Denkmaldatenbank
Messegelände mit Funkturm, Marshall-Haus, Palais am Funkturm
09040498 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Westend |
Adressen | Hammarskjöldplatz 1, 3, 5 Jafféstraße 4 Messedamm 12, 14, 16, 18 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Messegebäude & Funkturm & Messe |
Datierung | 1924-1926, 1929-1930, 1935-1937, 1950, 1957 |
Entwurf | Straumer, Heinrich & Poelzig, Hans & Wagner, Martin & Ermisch, Georg Friedrich Richard & Grimmek, Bruno & Düttmann, Werner (Architekt & Stadtplaner) |
Die monumentalen Steinfassaden längs der Masurenallee künden schon von weitem das Messegelände Hammarskjöldplatz 1/5 u.a. an. Das große Areal, das nach Süden sich bis zur Jafféstraße erstreckt, wirkt mit seinen 26 Ausstellungshallen, dem Funkturm, dem Sommergarten und dem angeschlossenen Internationalen Congress Centrum (ICC) wie ein eigenes Stadtviertel. Es zeigt in seltener Dichte mit Messebauten von den 1920er Jahren bis heute die architektonische Entwicklung einer einem schnellem Wandel unterworfenen Typologie. Aus verschiedenen Epochen haben sich Bauten erhalten, die dem Messegelände ihr unverwechselbares Gepräge geben. Nicht mehr vorhanden sind jedoch die ersten Ausstellungshallen, die bereits 1914 und 1924 nach Plänen von Hans Alfred Richter sowie Johann Emil Schaudt auf dem Gelände des heutigen Zentralen Omnibus-Bahnhofs und benachbart entstanden. Sie sind im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Auch der erste Hallenbau auf dem eigentlichen Messegelände südlich der Masurenallee, die unterhalb des Funkturns 1924 erbaute Halle der deutschen Funkindustrie von Heinrich Straumer, ging 1935 durch einen Brand verloren. Bewahrt hat sich dagegen der 1924-26 ebenfalls nach einem Entwurf von Straumer errichtete Funkturm, der damit der älteste Messebau ist. (1) Der 147 Meter (2) hohe Sendeturm ist nicht nur eine Inkunabel des Neuen Bauens der 1920er Jahre, er ist vor allem Pionier in der Radio- und Fernsehgeschichte Deutschlands. Der Funkturm sollte als neue hohe Funkantenne des Senders Witzleben die Rundfunkversorgung Berlins verbessern, indem er die zu schwachen Antennenanlagen der Sender Vox-Haus und Berlin II am Magdeburger Platz ersetzte. Auch bei Form und Konstruktion des Stahlturms wurde Neuland betreten. Die Bauaufgabe Sendeturm stand Mitte der 1920er Jahre noch in der Entwicklungsphase, zumal es architektonisch gestaltete Türme mit Aussichtsplattform und Restaurant wenige gab. So griff Heinrich Straumer auf eine ähnliche Turmform zurück, wie sie der Eifellturm von 1889 verkörpert. Wie beim Pariser Vorbild fußt die stählerne Fachwerkkonstruktion auf vier Basisstützen, verjüngt sich nach oben, nimmt Plattformen auf und hat ähnliche Proportionierungen im Aufbau. Der Berliner Turm unterscheidet sich allerdings nicht nur in seiner geringeren Höhe. Er weist eine gerade, schlanke Linienführung auf, die mehr den Erfordernissen der Konstruktion folgt. Hinzu kommt eine leichtere, transparentere Stahlkonstruktion, die die Entwicklung vom Eisen- zum modernen Stahlbau widerspiegelt. Sie ermöglichte schlankere Profile und eine sparsamere Materialverwendung, sodass lediglich 400 Tonnen Stahl verbaut wurden. Dies und der Verzicht auf jegliche Schmuckform gaben dem Turm sein sachliches, neuzeitliches Gepräge, bei dem "Restaurant und Plattform aus der Eisenkonstruktion des Turmes herauswachsen" (3). Die gewünschte einfache knappe Form ist ein Ergebnis enger Zusammenarbeit von Architekt Heinrich Straumer und den Ingenieuren von der Stahlbaufirma Hein, Lehman & Co, die für Projektierung und Montage der Stahlkonstruktion verantwortlich zeichnete. (4) So ist der Turm auch ein Wahrzeichen des "Berliner Eisenbaus am Wendepunkt des Eisenbaus zum Stahlbau" (5).
