Denkmaldatenbank

Friedhof I der St. Matthäus-Kirchengemeinde

Obj.-Dok.-Nr. 09045874,T
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Großgörschenstraße 12
Denkmalart Gartendenkmal
Sachbegriff Friedhof
Datierung 1855
Umbau 1863, 1866, 1936-1939
Bauherr Kirchengemeinde der St. Matthäus-Gemeinde (Kirchengemeinde, evangelisch)

Zwischen Großgörschenstraße und Monumentenstraße erstreckt sich der am 25. März 1856 eingeweihte Alte St. Matthäus-Kirchhof, Großgörschenstraße 12. Viele hier bestattete Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft spielten in der Geschichte Preußens und des deutschen Kaiserreichs von der Mitte des 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. (1) Die vielen künstlerisch herausragenden Grabmale nach Entwurf bedeutender Architekten und Bildhauer in Verbindung mit der gärtnerischen Anlage machen den Friedhof zu einem der bedeutendsten sepulkralen Denkmale dieser Zeit in Deutschland. (2)

Für die wohlhabende evangelische St. Matthäus-Gemeinde, deren Kirche 1846 von August Stüler im ehemals dicht besiedelten Villenviertel des Tiergartens errichtet worden war, wurde der Friedhof 1854-56 auf unbebautem Gelände nordöstlich des Schöneberger Dorfkerns angelegt. Er erlangte schnell überregionale Bekanntheit, sodass er bald belegt war. Schon 1863 wurde er nach Osten, 1866 und 1884 in westlicher Richtung erweitert, wie an den Wandgräbern, die heute innerhalb der Anlage stehen, ablesbar ist. Anstelle einer schlichten Kapelle von 1876 entstand 1906-09 die repräsentative Trauerhalle in Formen der italienischen Renaissance und des Barock nach Entwurf von Oberbaurat Gustav Werner. (3) Der Zentralbau mit Kuppel und offener dreibogiger Vorhalle zeigt im Zentrum der Loggia eine Figurengruppe des Evangelisten Matthäus mit dem Engel nach Entwurf von Albert Wolff, die von der Firma Ernst March & Söhne in Terrakotta ausgeführt wurde. 1903 entstanden die neobarocke Toranlage und das Verwaltungsgebäude. Gravierende Verluste an historischer Substanz erlitt der Kirchhof infolge der Planungen für die Nord-Süd-Achse von Albert Speer, als das nördliche Drittel des Friedhofs entwidmet und 1938/39 zahlreiche Erbbegräbnisse zum Südwestkirchhof nach Stahnsdorf überführt wurden, darunter alle Gräber entlang der Großgörschenstraße. Dieser Teil des Friedhofs ist heute neu gestaltet. Unweit der Trauerhalle wurde 1945 ein Sonderfeld für Kriegsopfer angelegt. (4) In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche durch Kriegseinwirkung beschädigte Mausoleen und Wandgräber abgerissen; erst ab etwa 1975 konnten die Bemühungen zur Bewahrung und Restaurierung kunsthistorisch bedeutender Grabstätten intensiviert werden.

