Denkmaldatenbank

Verwaltungsgebäude Knorr-Bremse

Obj.-Dok.-Nr. 09045098
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Friedrichshain
Adressen Neue Bahnhofstraße 9, 9A, 11, 13, 15, 17
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Fabrik & Bürogebäude
Datierung 1913-1916
Entwurf Grenander, Alfred Frederik Elias (Architekt)
Entwurf Lange, Friedrich (Architekt)
Entwurf Fehse, Alfred (Architekt)
Bauherr Knorr-Bremse AG (Bremsenfabrik)

Das Prinzip einer "störungsfreien" Anordnung der Treppenhäuser und Aufzüge als aus der Gebäudeflucht gerückte Treppen- und Aufzugstürme wandte Alfred Grenander in seiner 1913-1916 für die Knorr-Bremse AG gebauten Fabrik in der Neuen Bahnhofstraße konsequent an. Das auf die Herstellung von Eisenbahnbremsen spezialisierte Unternehmen benötigte ebenfalls großflächige Produktionshallen die aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Flächen in einer, sich um zwei Höfe gruppierenden, fünfgeschossigen Fabrikanlage übereiander gestapelt wurden. Ein ursprünglich begrünter Innenhof war in den Verwaltungstrakt integriert.

(S. 66)

Ein bedeutendes Zeugnis Berliner Industriearchitektur, die Fabrikanlage der Knorr-Bremse AG, befindet sich in der nahegelegenen Neuen Bahnhofstraße 9-17. Im Jahr 1883 stellte die preußische Staatsbahn ihren Betrieb auf eine Zweikammer-Druckluftbremse um, die der amerikanische Ingenieur Jesse F. Carpenter entwickelt hatte. Carpenter gründete daraufhin eine Firma in Lichtenberg, die er 1893 seinem Oberingenieur Georg Knorr überließ. Dieser konzipierte eine neuartige, nach ihm benannte Einkammerschnellbremse, die nach kurzer Zeit marktführend wurde und gab der Produktionsstätte für die Bremsausrüstung der Eisen- und Straßenbahnen 1899 den Namen Knorr. 1904-06 kaufte Knorr mehrere Grundstücke in der verkehrsgünstig gelegenen Neuen Bahnhofstraße und ließ dort ein viergeschossiges Verwaltungsgebäude mit rückwärtigen Produktionstrakten errichten. Nach dem Tode Georg Knorrs im Jahre 1911 wurde die Firma Knorr-Bremse nicht nur zur Aktiengesellschaft umfunktioniert; sie erhielt auch ein neues Fabrik- und Verwaltungsgebäude von hohem baukünstlerischen Wert. Die Fassade und die Ausstattung der Innenräume des 1913-16 errichteten, langgestreckten Klinkerbaus in der Neuen Bahnhofstraße 9-17 entsprechen dem gestalterischen Konzept des Architekten Alfred Grenander, der, 1900 zum künstlerischen Leiter der Hochbaugesellschaft berufen, das Aussehen der Bahnhöfe der Berliner U- und Hochbahn maßgeblich beeinflußt hatte. Am Entwurf des Fabrikkomplexes der Knorr-Bremse AG waren zudem die Architekten Friedrich Lange und Alfred Fehse beteiligt; der bauplastische Schmuck stammt von den Bildhauern Schmarje und Platzek. Dem fünfgeschossigen Verwaltungsbau der Knorr-Bremse AG verlieh Grenander mit Hilfe von vorgeblendeten Säulenarkaden in der Erdgeschoßzone, Sandsteinreliefs in den Brüstungsfeldern,Wandpfeilern mit pilasterartigen Vorlagen und bekrönenden Gauben über einem mächtigen Hauptgesims ein repräsentatives Äußeres.

