Denkmaldatenbank
Borussia-Brauerei
09045280 | |
Bezirk | Treptow-Köpenick |
Ortsteil | Niederschöneweide |
Adressen | Schnellerstraße 137 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Brauerei |
Datierung | 1882-1888 |
Umbau | 1901-1906, 1927-1928, 1969 |
Entwurf & Ausführung | Buntzel, Robert (Maurermeister) |
Entwurf | Obrikat, H. O. (Maurermeister) |
Bauherr | Brauerei Borussia Meinert und Kampfhenkel |
(...) Die ökonomischen Wandlungen des 20. Jahrhunderts führten zu einer wenig dauerhaften und schnell wechselnden Bebauung. Der flächenhafte Abriss nach 1990 hat zahlreiche historische Spuren beseitigt. Allein die Borussia-Brauerei an der Schnellerstaße 137 vermittelt heute etwas von der ursprünglichen Anlage und Gestalt der Industrieansiedlung in Niederschöneweide. (1) Die Fabrik blieb erhalten, weil man den Brauereibetrieb an diesem Standort zwischen 1882 und 1995 über einhundert Jahre unverändert fortführte. Dabei mussten die Produktionsanlagen immer wieder an neue technische Entwicklungen angepasst werden. Auf diese Weise entstand eine vielschichtige Anlage, die beispielhaft von der Entwicklung zu einer modernen Großbrauerei und der ganzen Breite der industrialisierten Bierherstellung berichtet. An der Schnellerstraße und am Spreeufer bilden die Gebäude mit ihren unzähligen Dächern und Türmen eine unverwechselbare Baugruppe. Die Borussia-Brauerei, die ursprünglich nur einen schmalen Landstreifen zwischen Schnellerstraße und Spree umfasste, wurde 1882 von den Unternehmern Meinert und Kampfhenkel gegründet. Aus den ersten Jahren sind nur ein Wohnhaus und das Verwaltungsgebäude erhalten geblieben. Schon damals war die Brauerei mit einem Biergarten verbunden, der bis ins frühe 20. Jahrhundert zu den beliebten Ausflugszielen der Berliner gehörte. (2) Die großen neugotischen Brauereigebäude entstanden erst nach der Übernahme durch die Schultheiss AG 1898. Von nun an belieferte die Borussia-Brauerei, bezeichnet als Abteilung IV, das Berliner Umland mit Schultheiss-Bier. Die Brauerei wurde um das westlich angrenzende Grundstück erweitert. Das Unternehmen ging 1920 in der Schultheiss-Patzenhofer AG auf, die im Berliner Biermarkt eine beherrschende Stellung einnahm. Nach dem Zweiten Weltkrieg firmierte die Brauerei unter dem Namen VEB Bärenquell. Das Unternehmen konnte den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft nur kurzzeitig überleben. 1995 wurde der Brauereibetrieb eingestellt. Die Gebäude stehen seitdem leer.
