Denkmaldatenbank
Internationales Studentenheim
09040499 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Westend |
Adressen | Harbigstraße 14 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Wohnanlage & Vereinshaus & Ateliergebäude & Studentenwohnheim |
Datierung | 1950, 1958-1959 |
Umbau | 1965, 1981 |
Entwurf | Müller, Hans C. & Weber, Heinz & Heinrichs, Georg (Architekt) |
Entwurf | Mattern, Hermann |
Bauherr | Vereinigung für Internationale Studentenarbeit e.V., Berlin-Charlottenburg (Magistrat von Groß-Berlin) |
Zwischen der Siedlung Heerstraße und dem Mommsenstadion liegt das Internationale Studentenwohnheim, Harbigstraße 14. (1) Die campusartige, durchgrünte Wohnanlage zählt geschichtlich und architektonisch zu den bedeutendsten Studentenheimen in Deutschland. Die in lockerer Verteilung auf einem unregelmäßig geschnittenen, über vier Hektar großen Areal gelegenen Gebäude entstanden in drei Bauabschnitten zwischen 1950 und 1967 nach Plänen von Hans Christian Müller, Georg Heinrichs und Ludwig Leo. (2) Die Ursprünge des Heimes gehen zurück auf eine Studenteninitiative von 1947. Damals fassten Studenten eines internationalen studentischen Arbeitslager, in dem ausländische Studenten ihren deutschen Kommilitonen beim Wiederaufbau der Technischen Universität Charlottenburg halfen, den Plan zur Errichtung eines Internationalen Studentenheims. Es galt, ein Zeichen der Aussöhnung zu setzen, durch internationales Gemeinschaftsleben Völkerverständigung und Demokratie zu etablieren und dabei "ausländische und deutsche Studenten in eine Studiengemeinschaft hineinwachsen zu lassen." (3) Unter Schirmherrschaft der Hochschule für bildende Künste Berlin (HfbK) wurden bis 1951 zwei kriegsbeschädigte Klassenpavillonbauten des hier nur teilweise fertiggestellten Mommsengymnasiums zu einem Gemeinschafts- und einem Wohnhaus ausgebaut. Während diese Bauten aus der Gründungszeit heute nicht mehr wahrnehmbar sind, da sie bei Erweiterungen in den 1950er und 1960er Jahren verändert oder abgebrochen wurden, hat sich der erste Neubau auf dem Gelände, das 1950-53 erbaute Club- und Atelierhaus trotz Umbauten weitgehend erhalten. Hans Christian Müller, der den rein studentischen Architektenwettbewerb gewonnen hatte, führte den Bau gemeinsam mit seinen Kommilitonen Stefan Wewerka, Werner Rausch und Ludwig Leo durch. (4) Das Erstlingswerk des Architekten zeigt mit geometrischen Formen bereits die der Moderne der 1920er Jahre verpflichtete Architekturauffassung Müllers (5), der den Bau mit Pultdächern, Sichtziegelfassaden und wandhohen Verglasungen zum umgebenen Naturraum zugleich "an zeitgenössischen amerikanischen Vorbildern" (6) orientierte. Die vom amerikanischen McCloy-Fonds finanzierte, durch eine Mauer verbundene Hausgruppe besteht aus dem Clubhaus und einem ein- bis zweigeschossigen Atelierbau. (7) Die mit sparsamen Mitteln errichtete Anlage avancierte schnell "zum internationalen Studententreffpunkt und geistigen Zentrum des Berliner Hochschullebens". (8)
Die stark gestiegene Studentenzahl West-Berlins und der Zuspruch, den das internationale Wohnprojekt bekam, machten einen größeren Ausbau des Studentenheims nötig. 1958-59 entstanden nach Entwurf von Hans Christian Müller, Georg Heinrichs und Ludwig Leo fu?r insgesamt 336 Bewohner fünf aufwendige viergeschossige Wohnhäuser (Haus 1-5) in Punktbauweise, deren Konzeption und Strukturierung trefflich die programmatische Zielsetzung nach internationaler Studentenarbeit erfüllten. Die locker im Gelände verteilten Gebäude, die seit einer Modernisierung 1981-82 eine veränderte Grundrissdisposition zeigen (9), nahmen ursprünglich jeweils 61 Studenten auf, die in siebenköpfigen Wohngruppen mit internationaler Belegung eine "parlamentarische Einheit einschließlich eines Tutors bilden" sollten. (10) Dagegen hat sich das äußere Erscheinungsbild, das stilistisch bereits in die Nachkriegsmoderne der 1960er Jahre weist, weitgehend erhalten. Die Gliederung der Fassaden wird vom Rhythmus der Fensteröffnungen bestimmt, der die Einzel- und Doppelzimmertrakte klar zum Ausdruck bringt. (11) Zu diesem Bauabschnitt gehörten auch das Zentrale Wirtschafts- und Mensagebäude (Haus 15), das an einem der beiden Vorkriegsbauten angebunden wurde, sowie die großzügige Parkanlage nach Plänen von Hermann Mattern. Ähnlich wie beim zeitgleichen Studentendorf Schlachtensee setzte Mattern auch hier terrassierte Grünflächen und künstliche Erdhügel in Spannung zu einander, wobei Letztere vor den Hauseingängen umfriedete Hausgemeinschaften signalisieren sollten. (12) Zehn Jahre später folgte der dritte Bauabschnitt (Haus 6-12) mit 262 Wohnplätzen, der 1966-67 wieder nach den Entwürfen Müllers, Heinrichs und Leos entstand. Anstelle von Punkthäusern wurden vier Hausreihen errichtet. Nach Westen zur Siedlung Heerstraße orientiert, sollten die "zwei- und dreigeschossigen leicht mäandrierend gestaffelten Häusertrakte zudem einen räumlichen Übergang schaffen". (13) In den paarweise zusammengefassten Häusern liegen ebenfalls wohngemeinschaftliche Raumgruppen mit jeweils acht Einzelzimmern, Teeküche mit Essplatz sowie Wasch- und Toilettenraum, die von einem schmalen Treppenhaus erschlossen werden. Die neuen Häuser passen sich mit dunkelrotem Putz und weißen Holzfenstern in geometrischer Ordnung in das Gesamtbild der Anlage harmonisch ein. (14)
(1) BW 50 (1959), S. 1488, 1497, 1500-1503; Kimmerle, Helmut/Wirsing, Werner/Blase, Karl Oskar: Studentenwohnheime 1960/63, Bonn 1963, S. 73; L'architecture d'aujourd´hui 123 (1966), S. XIII; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968, Nr. 167; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. B, Sozialbauten, Berlin 2003, S. 218, 224 f., 335; Zünder, Ralf: Eichkamp, Das Internationale Studentenwohnheim Eichkamp, 1947-2007, Eine Dokumentation, Berlin 2006.