Im Kontrast zur technoiden Gestalt des Turms steht die behagliche Ausstattung des Restaurants, die sich weitgehend erhalten hat. (6) Auf 55 Meter Höhe kragt es mit schräg gestellten Fenstern wie die Kabine eines Luftschiffes hervor - ein damals angesagtes Verkehrsmittel der Luftfahrt. So erinnert denn auch die aufwendige Gestaltung im Innern mit Rippendecke, Nussbaumtäfelung und kunstvollen Intarsien vom Wiener Gestalter? Victor Lurje an zeittypische luxuriöse Schiffseinrichtungen. Trotzdem blieb der technische Ausdruck des Turms bewahrt, indem Straumer die durch den Raum gehendenden Stahlrahmen in die Gestaltung einbezog, allerdings mit einer Holzverkleidung. Der Berliner Funkturm mit seiner Aussichtsplattform an der Turmspitze wurde schnell zu einem identitätsstiftenden Wahrzeichen für die Berliner und ihre Besucher. Von hier wurden ab 1926 Sendungen des Hörfunks, ab 1929 zunächst versuchsweise Fernseh-Testsendungen und 1932 sogar die weltweit erste Fernsehsendung ausgestrahlt. In den 1970er und 1980er Jahren nahm seine Bedeutung als Sendeturm immer mehr ab. Heute strahlt er nur noch Amateur-, Land- und BOS-Funk aus. (7)
Zwei Jahre nach der Inbetriebnahme des Funkturms waren 1928 der Architekt Hans Poelzig und Stadtbaurat Martin Wagner mit der Entwicklung eines Gesamtkonzepts für das Messegelände beauftragt, um die über Berlin verteilten und unabhängig voneinander betriebenen Messeaktivitäten in Charlottenburg zu konzentrieren. (8) Gedacht war, die künftig zu errichtenden Messe- und Kongresshallen wie auch Erholungs- und Freizeitbereiche ringförmig zusammenzuschließen, um gegebenenfalls einen Rundgang trockenen Fußes zu ermöglichen. Ausgeführt wurde 1929-30 allerdings nur ein geringer Teil mit dem Sommergarten, zwei Hallen an der Rundfunkhalle sowie einem verbindenden Casinobau, sodass nun der Funkturm inmitten eines Hofs lag. Diese räumliche Disposition besteht noch heute, wenn auch die umgebenen Hallen Um- und Neubauten weitgehend aus der Nachkriegszeit sind.
Mitte der 1930er Jahre kam es unter der Regie von Magistratsoberbaurat Richard Ermisch von der Hochbauverwaltung der Stadt Berlin zu einer durchgreifenden Neuplanung für das Messegelände. (9) Ihre axiale Monumentalität widersprach dem ovalen Gesamtbild der Poelzig-Wagner-Planung und führte zu Abbrüchen und Überformungen. (10) Sie ist es auch, die das Entrée der Messe am heutigen Hammarskjöldplatz bis heute prägt. Hier liegt der 1936-37 errichtete Hallenkomplex längs der Masurenallee mit der 35 Meter hohen Ehrenhalle (Halle 19), die zwischen den flankierenden, 102 Meter langen Ost- und Westflügeln (Hallen 18 und 20) emporragt. (11) Die Hallengruppe ist ein anschauliches Beispiel für den staatlichen Monumentalbau der NS-Zeit, der im Sinne eines neuen Stils einen ins Pathetische gesteigerten Neoklassizismus einfordert. Steht man vor den massigen Werksteinfassaden, so ahnt man nicht, dass sie eine Stahlskelettkonstruktion verbergen, die zu den technisch aufwendigen seiner Zeit zählte. In nur 16 Monaten wurden das riesige selbsttragende Stahlskelett und die Muschelkalkplatten montiert. Das Stahlgewicht der stützenfreien Hallen betrug jeweils 1.000 Tonnen. (12) Den Außenbau gliedert eine strenge Folge von hohen schlanken Fenstern zwischen kantigen Steinpfeilern. Sie belichten 23 Meter hoch auch das imposante Innere der Ehrenhalle, die man über eine vorgelagerte zweiteilige Eingangshalle betritt. Auffallend ist hier die farbige, abstrakte Glasgestaltung mit Berliner Stadtwappen der Glaskünstlerin Hella Santarossa, die eine Neufassung der kriegszerstörten Fenster von 1987-91 ist. (13) Der mit 41 Meter Länge und 21 Meter Breite repräsentative Hallenraum ist das festliche Foyer der Messe Berlin. Zugleich fungiert es als Vermittler zu den beiden Seitenhallen.