Das Beamtenwohnhaus, errichtet 1882, ist das älteste erhaltene Bauwerk der Borussia-Brauerei und der Gemeinde Niederschöneweide. Der Entwurf geht auf den Maurermeister Robert Buntzel zurück. Der schlichte Backsteinbau mit einem betonten Mittelrisalit nahm die Wohnungen des Braumeisters und anderer Bediensteter auf. Das benachbarte Verwaltungsgebäude entstand 1888. Im Erdgeschoss waren die Kontorräume angeordnet, im Obergeschoss residierte der Werksdirektor. Baumeister Buntzel wählte für das Gebäude die repräsentative Formensprache der Neorenaissance. Die reich gegliederten Gesimse, Fenstereinfassungen und Brüstungsfelder wurden mit einer hellen Farbfassung vom roten Backsteinmauerwerk abgesetzt. Für einen besonderen Akzent sorgt der Turmaufsatz über der nordöstlichen Gebäudeecke, der aus dem hervortretenden Treppenhausrisalit hervorwächst. Das steile Zeltdach wurde in den Jahren der DDR entfernt. Mit zahlreichen Umbauten wurde das Verwaltungsgebäude den veränderten Bedürfnissen angepasst. (3)
Ein lang gestreckter Flügel schirmt das Brauereigelände von der Schnellerstraße ab. Die 1902 errichteten Bauten entstanden nach der Übernahme der Brauerei durch die Schultheiss AG. Planung und Bauausführung wurden an H. O. Obrikat vergeben, einen Architekten aus Niederschöneweide, der das Baugeschäft des Maurermeisters Buntzel übernommen hatte. Die eingeschossige Pichhalle aus hellroten Backsteinen zeigt eine bemerkenswerte Fensterform. Die torartigen Rundbögen erinnern an die Thermenfenster der römischen Architektur. Obrikat wiederholte dieses Fenstermotiv an der Straßenfront der Fassfabrik. In Richtung Westen folgt das eingeschossige Fassholzlager, bei dem sich die eindrucksvolle Reihe der torartigen Bögen fortsetzt. Ein neugotischer Giebel schließt den straßenseitigen Flügel ab. In den hallenartigen Werkstatträumen wurden die Bierfässer hergestellt. Die Fassfabrik belieferte alle Abteilungen der Schultheiss-Gruppe.
Das zentrale Brauereigebäude mit Sudhaus und Maschinenhaus wurde 1906 ebenfalls von H. O. Obrikat erbaut. Der Baumeister gab der turmreichen Baugruppe aus rotem Backstein ein burgenartiges Erscheinungsbild. Der Rückgriff auf die mittelalterliche Fortifikationsarchitektur lässt sich bei zahlreichen Brauereien der Zeit um 1900 beobachten. Die reich gestalteten Gebäude warben für Brauerei und Biermarke. Obrikat bildete einen viergeschossigen Mittelbau aus, der Sudhalle und Maschinenhaus unter einem Dach vereint. Im Westen schließt sich ein gewaltiger Kopfbau an, der mit seinem Zeltdach das Brauereigelände überragt, an der Ostseite dagegen erhebt sich ein wirkungsvolles Turmmassiv. Mit dem gestaffelt auskragenden Obergeschoss und dem steilen Zeltdach erinnert es an alte Burg- und Stadttürme. Hinter den historisierenden Fassaden waren moderne technische Einrichtungen verborgen. Schon 1906 betrieb man alle Anlagen mit Elektromotoren. Drehstrom lieferte das betriebseigene Kraftwerk. Das Maschinenhaus beherbergte Dampfmaschinen und Generatoren für die netzunabhängige Stromgewinnung. Kompressionsanlagen sorgten für Kälteerzeugung. Im Sudhaus wurde das Malzschrot im Maischungsprozess aufbereitet und in großen Sudkesseln mit dem Hopfen vermengt. Das zweite Sudhaus von 1969 erhebt sich am Standort des ehemaligen Kesselhauses. Das kubische Gebäude mit seiner vollständig verglasten Hauptfront ist ein interessantes Zeugnis für die internationale Moderne in der Industriearchitektur der DDR. In der scheibenartigen Giebelwand entfaltet ein rechteckiges Fensterfeld mit einem Netz dreieckiger Betonsegmente eine ornamentale Wirkung.