(2) Die drei Architekten kannten sich vom Studium an der Hochschule für bildende Künste in Berlin, an der sie zu den Schülern von Max Taut gehörten.
(3) BW 50 (1959), S. 1488; vgl. auch Jahn, Hans Edgar: Lebendige Demokratie, die Praxis der politischen Meinungspflege in Deutschland, Frankfurt/Main 1956, S.465f.
(4) Ludwig Leo wohnte damals im Studentenheim Eichkamp. Der Innenausbau des Clubhauses konnte erst 1959 fertig gestellt werden. Die Fassaden sind durch neue Fenstereinbauten verändert. (5) Hans Christian Müller hob 2007 in der Rückbesinnung das damalige Konzept hervor: "dass wir trotz damaliger Not nicht einem puren materiellen Kasernen-Stil verfielen, sondern bei allen hinzunehmenden finanziellen und räumlichen Einsparungen, ein Konzept zu entwickeln verstanden, das im Sinne individueller Abschirmung, aber trotzdem nachbarlicher Kommunikation, durch kleinteilige Wohngruppierungen und verschiedene Raumtypologien bestimmt war." Vgl. Grußwort Hans C. Müller zum 60jährigem Jubiläum 2007. In: www.eichkamp.net/?page
(6) Bernau, Nikolaus: Zum Tod des West-Berliner Architekten und Stadtplaners Hans Christian Müller, Ein Lieblingsfeind der Postmodernen. In: Berliner Zeitung vom 13.08.2010.
(7) Einst lagen im Erdgeschoss des Clubhauses ein großer Gemeinschaftsraum und ein Vortragssaal, die sich jeweils mit die Wand auflösenden Fensterbändern nach außen öffneten. Im Atelierhaus kamen ein großes Zeichenatelier sowie Zimmer für Doktoranden- und Gäste unter.
(8) Zünder, Ralf: Eichkamp, Das Internationale Studentenwohnheim Eichkamp, Eine Dokumentation, Berlin 2006, S. 66.
(9) Die Doppelzimmerbelegung wurde aufgegeben und dafür kleine und große Maisonette-Wohnungen geschaffen. Anstelle separater Wasch- und Toilettenräume wurden sanitäre Einbauten in den vergrößerten Zimmern integriert. Umbau durch das Architekturbüro Olaf Gibbins.
(10) Zünder, Ralf: Eichkamp, Das Internationale Studentenwohnheim Eichkamp, Eine Dokumentation, Berlin 2006, S.105. Um einen atriumartigen Lichthof mit Treppenhaus lagen Einzel- und Doppelzimmer, jeweils mit gemeinsamen Küchen- und Waschräumen pro Etage. Als Besonderheit waren die Doppelzimmer als Maisonettes ausgebildet, mit Wohnebene, Schlafebene und Waschraum. Die räumlich getrennten und versetzten Wohntrakte erschloss der zentrale Treppenraum, der als gemeinschaftlicher "Treffraum" geplant, mit Loggia, Teeküche und Essplatz ausgestattet war. Den relativ kleinen Studentenbuden suchten die Architekten "durch funktional optimierte Einbauten und intelligent gesetzte Fenster (...) ein maximales Nutzungspotential zu verleihen". Vgl. Zum Tod des Berliner Architekten Ludwig Leo. In: www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de; Kimmerle, Helmut; Wirsing, Werner; Blase, Karl Oskar: Studentenwohnheime 1960/63, Bonn 1963, S. 73.
(11) "Ergebnis ist eine klare und sehr geometrische Ornamentierung der Fassade durch die spezifische Fensteranordnung, die durch einen starkfarbigen Putz nochmals kontrastiert wird." Vgl. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. B, Sozialbauten, Berlin 2003, S. 225.
(12) Teut, Anna: Architekten heute, Porträt Georg Heinrichs. Berlin 1984, S. 52.
(13) Zünder, Ralf: Eichkamp, Das Internationale Studentenwohnheim Eichkamp, Eine Dokumentation Berlin 2006, S. 154.
(14) 2011-13 Instandsetzung der Gebäude 5, 8-12 zum Teil mit Wärmedämmung sowie Qualifizierung der Außenanlagen. Die Wohnanlage wird heute vom studierendenWERK BERLIN verwaltet.
Literatur:
- Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1987 / Seite Nr. 167
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