Vor der Eingangshalle liegt der weite Hammarskjöldplatz, der nach dem 1961 verstorbenen schwedischen Friedensnobelpreisträger und ehemaligen UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld benannt ist. Zu seinem Gedenken entwarf Werner Düttmann 1964 eine Denkmalanlage, die am Platzrand nahe der Masurenallee ihre Aufstellung fand. Düttmann gestaltete die Gedenkstätte architektonisch wie ein kleiner Ehrenhain. Ein erhöhter rechteckiger Platz mit Treppenstufen und einer mittigen Linde wird von zwei Mauersegmenten und Steinbänken gesäumt, wobei die höhere Mauer eine bronzene Gedenktafel trägt. Ein würdiger stiller Gedenkort. (14)
Östlich der Halle 18 schließt in einem stumpfen Winkel eine der beiden Poelzig-Wagner-Hallen von 1929 an, die 1937 von Richard Ermisch gestalterisch an die Neubauten angepasst wurden. Die im Krieg teilzerstörte Halle 17 ist durch Wiederaufbau und späteren Umbauten stark überformt. (15) Nur noch die hohen seitlichen Stahlfensterbänder erinnern an das einstige beeindruckende Halleninnere mit der sichtbaren Deckenkonstruktion aus stählernen Vollwandträgern mit 32 Meter Spannweite. (16) Nach Kriegsverlust der zweiten Halle ist sie neben dem Sommergarten der einzige Überrest der Poelzig-Wagnerschen Planung für das Messegelände.
Auf der Ecke Masurenallee und Messedamm markiert im Anschluss der Halle 17 ein Rundbau mit hoch aufragender Laterne das Messegelände. Seine Pfeilergliederung, die schlanken Fensterbänder wie auch die Werksteinverkleidung der Stahlkonstruktion weisen ihn wie sein Pendant im südlichen Verlauf des Messedammes als weiteren Messebau der Ermisch-Planung aus. Die beiden Rotunden, Hallen 13 und 16, sind die Überbleibsel der 1935-36 erbauten Gläsernen Galerie (17), die bis zur Anbindung des Messegeländes an das 1973-79 errichtete Internationale Congress Gentrum (ICC) mit einem gleichgestalteten Zwischenbau verbunden waren, der für einen Neubau mit einer Verbindungsbrücke über den Messedamm zum ICC abgebrochen wurde. Die 200 Meter lange Gläserne Galerie verlor dadurch einen wesentlichen Teil ihres städtebaulichen und architektonischen Konzepts, das mit Rundformen, wandhohen Verglasungen und nächtlicher Lichtgestaltung die sachliche Architektur der Poelzig-Wagner-Bauten anklingen ließ. Die baulichen Zutaten stammen von den Architekten des ICC, Ralf Schüler und Ursula Schüler-Witte. Mit ihrer futuristischen Aluminiumverkleidung und eckigen Formen passen sie sich dem technoiden Design des ICC an.
