gestaltet. Den Auftakt bildet von Süden das um 1888 für die Familie des Gutsbesitzers und Rentiers Friedrich August Willmann (1805-1896) errichtete Mausoleum, heute Fritz Troitzsch. Der aufwendige Bau verbindet Zitate aus dem Barock, der Renaissance und dem Klassizismus zu einer neuen Gestalt. Das nördlich davon um 1898 errichtete Mausoleum der wohlhabenden Familie Hewald unterscheidet sich von der romantischen Neogotik der Schinkelzeit durch eine sehr genaue Adaption hochgotischer Bauformen. Der Bauherr des nördlich anschließenden Mausoleums war vermutlich der Gutsbesitzer Ludwig Martin Theodor Richnow, der mehrere Schöneberger Grundstücke, darunter Hauptstraße 43 und 44 besaß. Nach 1866 errichtet, wird das Grabmal durch die Neorenaissance geprägt. Die folgenden zwei Mausoleen Munk sind unter Mitwirkung des Bildhauers Albert Koch entstanden. Das nach 1895 mit einer Kuppel errichtete Mausoleum der Familie Ernst Munk zeigt eine eigenwillige Interpretation verschiedener, der Renaissance, dem Barock und dem Klassizismus entlehnter Architektur- und Dekorationsformen. Den oberen Abschluss des Portals flankieren Reliefs mit knienden Engelsfiguren. Ihre Gestaltung übernahm vermutlich Albert Koch, der 1893 auch die weibliche Porträtbüste aus weißem Marmor im Innenraum schuf. Das angrenzende Mausoleum der Familie Siegmund Munk wurde um 1899 errichtet. Der Gruftbau zeigt eine Formensprache, die barocke und klassizistische Motive vereint. Den Innenraum akzentuiert eine Christus-Figur aus Marmor nach Berthel Thorwaldsen, ebenfalls von Albert Koch gestaltet. Das 1891 aus rotem Sandstein errichtete Mausoleum des Gutsbesitzers Friedrich Wilhelm Hewald (1834-1905) zeigt in seinen Architekturformen eine eigenwillige Mischung aus Romanik und Klassizismus. Der hohe Mittelrisalit mit einer Portaltür des Schöneberger Kunstschmiedes Julius Rost sowie der voluminöse Bauschmuck verleihen dem Bau eine monumentale Wirkung. Weiter nördlich sind an der Ostwand auch zwei Mausoleen des 20. Jahrhunderts überliefert: Zu den für die Entstehungszeit seltenen Beispielen gehört das nach 1912 errichtete Mausoleum der Familie Hewald Nordhausen, ein Werk des späten Neoklassizismus. Das zweite Mausoleum, ein schlichter Mauerwerksbau, zeugt von der Neuen Sachlichkeit der 1930er Jahre.

Einen besonderen Blickfang bildet im Feld 2 des Kirchhofes, an der linken Seite des östlichen Randweges, das abstrakt, in Form eines Klinkerpfeilers mit vor- und zurückspringenden Lagen und einigen hochkant stehenden Klinkern, gestaltete Grabmal für den Politologen und Syndikus Dr. Hermann Lewe. Der Berliner Bildhauer Wilhelm Gross schuf das an das zerstörte Denkmal für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Ludwig Mies van der Rohe erinnernde Grabmal 1929 für seinen Freund. Ebenfalls zu den bedeutsamen Wandgräbern an der Ostseite des Alten Kirchhofs Schöneberg gehört das Erbbegräbnis Ahlers. Es wurde vermutlich 1904 vom königlich-preußischen Hauptmann Wilhelm Ahlers für seine nur 41jährig verstorbene Ehefrau Helene in Auftrag gegeben und trägt die Inschrift: "Mein Stern, die Leuchte meines Lebens, ist erloschen und all mein Glück mit ihr." Das Wandgrab besteht aus einer dreiteiligen neogotischen Rückwand in hellem Sandstein, der Figur einer Trauernden und einem schmiedeeisernen Gitter mit stilisiertem Blattwerk, Blüten und Knospen. Während die Trauernde in ihrer linken Hand Mohnkapseln hält, die einen "langen Schlaf" symbolisieren, steht das Gitter mit den aufspringenden Knospen für das "Wiedererwachen". Das letzte Mausoleum an der Ostmauer auf Höhe des Querweges ist das Mausoleum des Arztes und Psychologen Dr. Eduard Levinstein (1831-1882), des Begründers der "Maison de Santé". Es markiert das Ende des alten Kirchhofsteils. (7) Das eindrucksvolle, um 1888 errichtete Bauwerk ist in Formen der Neorenaissance gestaltet; seit 1972 wird es als Kolumbarium genutzt. Etwas weiter westlich, am Hauptwegekreuz, wurde 1964 ein Mahnmal für die Opfer des Zweiten Weltkrieges errichtet. Es besteht aus einem Pfeilerdenkmal und einem Stein mit der Aufschrift "Den Toten, deren Gräber wir nicht erreichen".