Der in einer reizvollen Hanglage angelegte Kirchhof erhielt eine streng orthogonale Grundstruktur, die im Wesentlichen bis heute erhalten ist. Der Hauptweg führt vom Eingang an der Großgörschenstraße den relativ steilen Hang hinauf bis zur Monumentenstraße im Süden. Das kreuzförmige Wegesystem ist mit Alleebäumen besetzt, wovon auf der Nord-Süd-Hauptachse noch alte Bestände von Linden und auf den Querwegen von Rosskastanien vorhanden sind. Etwa im südlichen Drittel des Hauptweges markiert ein Hochkreuz über einem Sockel den Standort der ersten Trauerfeiern. Fast am höchsten Geländepunkt erheben sich entlang der oberen Hangkante mehrere Mausoleen. Dahinter schließt sich eine von Erbbegräbnissen eingerahmte Hochfläche an. Mit Ausnahme des nördlichen Friedhofsteils ist das Erscheinungsbild der Anlage aus der Zeit um 1856 bis 1900 gut überliefert. Ihre Struktur mit Abteilungen, Wegen, Plätzen, Einfassungskanten aus Klinkern sowie den Grabreihen hat sich an wichtigen Standorten erhalten. Auch an untergeordneten Wegen wurden Kastanien, Birken, Ahorn, Pyramidenpappeln und weitere Gehölzarten in jüngerer Zeit, ergänzt. Zahlreiche Streubäume, friedhofstypische Sträucher und Nadelgehölze sowie Hecken beleben das Erscheinungsbild innerhalb der Grabfelder. Aus jeder stilistischen Entwicklungsphase des Begräbnisplatzes seit 1856 sind kunsthistorisch herausragende Gestaltungsbeispiele der Friedhofskultur erhalten. Zudem fällt der große Reichtum an sepulkralen Kleinarchitekturen aus der Zeit von 1858 bis in die 1920er Jahre auf. (5)


(1) Wohlberedt erwähnte 275 bedeutende, auf dem Friedhof bestattete Persönlichkeiten, darunter 16 preußische Minister, zahlreiche höhere Beamte sowie bedeutende Akademiker, Künstler, Architekten, Schriftsteller und Unternehmer. Zu den herausragenden Persönlichkeiten der preußischen, deutschen und Berliner Geschichte zählen u.a. der Preußische Finanzminister, liberale Politiker und Bankier David Justus Ludwig Hansemann, Gründer der "Disconto-Gesellschaft" (gest. 1864), der Handels - und Finanzminister August von der Heydt (gest. 1874), der Kultusminister Karl Otto von Raumer (gest. 1859) und der Arzt sowie Politiker Wilhelm Loewe-Calbe (gest. 1886), der letzte Präsident der deutschen Nationalversammlung. Weitere prominente Ärzte sind Wilhelm Griesinger (gest. 1868), Bernhard von Langenbeck (gest. 1884) und Rudolf Virchow (gest. 1902). Zu den prominenten Beigesetzten gehören auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm (gest. 1863 bzw. 1859), der Pädagoge Adolf Diesterweg (gest. 1866), die Historiker Georg Waitz (1886) und Karl Ludolf von Sybel (gest. 1895), der Theologe Adolf von Harnack (gest. 1930), mehrere Archäologen, darunter Ernst Curtius (gest. 1869) und Carl Friederichs (gest. 1871) sowie Eduard Gerhard (gest. 1876), der Chemiker Eilhard Mitscherlich (gest. 1863) und der Physiker Gustav Robert Kirchhoff (1887). Prominente Architekten sind: Heino Schmieden (gest. 1913), Ernst Spindler (gest. 1916) und Alfred Messel (gest. 1909). Von den hier bestatteten bedeutenden Bildhauern sind zu nennen: Friedrich Drake (gest. 1882), August Kiß (gest. 1865), Gustav H. Eberlein (gest. 1926) und August Wredow (gest. 1891). Weiter der Orientmaler Gustav Richter (1884) und seine Frau Cornelia geb. Meyerbeer, der Schauspieler Ludwig Dessoir (gest. 1874), die Komponisten Max Bruch (1920) und Franz Xaver Scharwenka (gest. 1924). Zudem finden sich hier die Gräber der Verleger Franz und Frieda von Lipperheide (gest. 1906/gest. 1896), Ferdinand Springer (gest. 1906) und Paul Parey (gest. 1900), des Unternehmers Carl Bolle (1910) und von Bethel Henry Strousberg, dem "Eisenbahnkönig".