Der Zweite Weltkrieg unterbrach nicht nur den weiteren Ausbau des Messegeländes, sondern beschädigte die Ermisch-Bauten stark und vernichtete die älteren Poelzig-Hallen weitgehend. Zur Ankurbelung der daniederliegenden Wirtschaft war ein schneller Wiederaufbau gefordert. Bereits 1948 waren die Hallen am Masurenallee und Messedamm nach bauzeitlichem Vorbild wiederhergestellt. Der Ausbau des Messegeländes begann 1950 für die geplante erste Deutsche Industrieausstellung mit sechs Hallen nach Entwürfen von Alfred Roth und Franz Heinrich Sobotka & Gustav Müller. (18) Von diesen schlichten Funktionsbauten in Stahl-Glas-Konstruktion hat sich aufgrund stetiger Um- und Neubauten fast nichts bewahrt. Am besten erhalten hat sich die U-förmige Hallengruppe 9 (ehemals Hallen 8 und 9) von Alfred Roth mit dem verbindenden Eingangsbau am Messedamm, wenn sie auch durch Herausnahme der verglasten Seitenwände und durch eine Überdachung zu einen Hallenkomplex verschmolzen wurden.Auch an die zur gleichen Zeit entstandenen ephemeren Länderpavillons am damaligen Platz der Nationen erinnert nur das 1950 eröffnete George-C.-Marshall-Haus der USA. (19) Der landschaftlich schön an der Südseite des Sommergartens gelegene Pavillon spiegelt in einzigartiger Weise Materialität und Formenvielfalt der frühen Nachkriegsmoderne wider. Leichtigkeit und Transparenz, organische wie auch kubische Formen, verbunden mit schlank profilierten Stahl-Glas-Fronten, finden sich hier. Bruno Grimmek, der Leiter der Entwurfsabteilung der Senatsverwaltung für Bau -und Wohnungswesen, konzipierte den Messebau von vornherein für eine dauerhafte multifunktionale Nutzung. (20) Dies spiegelt sich im szenischen Aufbau des lang gestreckten Baukörpers wider. Er besteht aus einem zweigeschossigen kubischen Hauptbau, der sich zum Sommergarten mit einer zehn Meter hohen Stahl-Glas-Front der Ausstellungshalle öffnet. Ihm angegliedert ist ein Rundpavillon, der sich schneckenförmig mit einer Galerie dem Gebäude entgegenwindet. Pavillon und Galerie ruhen gleichfalls schwebend auf schlanken Stützen und sind ebenfalls flächig verglast. Neben der Ausstellungshalle kam auch noch ein Vortragssaal mit Kinoeinrichtung unter, der sich an der einen Schmalseite vorwölbt. Die lichte große Halle wird von verspielt geschwungen Elementen charakterisiert. Eine breite Freitreppe schwingt sich elegant zur Galerie empor, die freischwebend den Saal nierenförmig umgibt. Einst trug der Pavillon einen 26 Meter hohen drehbaren Fahnenmast mit Wimpeln der teilnehmenden Länder der Ausstellungen. Pavillon und Mast wie auch die gesamte Gebäudekonfiguration erinnern an eine Entwurfsidee von Walter Gropius mit Hanns Dustmann aus dem Jahr 1931 für ein Clubhaus in Buenos Aires. (21) Bruno Grimmek hatte das Projekt im Stil des Neuen Bauens wohl vor Augen, als er mit einer an das Bauhaus angelehnten Architektur bewusst der steinernen Monumentalität der Messegebäude aus der NS-Zeit etwas entgegensetzen wollte. Mit einer demokratisch offenen und beschwingten Architektur sollte zudem ein Stück des "American Way of Life" vorgeführt werden. Auf den jährlichen Industrieausstellungen waren hier amerikanische Produkte wie moderne Haushaltsgeräte als Schaufenster der USA ausgestellt. Gleichfalls ist das Marchall-Haus ein Symbol Deutsch-Amerikanischer-Verbundenheit nach dem Krieg. Bauherr war das Amerikanische Hochkommissariat (High Commissioner for