Von besonderer Bedeutung sind die ebenfalls von Grenander gestalteten Innenräume. Die überlieferten Möbel, Decken- und Wandgestaltungen sowie Türen zeugen von Grenanders Nähe zum Werkbund bzw. zu den Ideen Henry van de Veldes. Der Möblierung widmete Grenander, seit 1911 Mitglied des Deutschen Werkbundes, besondere Aufmerksamkeit: Die heute noch erhaltenen Aktenschränke, Anrichten, Schreibtischstühle, Holzfiguren an den Türgriffen, schmiedeeisernen Kandelaber, Kronleuchter, Brüstung- und Aufzugsgitter entsprechen der vom Werkbund geforderte Nobilitierung des Handwerks. Die Hierarchie im Unternehmen findet ihren Ausdruck auch in der Raumgestaltung. Die Ausstattung der Büros, Speisezimmer und Toiletten richtete sich danach, ob Direktoren, leitende Beamte oder einfache Angestellte Zugang hatten. So wurden etwa mehr oder weniger kostbare Holzarten bzw. Marmor für die Wandtäfelungen genutzt.

In nördlicher Richtung schließt sich an den Verwaltungsbau ein sachlicher Fabrikationstrakt mit rundbogigen Fensternischen in der Erdgeschoßzone an, der im Kern noch den viergeschossigen Verwaltungsbau aus dem Jahr 1906 birgt. Eine hohe Attikazone, die Materialität und Farbigkeit der Klinker sowie die Rundbogenfenster in der Sockelzone fassen Fabrik- und Verwaltungsgebäude zu einer einheitlich wirkenden Straßenfront zusammen.

Auch die bereits 1906 errichteten älteren Produktionsgebäude im Hof, die sich bis zur Ringbahntrasse erstreckten, wurden in den Neubau einbezogen. Indem Grenander den Fabrikomplex in nördlicher Richtung um weitere Fabrikationstrakte ergänzte, erreichte er eine nahezu symmetrische Grundrißfigur. Die hofseitigen Rasterfassaden der Produktionsgebäude waren ebenso wie die des Verwaltungstraktes durchgängig mit glasierten weißen Klinkern verkleidet. Der nördliche Abschluß des Fabrikationstraktes wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und in den fünfziger Jahren als Putzbau vereinfacht wiederaufgebaut.

Über einen Tunnel im zweiten Hof besteht eine Verbindung zum 1928 östlich der Ringbahntrasse ebenfalls von Alfred Grenander errichteten Hauptwerk der Knorr-Bremse AG, das jedoch bereits zum Verwaltungsbezirk Lichtenberg gehört.


(1) Vgl. Berlin-Friedrichshain, S. 48-49; Möbius, S. 6; Der Große Baedeker - Berlin, S. 451; Knorr-Bremse AG 1909; Knorr-Bremse AG 1924; Baugewerks-Zeitung 61/1929, H. 6, S. 12-13; Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR, Hauptstadt Berlin I, S. 463-464; Der Neubau 1924, Abb. S. 189; Herbst 1923, S. 237-238; Reuther, S. 565-571; Zeitschrift für Bauwesen 1924, Hochbauteil, H. 10/12, S. 77-102.

Literatur:

  • Baedeker Berlin, 1986 / Seite S.451.
  • Baugewerks-Zeitung 29 (1929) 6 / Seite S.12-13.
  • Bau- und Kunstdenkmale Berlin I, Berlin 1983 / Seite S.463-464.
  • Eickenjäger, Berlin-Friedrichshain, 1979 / Seite S.48/49.
  • Knorr-Bremse AG, Knorr 25 Jahre im Dienst der Luftdruckbremse, 1909 / Seite ..
  • Knorr-Bremse AG, Sonderdruck der Zeitschrift für Bauwesen, 1924 / Seite ..
  • Heiligenthal/ Die Industriestadt Berlin in
    Der Neubau 6 (1924) / Seite 189 (nur Abbildung).
  • Herbst/ Die Architektur und Konstruktion moderner Zweckbauten in
    Das deutsche Bauwesen (1923) 4 / Seite 237-238.
  • Möbius, Alfred Grenander, 1930 / Seite 6 (mit Abb.).
  • Reuther/ Alfred Grenander als Industriearchitekt in
    Berlin/ Residenzstadt, 1981 / Seite 562-571
  • Zeitschrift für Bauwesen 74 (1924) 10/12 / Seite 77-102 (Hochbauteil)
  • Topographie Friedrichshain, 1996 / Seite 66, 190-193

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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