Denkmaldatenbank
Evangelische Friedenskirche
09045210 | |
Bezirk | Treptow-Köpenick |
Ortsteil | Niederschöneweide |
Adressen | Britzer Straße & Grünauer Straße |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Kirche ev. |
Datierung | 1928-1930 |
Umbau | um 1952 |
Entwurf | Schupp, Martin & Kremmer, Fritz (Architekt) |
Ausführung | Eveking, Albert & Schultze, Albert (Architekt) |
Entwurf | Erbs, Herbert |
Bauherr | Evangelische Gemeinde Niederschöneweide |
Im Erweiterungsgebiet gegenüber der Britzer Straße sollte bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine evangelische Kirche errichtet werden. Die wirtschaftlichen Probleme der Nachkriegszeit verhinderten jedoch die Umsetzung der Planungen, so dass Niederschöneweide - im Vergleich zu anderen Berliner Industrievororten - erst sehr spät ein eigenes Gotteshaus erhielt. Die Friedenskirche an der Einmündung der Britzer Straße in die Grünauer Straße wurde 1929-30 nach einem Entwurf der Architektensozietät Fritz Schupp und Martin Kremmer erbaut. (1) Das in Berlin und Essen ansässige Architekturbüro hatte sich 1927 in einem Wettbewerb durchgesetzt. Fritz Schupp und Martin Kremmer prägten den modernen Kirchenbau der Zwischenkriegszeit, gleichzeitig schufen sie aufsehenerregende Ingenieurbauten für die Bergbauindustrie. (2) Die Friedenskirche in Niederschöneweide zeigt das Anliegen, den industriellen und sakralen Großbau im Geist der Moderne zu versöhnen, ohne jedoch jahrhundertelange Traditionen der kirchlichen Baukunst aufzugeben. Der aus dunklen Klinkern gemauerte Kirchenbau begleitet die Grünauer Straße. Der monumentale Westturm, ein ortsbildprägendes Wahrzeichen von Niederschöneweide, erinnert in seiner kubischen Form an Fördertürme von Bergwerken. Drei hohe verschattete Nischen verleihen der stereometrischen Baumasse räumliche Tiefe. Zwischen den Pfeilern öffnet sich die Eingangshalle, die zugleich als Kriegergedenkstätte gestaltet ist. (3) Das anschließende querhausartige Massiv ist ungewöhnlich für den traditionellen Kirchenbau. Zu beiden Seiten der großzügigen Vorhalle sind Treppenhäuser für die Emporen angeordnet, die die westliche Front noch breiter erscheinen lassen. (4) Das einschiffige Langhaus unter einem steilen Satteldach wird von vertikalen Fensterbahnen erhellt. Am kubischen Außenbau kann man nicht erkennen, dass eine spitzbogige Konstruktion den Kirchenraum überspannt. Kräftig hervortretende Binder gliedern den Raum, sie setzen bereits am Boden an, so dass die Gemeinde gleichsam mitten im Gewölbe sitzt. Die Deckenfelder waren ursprünglich durch vertikale und horizontale Grate geteilt. Die Architekten folgten hier einer Bauform, die nach dem Ersten Weltkrieg eine weite Verbreitung fand. (5) Nach Osten schließt sich ein sehr flacher Chorraum an. Der Triumphbogen ist relativ niedrig, so dass der Chorbogen eine weite, imposante Fläche um die spitzbogige Öffnung bildet. Der Altaraufsatz, 1930 von August Rhades aus Kalkstein gearbeitet, ist in den Formen der Neuen Sachlichkeit gehalten. Das mittlere Relief zeigt die Auferstehung Christi, auf den beiden äußeren Feldern sieht man die Anbetung des Christuskindes und die Aussendung des Heiligen Geistes. Der Bildhauer schuf auch die schlichte, monumentale Kanzel (6) und den Taufstein der Friedenskirche. Hinter dem Chor erhebt sich ein flacher Baukörper mit Sakristei und Gemeinderaum. Nach den Entwürfen von Schupp und Kremmer sollte sich nach Osten ein Pfarrhaus, nach Norden hingegen ein zweistöckiges Gemeindehaus mit Festsaal, Kindergarten und Nebenräumen anschließen. Die Gebäude wurden aus Kostengründen nicht ausgeführt. Die Friedenskirche brannte 1944 aus. Das erheblich beschädigte Kirchenschiff wurde 1951-52 wieder aufgebaut. Architekt Herbert Erbs gab dem Langhaus die alte Raumgestalt zurück, veränderte jedoch die Konstruktion der bogenförmigen Binder und der eingespannten Deckenfelder. Im westlichen Teil des Langhauses wurde 1983 eine Winterkirche errichtet. Der wenig sensible Einbau verstellt die gestaffelte Westempore und beeinträchtigt den geschlossenen Eindruck des Innenraumes.