Germany). Mit der Namensgebung sollte der US-amerikanische Staatsmann George C. Marshall geehrt werden. Auf ihn geht der Marshall-Plan zurück - ein umfassendes wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm der USA für Westeuropa, das European Rescue Program (ERP), aus dessen Mitteln auch das Haus auf dem Messegelände finanziert und nach dem der Pavillon benannt wurde. Der sehr vernachlässigte Bau bekam 2008 durch eine denkmalgerechte Sanierung sein ursprüngliches Erscheinungsbild zurück und ist heute ein Kulturort für Events und Ausstellungen.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Sommergartens liegt das zur Interbau-Industrieausstellung 1956-57 erbaute Palais am Funkturm. (22) Das ebenfalls vom Senatsarchitekt Bruno Grimmek - hier in Zusammenarbeit mit Werner Düttmann und Werner Klenke - geschaffene neue Hauptrestaurant auf dem Messegelände sollte den Mangel an geeigneten Räumen für große Veranstaltungen, Feste und Bälle beheben. Es gibt keinen anderen erhaltenen Veranstaltungsort Berlins, der mit Formen und Interieur die 1950er Jahre Nachkriegsmoderne authentischer verkörpert. Die Architekten schlossen den breit gelagerten zweigeschossigen Kubus geschickt unmittelbar an die Ehrenhalle der Ermisch-Bauten an, so dass der Hauptzugang von der Masurenallee erfolgen konnte. Betritt man über den mit schwarzem Marmor verkleideten Eingangsbereich den Veranstaltungssaal, so befindet man sich in einer völlig anderen Gestaltungswelt. Nicht monumentaler Pathos, wie in der Ehrenhalle, prägt den raumfüllenden Saal, sondern beschwingte kurvige Formen vermitteln eine Leichtigkeit, die ihm jegliche Starrheit nimmt. Zugleich wirkt der weite wie hohe, offene Raum transparent lichtdurchflutet durch seine ganz in Glas aufgelöste Schauseite zum Sommergarten, die der Neuen Sachlichkeit verpflichtet erscheint. Charakterisiert wird der Saal, der im Erdgeschoss und auf der Empore Platz für 2.400 Gästen bietet, durch zwei Öffnungen in der Decke - ein Kreis mit 17 Metern Durchmesser und eine sich von der Front her 17 Meter weit in den Raum hereinziehende Parabel. Ihren Formen folgen der Schwung der Emporen, die fast stützenlos zu schweben scheinen, und zwei freitragende, sich in den Rang hineinschwingende Treppen. Auf der Empore ist der Raumeindruck geprägt von schlanken weißen Zugstangen, an denen die Emporendecke angehängt ist. "Ungehindert kann man dennoch durch die Öffnungen von Geschoß zu Geschoß blicken, so daß der trennende Charakter einer Decke aufgehoben ist, und die Gäste im Erdgeschoß und Rang nicht nur optisch miteinander verbunden sind. Beide Geschosse werden somit gleichsam zu einem Raum." (23) Die östliche Treppe unter dem Kreis ist versenkbar konzipiert, um einen ungehinderten Blick auf die Bühne zu gewährleisten. Vor den Restauranträumen liegen in Grünflächen eingebettet weite Terrassen mit einem großen Wasserbecken, das mit Wasserspielen den festlichen Charakter des Palais herausstellt. Sie sind in die Terrassen des Sommergartens eingebunden und ziehen so geschickt das Palais in die Raumwirkung des Gartenovals hinein. Von Anfang an war das Palais, das als eine der schönsten und modernsten Gast- und Veranstaltungsstätten Deutschlands galt, nicht nur für repräsentative Festakte der Messe, sondern auch für "ganz Berlin und seine Gästen" konzipiert. (24) So ermöglichen versenkbare Holzwände und Faltwände bis heute eine multifunktionale Nutzung auch für Kongressveranstaltungen und Vorträge. Hauptattraktion aber waren die Bälle, die es neben dem Schöneberger Prälat (25) zum beliebtesten Ballhaus in West-Berlin machten. (26)