Die Westseite des alten Friedhofsteils ist nur teilweise von einer Mauer mit vorgelagerten Erbbegräbnissen eingefasst. In deren Mitte liegt das schlichte spätklassizistische Wandgrab für den Berliner Porträtmaler und Bildhauer Professor Fritz Hummel (1828-1905), das ein klassizistisches Relief des Bildhauers Julius Franz schmückt. Vor dem Gebäude der evangelischen Kirchengemeinde an der Westseite bildet inmitten einer Erbbegräbnisreihe das um 1888 errichtete Mausoleum der Familie Carl Friedrich Willmann einen Blickpunkt. Dieser typische sepulkrale Repräsentationsbau zeigt sowohl Zitate aus der Renaissance als auch aus dem Klassizismus. Im Innenraum befindet sich eine Marmorbüste des Bildhauers Albert Koch, die Carl Friedrich Willmann (1815-1894) zeigt. Auf der kleinen Anhöhe am Mittelweg nordöstlich der Dorfkirche erhebt sich ein aus weißem schlesischen Marmor gearbeiteter Sodinustempel. In Anlehnung an Schinkels Grabentwürfe entstand das Grabdenkmal für den Baurat und Professor an der Bauakademie Friedrich Ludwig Wilhelm Stier (1799-1856) nach einem Entwurf seines Freundes Friedrich August Stüler 1858/60. Die Grabplatte innerhalb des offenen Baldachins mit sechs Säulen dorischer Ordnung zeigt einen plastisch gestalteten Lorbeerkranz am Kopfende und eine vertiefte Inschrift mit den Lebensdaten von Professor Stier sowie der Widmung "Dem Freunde dem Lehrer die Architekten Deutschlands".


(1)"Plan Geometral De Berlin Et des Environs 1685" von La Vigne, Umzeichnung aus der Plankammer des Vermessungsamtes Schöneberg, 1920. In: Zwaka 1987, S. 10 f. "Plan von der Feld-Marck Schöneberg (...)" von Joh. Heinrich Sprengell, von 1758. In: Zwaka 1987, S. 19.

(2) Bereits 1861 Abbruch der alten Kirchhofsmauer und Neubau der Mauer parallel zu Kirche und Dorfstraße. Vgl. Feige, Wilhelm: Rings um die Dorfaue, Ein Beitrag zur Geschichte Schönebergs, Berlin/Leipzig 1937, S. 109.

(3) Der Bronzeguss der Berliner Gießerei M. Sperlich wurde 1930 im Auftrag des Kyffhäuserbundes zunächst am südwestlichen Treppenaufgang zur Dorfkirche auf einem hohen Pfeiler aufgestellt. Nach einer Restaurierung erfolgte 1966 der Standortwechsel.

(4) Vgl. Kolorierter Kupferstich von J. F. Hennig, 1802. In: Winz 1964, S. 33.

(5) Die Friedhofserweiterung ist nicht Teil des Gartendenkmals.

(6) Der 1894/96 nach einem Entwurf von Franz Schwechten errichtete rechteckige Saalbau im Stil der Neugotik mit seitlichem Glockenturm bildete am Standort der ehemaligen Leichenhalle den westlichen Point de vue einer ehemals repräsentativ gestalteten Querachse, die sich heute in reduzierter Form darstellt. Ein Stück weiter an der Ostmauer befindet sich das Grabmal des Architekten Franz Schwechten (1841-1924), Erbauer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Charlottenburg, der Apostel-Paulus-Kirche in Schöneberg sowie zahlreicher anderer Berliner Bauten, das er selbst entworfen hatte.

(7) Wie ein Lageplan von 1916 zeigt, rahmten ursprünglich zwei breite Pflanzstreifen, symmetrisch mit Bäumen bepflanzt, die Wege und einen halbrunden Platz vor dem Mausoleum. Die Schmuckstreifen sind heute durch Grabstellen ersetzt.

Literatur:

  • BusB I/II 1877 / Seite 113
  • Reclam Berlin, 1987 / Seite 385
  • Wille, Klaus-Dieter: Spaziergänge in Schöneberg, Berlin 1981 / Seite 41f.
  • Zeitschrift für praktische Baukunst 22 (1862) / Seite Tafel 38
  • Erbkam: Das Grabmal des Baurat und Professor Wilhelm Stier auf dem Kirchhof zu Alt-Schöneberg bei Berlin, in: Zeitschrift für Bauwesen 10 (1860) / Seite Sp. 309-312
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 49f.

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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