Denkmaldatenbank

Wohnanlage Proskauer Straße

Obj.-Dok.-Nr. 09045001
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Friedrichshain
Adressen Proskauer Straße 15, 16, 17

Schreinerstraße 63, 64, 64A

Bänschstraße 26, 28, 30
Denkmalart Ensemble
Sachbegriff Wohnanlage

Ein architekturhistorisch bedeutsames Zeugnis der sozialreformerischen Bestrebungen Ende des 19. Jahrhunderts ist die weiter nördlich gelegene Wohnanlage Proskauer Straße 14-17, die von 1896 bis 1898 in der Nähe der Samariterkirche auf dem freien Feld errichtet wurde. (1) Als Bauherr fungierte der 1892 gegründete Berliner Spar- und Bauverein, dem eine Vorreiterrolle im Reformwohnungsbau zukam. (2) Ziel der Genossenschaft war es, wirkungsvoll gegen Spekulanten vorzugehen, die die immense Wohnungsnot auszunutzen wußten. Der renommierte Architekt Alfred Messel setzte sich zunächst als Vorstands-, später dann als Aufsichtsratsmitglied des Berliner Spar- und Bauvereins für die Schaffung von qualitätvollen und dennoch für Arbeiter bezahlbare Kleinwohnungen ein. Als Gegenmodell zur schlecht belichteten und belüfteten Mietskaserne entwickelte Messel ein zweispänniges "Normalhaus". Während er zuvor bei der Realisierung der Wohnanlage in der Moabiter Sickingenstraße aufgrund des Grundstückszuschnitts Kompromisse eingehen mußte, konnte er hier seine Idee erstmals ohne Einschränkungen in die Tat umsetzen und zehn "Normalhäuser" verwirklichen, die durch eine einheitliche Fassadengestaltung zusammengefaßt wurden. Es entstand eine fünfgeschossige Blockrandbebauung - ohne Quergebäude und Seitenflügel - mit einem vierstöckigen Gartenhaus, das einst neben Wohnungen Versammlungsraum, Bibliothek und Kindergarten beherbergte. Mit dieser Disposition unterschritt Messel die baupolizeilich erlaubte Ausnutzung, gewann aber Raum für den begrünten und als Kinderspielplatz nutzbaren Hof hinzu. Die Wohnungen boten für damalige Verhältnisse großen Komfort auf kleinster Fläche. Jede Wohnung verfügte über ein WC, meist auch über Balkon oder Loggia. Querlüftung war - bis auf wenige Ausnahmen in den Eckhäusern - gewährleistet. Dort ordnete Messel die Treppenhäuser jedoch so raffiniert an, daß sich zumindest die dunklen "Berliner Zimmer" vermeiden ließen. Badezimmer und Waschküchen, die von allen Mietern genutzt werden konnten, waren im Dachgeschoß untergebracht. Wenn möglich, berücksichtigte Messel auch die Wünsche der Erstmieter. So folgte er deren Anregungen und plante im zweiten Bauabschnitt Ecke Proskauer Straße und Schreinerstraße größere Küchen ein.Die formale Anlehnung an den Landhausstil unterscheidet die Anlage von den angrenzenden Mietshäusern mit ihren historisierenden Stuckfassaden. Mit der Putzrustika im Erdgeschoß, den konsolengestützten Balkonen, den turmartigen Erkern und geschwungenen Giebeln zitierte auch Messel - wie damals üblich - Elemente der Renaissancearchitektur. Auf diese Weise versuchte er die soziale Stellung des genossenschaftlich organisierten Projekts architektonisch aufzuwerten.


(1) Vgl. Albrecht 1891; Albrecht 1896; Albrecht 1898; Albrecht/Dernburg; Der Große Baedeker, S. 450; Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR, Hauptstadt Berlin I, S. 541; BusB IV B, S. 148-149; Hüter, S. 177-179; Jacob, Brigitte: Alfred Messel; in: Baumeister, Architekten, Stadtplaner, S. 301-320; Zwischen Tradition und Innovation; Posener, S. 344-346; Berlin, 1980, S. 159; Roscher; Schulz/Gräbner, 1974, S. 99; Schulz/Gräbner 1987, S. 108; Wohnhäuser des Berliner Bau- und Sparvereins.

(2) Seit 1942 in "Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892" umbenannt.

Literatur:

  • BusB IV B 1974 / Seite 148-149
  • Albrecht, Heinrich/ Die Wohnungsnot in den Großstädten und die Mittel zu ihrer Abhilfe, München 1891 &
    Albrecht, Heinrich, Das Arbeiterwohnhaus, Berlin 1896 &
    Albrecht, Heinrich, Fünf Jahre praktisch-sozialer Thätigkeit, Berlin 1898 &
    Al / Seite .
  • Baedeker Berlin, 1986 / Seite 450
  • Bau- und Kunstdenkmale Berlin I, Berlin 1983 / Seite 541
  • Jacob, Brigitte. Alfred Messel in
    Baumeister, Architekten, Stadtplaner, 1987 / Seite 301-320
  • Posener, Berlin auf dem Wege, 1979 / Seite 344-346
  • Reclam Berlin, 1980 / Seite 159
  • Roscher, Ernst, Der Berliner Spar- und Bauverein und die Herausarbeitung großstädtischer Miethaus-Typen in
    Zeitschrift für Wohnungswesen 10 (1912) 8 / Seite 109-115
  • Architekturführer DDR - Berlin, 1974 / Seite 99
  • Deutsches Baugewerksblatt 17 (1898) / Seite 244-250
  • Topographie Friedrichshain, 1996 / Seite 165-167

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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