1) [Nachrichten] in: Bauwelt 18 (1927), S. 1280; [Kirchenneubau in Berlin-Niederschöneweide] in: Die Baugilde 10 (1928), S. 27-28; Schupp, Fritz und Kremmer, Martin: Evangelische Friedenskirche in Berlin-Niederschöneweide. in: Bauwelt 21 (1930), S. 1033-1042; Friedenskirche Berlin-Niederschöneweide. Architekten: Fritz Schupp und Martin Kremmer, Berlin-Essen. in: Der Neubau 12 (1930), S. 155-158; [Eine neue Kirche in Berlin] in: Deutsche Bauzeitung 64 (1930), Beilage Bauwirtschaft und Baurecht, S. 113; Neue Kirche in Niederschöneweide. in: Das Evangelische Berlin. Kirchliche Rundschau für die Reichshauptstadt 7 (1930), S. 143; Wilhelm-Kästner, Kurt: Fritz Schupp - Martin Kremmer. Berlin 1930, Einführung (ohne Paginierung), Bildseiten 1-3; Evangelische Friedenskirche in Berlin-Niederschöneweide. in: Der Baumeister 29 (1931), S. 13; Kühne/Stephani 1978, S. 434; Busch, Wilhelm: F. Schupp, M. Kremmer. Bergbauarchitektur 1919-1974. Landeskonservator Rheinland, Arbeitsheft 13. Köln 1980, S. 64-71; Bau- und Kunstdenkmale Berlin II, S. 398-399; BusB VI, S. 150-154, 163-164, 320, 402-403; Krause, Maren: Sakralbau der Zwischenkriegszeit in Berlin. Die Kirchenbauten des Architektenkonsortiums Fritz Schupp und Martin Kremmer. Magisterarbeit am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin. Berlin 1998; Dehio Berlin 2000, S. 470.
2) Die Schachtanlage Zollverein XII in Essen und die Zentralkokerei Nordstern in Gelsenkirchen gelten als Schlüsselwerke der Industriearchitektur des 20. Jahrhunderts.
3) Aus Metall gegossene Tafeln an den Seitenwänden nennen die Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Niederschöneweider Bürger. Die Ornamentik beschränkt sich auf zwei Medaillons mit Stahlhelm und Eisernem Kreuz. Inschriften verklären den Opfertod und die heroische Größe der Soldaten: DER TOD HAT / UNS IN DIE ER- / DE GEPFLÜGT / NUN ERNET / 1914 - 1918 und NIEMAND HAT / GRÖSSERE LIE / BE DENN DIE / DASS ER SEIN LE / BEN LÄSSET FÜR / SEINE FREUNDE / 1914 - 1918.
4) Das Baumotiv lässt sich erstmals an St. Josef in Offenbach nachweisen, erbaut 1919-20 von Dominikus Böhm. An den Querturm schließt sich ein Querriegel mit nach hinten abfallenden Pultdächern an. Fritz Schupp und Martin Kremmer schlugen einem Wettbewerb 1930/31 eine ähnliche Lösung für die Johanneskirche in Berlin-Frohnau vor. Schon 1927 hatte Wilhelm Fahlbusch bei St. Michael in Berlin-Wannsee einen Turmbau mit einem Querriegel verbunden.
5) Ein frühes Beispiel für die Binderkonstruktion ist die Pfarrkirche St. Apollinaris in Lindlar-Frielingsdorf im Rheinland, erbaut 1927 von Dominikus Böhm. Die Gewölbe setzen am schon Kirchenboden an. In Berlin hatte Otto Bartning schon 1924 eine vergleichbare Konstruktion für die Gustav-Adolf-Kirche in Berlin-Charlottenburg konzipiert. Wilhelm Fahlbusch verwendete spitzbogige Binder 1927 für St. Michael in Berlin-Wannsee. Zu einer ähnlichen Form des Innenraums fand Fritz Halbach 1929 bei der Kapelle des Erziehungsheims Haus Konradshöhe in Berlin-Tegelort. Vgl. BusB VI, S. 150, 153.
6) Die Kanzel ist als monumentaler räumlicher Körper aufgefasst. Hervorgehoben ist nur das mittlere Brüstungssegment. Reliefdarstellungen der beiden Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon flankieren ein Inschriftenfeld. Das gestaltete Textrelief zitiert das von Luther gedichtete Kirchenlied "Ein feste Burg ist unser Gott": DAS WORT / SIE SOLLEN LASSEN STAHN / UND KEIN DANK DAZU HABEN / ER IST BEI UNS / WOHL AUF DEM PLAN / MIT SEINEM GEIST UND GABEN / NEHMEN SIE DEN LEIB / GUT EHR KIND UND WEIB / LASS FAHREN DAHIN / SIE HABENS KEIN GEWINN / DAS REICH / MUSS UNS DOCH BLEIBEN. Die Worte spielen nicht nur auf das Reich Gottes an, sondern sind als politische Botschaft zu verstehen, geprägt von der nationalen Stimmung in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Zahlreiche Kriegerdenkmäler in evangelischen Kirchen aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zitieren diesen doppelsinnigen Spruch.
Literatur:
- Bauwelt 18 (1927) 51 / Seite S.1280.
- Baumeister 29 (1931) / Seite S.13.
- Schupp, Fritz/Kremmer, Martin/ Evangelische Kirche in Berlin-Niederschöneweide in Bauwelt 21 (1930) 33Der Neubau 12 (1930) / Seite S.155-158.
- Busch, Wilhelm/Kästner, Kurt/ Fritz Schupp und Martin Kremmer / Seite passim
- Busch, Wilhelm, Fritz Schupp - Martin Kremmer. Bergbauarchitektur 1919-1974, Köln 1980 / Seite passim
- Bau- und Kunstdenkmale Berlin II, Berlin 1987 / Seite S.398-399.
- Topographie Treptow-Köpenick/Nieder- und Oberschöneweide, 2003 / Seite 64 f.
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