(2) Aubert 1975; Bloch/Scherhag 1976, S. 22-34; Steckner 1984, S. 24-27, 36 f., 44 f., 66 f.; Wilhelm/Wolff 1989; Kuhn, Jörg, Büro Müller & Altmeyer, Kunsthistorische gutachterliche Untersuchung zum Denkmalbestand des Alten St. Matthäikirchhofes an der Großgörschenstraße12 in Berlin-Schöneberg/Tempelhof, Gutachten im Auftrag des Landesdenkmalamtes Berlin, Fachgebiet Gartendenkmalpflege, Berlin 2001, S. 6-13; Kuhn, Jörg, Kunsthistorisches Gutachten zur Prioritätensetzung bei der Restaurierung von Berliner Friedhöfen, Gutachten im Auftrag des Landesdenkmalamtes Berlin, Fachgebiet Gartendenkmalpflege, Berlin 2002, S. 81-84, darin weitere Quellenangaben.

(3) Der Gemeindebaumeister und Baurat Carl Tesenwitz hatte die Bauleitung.

(4) Südlich der Trauerhalle erinnert im Feld A seit 1979 ein Gedenkstein an den ersten Beisetzungsort von Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944, darunter Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Ludwig Beck, Friedrich Olbricht, Albrecht Mertz von Quirnheim, Werner von Haeften.

(5) Bildhauer: August Julius Franz (Engel am Grabmal Louis Mayer, Porträt am Grabmal Carl Mayer), Adolf Donndorf und Adolf Itzenplitz (Beitrag zur 1877 von Friedrich Hitzig errichteten Grabstätte von Hansemann), Ernst Curfess, Rudolf Pohle, Heinz Hoffmeister, Otto Lessing, Reinhold Begas, Fritz Schaper, Nikolaus Geiger, Alexander Tondeur, Heinrich Pohlmann, Elisabeth Ney, Johanna Schöne, Ignatius Taschner (Puttenfries am Grabmal von Alfred Messel), Ernst Kopp (trauernder Orpheus am Grabmal des Komponisten Xaver Scharwenka). Architekten: u.a. Hugo Tietz, Hermann Ende (Ende & Böckmann), Bruno Schmitz, Karl Friedrich und August Endell, Albert Bohm, Alfred Grenander, Eugen Schmohl und Heino Schmieden. Berliner Kunstschmiedefirmen: Eduard Puls, Schulz & Holdefleiß, Paul Marcus. Steinmetzfirmen: Matthias Leonhard Schleicher, R. Tauchert, Stahl & Herzog, Wimmel & Co., Kessel & Röhl, Otto Metzing.

Literatur:

  • BusB X A 3 1981 / Seite 106
  • Wohlberedt: Grabstätten, 1932-1952, Bd. IV / Seite .
  • Reclam Berlin, 1987 / Seite 390-392
  • Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz (Hrsg.): Gartendenkmalpflege in Berlin 1978-1990, Heft 6, Berlin 1990 / Seite 16
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 285 f.
  • Kleri, U.: Berliner Kirchhöfe, Berlin 1869 / Seite .
  • Mitschke, Richard: Vom Saulus zum Paulus oder: Wie ich Denkmäler lieben lernte, in: OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur, Ausgabe Nr. 66 / 67, III / IV, 1999 - September 1999

Teilobjekt Denkmalgarten mit Gruftanlage für David Justus Ludwig Hansemann

Teil-Nr. 09045874,T,001
Sachbegriff Gruft
Datierung 1877
Entwurf Hitzig, Georg Friedrich Heinrich (Architekt)

Teilobjekt Mausoleum von Hansemann

Teil-Nr. 09045874,T,002
Sachbegriff Grabstätte
Datierung 1901
Entwurf Ende, Hermann

Teilobjekt Friedhofsportal und Trauerhalle

Teil-Nr. 09045874,T,003
Sachbegriff Trauerhalle & Portal
Datierung 1903, 1906-1909
Entwurf Werner, Gustav & Tesenwitz, Carl (Architekt)

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen