Denkmaldatenbank
Schloß Ruhwald (ehem.), Villa Rheinberg
09040613 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Westend |
Adressen | Spandauer Damm 218, 220 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Remise & Säulenhalle & Villa |
Datierung | 1867-1868, 1873-1880, 1923-1924 |
Entwurf | Schwatlo, Carl (Architekt) |
Entwurf | Piater, Franz (?) (Architekt) |
Entwurf | Schmidt, Leberecht (Architekt) |
Bauherr | Hoff, Johann & Schaefer-Voigt, Ludwig von |
Die erhaltenen Gebäude im Ruhwaldpark, Spandauer Damm 218/220 spiegeln noch heute die beiden bis 1937 (1) eigenständigen Gartenparzellen wider. Im Osten lag der Park des sog. Schlosses Ruhwald, an welchen im Westen das sog. Bechmann'sche Gartengrundstück anschloss. Beide Parzellen reichten dabei vom Spandauer Damm im Süden bis zum Ruhwaldweg im Norden und wiesen eine vielfältige Bebauung mit Villen und Nebengebäuden auf. Umfangreiche Abbrucharbeiten für den Volkspark und Kriegsschäden dezimierten den Baubestand deutlich, weshalb den überlieferten Parkarchitekturen als Dokument der langen Bau- und Nutzungsgeschichte besondere Bedeutung zukommt. (2) Das älteste Gebäude im heutigen Ruhwaldpark war ein eingeschossiges Wächterhaus in Fachwerkbauweise, das 1866 nach Plänen des Maurermeisters Karchow im Schweizerhausstil an der östlichen Grundstücksgrenze erbaut wurde und nicht erhalten ist. (3) Unter dem Geheime Kommerzien- und Kommissionsrat Ludwig von Schaefer-Voit, der durch die Modezeitschrift "Baszar" zu erheblichem Wohlstand gelangte, erfolgten dann 1867-68 nach Plänen des später für seine Postgebäude bekannten Architekten Carl Schwatlo umfangreiche Baumaßnahmen im Park. Neben dem erhaltenen Remisengebäude entstanden auch die verlorene Villa mit etwa 30 Räumen (4) und schließlich 1869 ein Maschinenhaus (5) am nördlichen Grundstücksende. Als Schloss Ruhwald bezeichnet, war die Villa ein zweigeschossiger spätklassizistischer Putzbau und zitierte den Grundriss der Villa Rotonda von Palladio in Vicenza, einem berühmten Bauwerk der italienischen Hochrenaissance. (6) Der Bauherr bewies somit einen ausgeprägten Repräsentationswillen, wobei die Namensgebung der Villa auf eine Familientragödie verwies, erinnerte sie doch an seinen 1866 im Deutschen Krieg gefallenen Sohn, der im Park beigesetzt werden sollte. (7) Auch das erhaltene Remisengebäude, an der östlichen Parkgrenze gelegen, entspricht mit seiner ansprechenden Schweizerhausarchitektur den Gestaltungswünschen des Bauherren. Der langgestreckte, anderthalbgeschossige Bau wird durch einen breiten Mittel- und zwei schmalere Seitenrisalite, die jeweils um ein zusätzliches Geschoss erhöht sind, rhythmisch gegliedert. Dabei bindet oberhalb des massiven Erdgeschosses ein hölzerner Drempel die doppelt verriegelten Fachwerkobergeschosse der Risalite optisch zusammen. 1919, nach Ende des Ersten Weltkrieges, wurden in der Remise mehrere Notwohnungen eingerichtet (8) und das Gebäudeinnere erneut 1976-79 umgebaut. (9) Der weitere Parkausbau erfolgte zunächst vornehmlich im Norden, wo entlang der Grundstückgrenze bis 1871 mehrere Gewächs- und Treibhäuser (10) und 1873 eine Petroleum-Gasanstalt entstanden. (11) Südlich der Villa wurde hingegen 1874-80 das so. Kavalierhaus nach Plänen von Franz Piater für den neue Besitzer, den Kommissionsrat und Malzfabrikanten Johann Hoff, als Ausflugsgaststätte in Formen der Neorenaissance erbaut. Seinen beiden im stumpfen Winkel zusammengeführten Gebäudeflügeln waren durchgehend rundbogige Arkaden vorgelegt. Das eigentliche Gaststättengebäude überragte ursprünglich den Ostflügel der ansonsten eingeschossigen Anlage um eine zusätzliche Etage. Die vorgelegten Säulenhallen setzten sich seitlich des Gebäudes jeweils um vier Joche fort, wodurch ein langgestreckter, zum Park geöffneter Wandelgang entstand, dem als Nordflügel ein über eine breite Freitreppe angehobener dreiseitig gefasster Kolonnadenhof entsprach. Spätestens 1892 waren im Kavalierhaus nach einem erweiternden Innenausbau zahlreiche Wohnräume untergebracht. (12) 1919 und nochmals 1930 veränderte sich der Charakter des Gebäudes erneut, als zahlreiche Notwohnungen zusätzlich eingerichtet und hierfür in der zweiten Ausbauphase die offenen Arkaden der nördlichen Wandelhalle geschlossen wurden. (13) Mit Ausnahme von Kavalierhaus und Remisengebäude wurde die Bebauung 1937 in Vorbereitung der Parkanlage beseitigt, nachdem sie zuvor unterschiedlich, etwa als Nervenheil- und als Lungenheilanstalt genutzt wurde. Allerding erlitt das Kavalierhaus im Zweiten Weltkrieg erhebliche Schäden, weshalb die Ruine 1956 gesprengt wurde. (14) Erhalten sind der Kolonnadenhof im Norden und die nördliche Wandelhalle von vier Jochen, während die Gaststätte und die südliche Wandelhalle verloren sind. In zwei Nischen der Baugruppe stehen zudem auf hohen Postamenten die Büsten von Ludwig von Schaefer-Voit und seiner Frau Margarethe von Schaefer-Voit. Die heute beschädigten Bildwerke schuf der Rauchschüler Karl Cauer. Nach dem Krieg erfolgte rückwärtig an die nördliche Wandelhalle der Anbau eines eingeschossigen Traktes mit Aufenthaltsräumen für Gärtner, der 1969 (15) und erneut 1983 (16) erweitert wurde. Auf dem früher westlich an den Ruhwaldpark angrenzenden Gartengrundstück ließen hingegen die Brauereibesitzer Johannes und August Bechmann erst 1884 an der Chaussee zwei Gebäude von ähnlichem Umfang, einen Stall und ein benachbartes Gärtnerhaus, errichten. (17) Ein Gewächshaus folgte im Jahr darauf, (18) bevor 1892 nach Plänen von Alfred Schrobsdorff im mittleren Gartenbereich ein villenartiges Wohngebäude in Formen der Neorenaissance und ein Stall in Fachwerkbauweise errichtet wurden. (19) Das ein- bis zweigeschossige Wohnhaus zeigte aufwändige Fensterädikulen im Erdgeschoss sowie flache Giebel mit Akroteren an den Schmalseiten und wurde bereits 1893 nochmals nach Planungen von Schrobsdorff um eine verglaste Veranda und 1907 um ein durchgehendes Obergeschoss erweitert. (20) Im Umfeld des Wohnhauses war die Gartenanlage über mehrere Lauben sowie ein Tauben- und ein Hühnerhaus mit verschiedenen Kleinarchitekturen gestaltet. Zudem war ein 1894 an der westlichen Grundstücksgrenze erbauter Pferdestall ebenfalls dem Oeuvre von Schrobsdorff zuzuschreiben. (21) Diese erste Bebauung des parkartigen Villengartens durch die Gebrüder Bechmann ist nach den Abbrüchen von 1937 nicht erhalten. Heute dokumentiert hingegen die Villa Rheinberg, 1923-24 als eingeschossiger Putzbau mit Mansarddach nach Plänen von Leberecht Schmidt für Ida Rheinberg erbaut, die bewegte jüngere Geschichte des Gartens und das letzten Endes erfolglose Bemühen um die Bebauung des Areals durch die Administratio AG. (22) Über einem Souterrain erhebt sich der überaus repräsentative Bau in einer Verbindung aus strengen am Klassizismus orientierten Formen für die Eingangsfassade im Süden und barockisierenden Formen für die Gartenseite im Norden. Hier tritt eine von einer Terrasse umfasste Rotunde als halbrundes zweigeschossiges Bauglied hervor. Ihre gestalterische Bedeutung steigern vorgeblendete Doppelpilaster und das abschließende Kuppeldach. Eine zweiläufige Treppe schwingt schließlich seitlich der Terrasse symmetrisch aus und bindet an den Garten an. Im Inneren sind im Erdgeschoss sowohl die Wohn-, Schlaf- als auch Wirtschafträume um eine großzügige Diele organisiert, während unter dem Dach die Angestellten- und Fremdenzimmer untergebracht waren. Heute beherbergt die gut erhaltene Villa einen jüdischen Kindergarten.
Am südöstlichen Ende des Ruhwaldparks ist am Spandauer Damm (vor Nr. 220) ein Meilenstein als Dokument des preußischen Wegebaus erhalten. (23) Entlang der sich in Berlin bündelnden Chausseen wurden diese steinernen Denkmale mit Entfernungsangaben aufgestellt. Mit dem aus Granit gearbeiteten Rundsockel-Meilenstein am Spandauer Damm ist eine um 1830 gesetzte und somit späte Wegemarkierung erhalten. Denn bereits 1872 mit Einführung des metrischen Maßes verloren die Meilensteine ihre Funktion. Nach römischen Vorbildern, die auch in den früheren Provinzen an Rhein und Mosel zu finden sind, ist das Wegedenkmal von 80 cm Höhe mit einem Pfeilerschaft über zylindrischem Sockel gestaltet. (24) Sein großes Schriftfeld auf der straßenzuwandten Seite des mit stumpfer Spitze abgeschlossenen Schaftes gibt in Antiqua-Lettern "/I MEILEN BIS BERLIN" wieder. Diese Streckenangabe bezog sich auf das Berliner Stadtschloss, den Ausgangspunkt für die Wegevermessung der Chausseen. Dabei entsprach die Preußische Meile 10.000 Schritten und somit etwa zwei Wegestunden Fußmarsch. Da eine Meile etwa 7,5 km gleichkommt, stand der heute versetzte Meilenstein ungefähr 11,25 km von der Schlossinsel entfernt. Sein ursprünglicher Standort ist vermutlich an der Berlin-Hamburger-Chaussee zu verorten. Es ist ungeklärt, wem der Entwurf des typisierten Meilensteines zu verdanken ist. Auch für vergleichbare ältere Steine vom Ende des 18. Jahrhunderts, deren Gestaltung grundsätzlich für den Meilenstein am Spandauer Damm übernommen ist, kann keine gesicherte Entwurfsautorenschaft angegeben werden. Es scheint jedoch naheliegend, dass Idee und Typus von einem der frühklassizistischen Baumeister Berlins über eine italienische Studienreise nach Preußen importiert wurden.
(1) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 134.
(2) Bauakten BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 1-9; Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde und Heimatschutz in der Mark Brandenburg, 16 (1907/08), S. 1-9, S. 311-313; Bark, Willy: Chronik von Alt-Westend, Berlin 1937, S. 17-21; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 361-363; Börsch-Supan, Eva u. Helmut: Berlin, Kunstdenkmäler und Museen, 2. Aufl. Stuttgart 1977 (Reclam, Kunstführer Deutschland), S. 484; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz (Hrsg.): Tag für Denkmalpflege in Berlin 1988, Berlin 1990, S. 116; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 198-199; Dehio 2000, S. 195-196; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Berlin, bearb. v. Sibylle Badstübner-Gröger, Michael Bollé, Ralph Paschke u.a., 3. Aufl., durchgesehen u. ergänzt v. Michael Bollé, München-Berlin 2006, S. 252-253.
(3) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2, fol. 16.
(4) Nur ein älterer Entwurf der Villa ist auch von Carl Schwatlo signiert, Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2, fol. 76-77. Die Entwurfautorenschaft Schwatlos wird beispielsweise überliefert in: Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde und Heimatschutz in der Mark Brandenburg, 16 (1907/08), S. 6.
(5) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2, fol. 58.
(6) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2, fol. 81. Umbauten erfolgten 1892 unter dem neuen Besitzer Levinstein Schlegel durch Maurermeister Hellwig, Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 10.
(7) Aufgrund fehlender behördlicher Genehmigung wurde der Sohn, Udo von Schaefer-Voit zunächst auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof und später dem Luisenkirchhof I beigesetzt. Vgl. Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde und Heimatschutz in der Mark Brandenburg, 16 (1907/08), S. 3.
(8) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 8.
(9) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 6, fol. 40 und Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 6a, fol. 79-82, fol. 127, fol. 309-311.
(10) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2, fol. 87.
(11) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2, fol. 94-95. Unter dem neuen Besitzer Alvin Abrahamsohn folge 1895 ein Wächterhaus an der westlichen Grundstücksgrenze, Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 59. Ein weitere Gewächshaus nach Plänen von J. Kruse entstand dann 1898, Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 71.
(12) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 6.
(13) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 44 und Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2, fol. 121.
(14) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 143.
(15) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 2a, fol. 155.
(16) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 6a, fol. 11. Weitere Umbauten folgten 2016, Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 9, fol. 79-81.
(17) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 1, fol. 6-7, fol. 12. Das Gärtnerhaus wurde 1893 nach Westen erweitert, Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 1, fol. 105-106.
(18) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 1, fol. 21.
(19) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 1, fol. 34 und fol. 68.
(20) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 1, fol. 28 und fol. 150.
(21) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 1, fol. 72.
(22) Bauakte BWA-Charlottenburg, Spandauer Damm 218/220, Band 3.
(23) Sasse, Wilhelm: Wege und Meilensteine weisen nach Berlin, in: Edwin Redslob zum 70. Geburtstag. Eine Festgabe, Berlin 1955, S. 358-367.
(24) Bei den römischen Vorbildern erhebt sich der Säulenschaft zumeist über einem rechteckigen Sockel.
Literatur:
- Riesel, C.: Das romantische Havelland, Teil I, Berlin 1869 / Seite 64f.
- Gundlach I, 1905 / Seite 388, 478
- Gundlach II, 1905 / Seite 450
- Brandenburgia 16 (1907/08) / Seite 1-9, 309-13
- Brandenburgia 40 (1931) / Seite 179f.
- Monatsblätter für den Touristenclub für die Mark Brandenburg 17 (1932) / Seite 32
- Völkischer Beobachter, 05.11.1936 / Seite .
- Bark, Willy: Chronik von Alt-Westend, Berlin 1937 / Seite 17-21
- Zeitschrift des Vereins für die Geschichte Berlins 3 (1940) / Seite (Beiblatt) S. 11
- Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 361-363
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