Westlich von Sud- und Maschinenhaus erhebt sich eine zweite große Baugruppe. Der vordere Flügel entstand in zwei Bauabschnitten. Die beiden unteren Geschosse gehören zu einer Brauereianlage, die sich seit 1894 in den Plänen und Grundrissen nachweisen läßt. Hinter den einfachen Backsteinfassaden befand sich die Flaschenbier-Abfüllanlage, daneben der Hopfen-Lagerraum. In den anschließenden Gär- und Lagerkellern wurde die im Sudhaus erzeugte Flüssigkeit, die so genannte Würze, zu Bier vergoren. Das Gelände am Spreeufer erlaubte es nicht, unterirdische Keller mit natürlicher Kühlung anzulegen. Um aber das Flaschenbier über längere Zeit aufzubewahren, wurde nach 1920 auf die älteren Bauten ein viergeschossiges Lagergebäude aufgesetzt, das mit Kältemaschinen gekühlt wurde. Mit dem weiteren Wachstum der Schultheiss-Patzenhofer-Brauerei nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hat man diesen Kühlturm nochmals erweitert. Es entstand das gewaltiger, beinahe fensterlose Bierlager. Mächtige, subtil abgestufte Lisenen tragen zur monumentalen Erscheinung des Kühlturms bei. An der nordwestlichen Ecke ragen kubische Turmgeschosse auf. Das markante Turmmassiv wirkt weit in die umgebende Landschaft der Oberspree. Blickt man von Oberschöneweide oder von den Spreebrücken auf das Industriegebiet, dann ist der Turmbau eine unübersehbare Landmarke. Der Architekt, der namentlich nicht bekannt ist, knüpfte an die Baukunst der beginnenden Moderne an. Ein Vorbild war der Turm der NAG-Fabrik in Oberschöneweide. Die Lisenengliederung wurde hier nochmals vereinfacht und damit monumentalisiert. Im östlichen Teil des Geländes erstrecken sich verschiedene Nebengebäude der Brauerei. Der Flaschenbierkeller, ein eingeschossiges Lagerhaus mit umlaufender Verladestation, wurde 1914 nach Plänen von E. Holland errichtet. Geschützt von einem weit auskragenden Dach führt eine Laderampe um das Gebäude. Das verglaste Dach, bekrönt von Belüftungsanlagen, wird von Eisenfachwerk-indern getragen. Weiter nördlich erhebt sich der Pferdestall, ein Backsteingebäude im Burgenstil von 1910, das mit neugotischen Giebeln und kleinen Türmchen verziert ist. Der gedrungene Wasserturm im Süden ist mit Zinnenkranz, Erker und Walmdach hervorgehoben. Das dreigeschossige Werkstattgebäude, errichtet 1927, begleitet die östliche Grundstücksgrenze. Die gleichförmige Reihung der Lisenen und Fenster wird durch zwei Risalite unterbrochen, die aus dem Baukörper hervortreten und in einem auskragenden Gesims schließen. Auffallend sind die expressionistisch anmutenden Blendfelder im oberen Abschnitt der Lisenen. Diese Gestaltung wurde beim südlichen Kopfbau weitergeführt, einem Wohngebäude für Bedienstete der Brauerei.
1) Die Schultheiss Brauerei in Vergangenheit und Gegenwart. Berlin 1910, S. 107-118; Ehlers, Hans: Schultheiß-Patzenhofer 1871-1921. Berlin 1921, S. 13; Bau- und Kunstdenkmale Berlin II, S. 402; Uhlig 1995, S. 81-82; Dehio Berlin 2000, S. 471.
2) Vom Biergarten an der Spree sind nur wenige Spuren verblieben. An der östlichen Umfassungsmauer sieht man Teile einer Felsen- und Grottenarchitektur, die letzten Überreste eines Aussichtsturms mit Gastwirtschaft. Die Gasträume waren in eine romantische Felsenwelt eingebunden. Baumbestandene Partien wechselten mit grottenartigen Ruheplätzen.
3) An der Hofseite fügte man den Restaurationstrakt an, erkennbar an einer Reihe von großen Rundbogenfenstern. Der Saal beherbergte anfangs die Kantine der Brauerei, später wurde er von der Verwaltung genutzt. Der Eichraum, 1902 an die nördliche Giebelfront angebaut, greift die Fassadengliederung des älteren Kernbaus auf. Die Loggia über dem Eichraum entstand erst 1911.
Literatur:
- Ehlert, Hans, Schultheiß-Patzenhofer 1871-1921, Berlin 1921 / Seite 13
- Bau- und Kunstdenkmale Berlin II, Berlin 1987 / Seite 402
- Topographie Treptow-Köpenick/Nieder- und Oberschöneweide, 2003 / Seite 55-59
- Die Schultheiss Brauerei in Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 1910 / Seite .
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