Von den frühen Hallenbauten der Nachkriegszeit hat sich allein die 1957 errichtete Halle 25 ihr Erscheinungsbild bewahrt, die, für schwere Ausstellungsgüter konzipiert, bis heute den Namen Schwerindustriehalle trägt. (27) Sie bildet nahe der Jafféstraße den Abschluss des westlichen Hallenzuges und sticht dort mit ihrer klaren, die Konstruktion bestimmten Form aus den architektonisch eher anspruchslosen Nachbarhallen hervor. Ihre außergewöhnliche Formgebung ist das Meisterwerk einer engen Zusammenarbeit von Architekt und Ingenieur. Die architektonische Gestaltung lag wiederum in den Händen von Bruno Grimmek, dem Leiter der Baukünstlerischen Abteilung der Senatsverwaltung für Bau -und Wohnungswesen, während die konstruktive Ausführung bei Wayss & Freytag A. G. und dem Statiker Prof. Werner Koepcke von der TU Berlin lagen. (28) Voraus ging ein Wettbewerb zur Findung der Konstruktionsform der Halle, den die Firma Ed. Züblin A. G. mit einer vorgespannten Zweigelenkrahmenkonstruktion in Stahlbeton für sich entschied. (29) Ihre Errichtung in nur fünf Monaten stand im Kontext mit der Interbau im Hansaviertel - im September 1957 war sie Teil der Interbau-Industrieausstellung auf dem Messegelände. Mit einer 7550 Quadratmeter großen Grundfläche, einer stützenfreien Spannweite von 53 Metern und einer Länge von 160 Metern galt sie als die größte Spannbetonhalle in Europa. (30)
Anfangs bestand die neue Messehalle aus drei deutlich abgesetzten Bauteilen: aus dem erhaltenen flachen Eingangsvorbau mit den Kassen am südlichen Hallenkopf, einem nicht mehr vorhandenen Wirtschaftsteil mit Restaurant und Ausstellerbüro auf der Nordseite und dem eigentlichen Hallenkörper. Ihn charakterisiert eine künstlerische Durchbildung des sichtbaren Tragwerks, wobei Bruno Grimmek die Statik des Zweigelenkrahmens und die Schlankheit derartiger Spannbetonbauten geschickt zu nutzen vermochte. Er setzte die elf 17 Meter hohen Stiele der Hallenbinder vor die Glaswände der Längsseiten und gestaltete sie keilförmig aus der Statik heraus. Sie sind folglich nach den Stützenfüßen stark verjüngt, was dem Kräfteverlauf bei Rahmen mit gelenkigen Stützenfüßen und biegesteifen Rahmenecken entspricht. (31) In ihrer eleganten Schlankheit und ihre Reihung im Takt der Hallenfelder klingt Leichtigkeit und Beschwingtheit der 1950er Jahre an, die sich auch auf den Giebelseiten zeigt. Dort stützen 15 Meter hohe Stahlbeton-Wandscheiben weit vorgezogene Kragdächer, die originell in Längsrichtung die Keilform der Stiele aufnehmen. Auch im Halleninneren drücken unverkleidete dünne Stahlbetonrippen der Deckenkonstruktion klar die Zweckbestimmung des Messebaues aus. Hier schließt sich der Raumeindruck durch verglaste Längswände. Ihre selbsttragende Konstruktion erlaubte es Grimmek, sie als dreizehn Meter hohe Lichtbänder vor den Binderstielen bis unmittelbar unter die Dachdecke hochzuziehen, was für ausreichende natürliche Belichtung sorgt. In dieser Form unterschied sich die Schwerindustriehalle deutlich von den schlichten Zweckbauten von 1950 auf dem Ausstellungsgelände. Aufgrund ihrer mit der Interbau verknüpften Erbauung war ein höherer gestalterischer Anspruch gefordert. So war sie mit ihrer markanten Konstruktion selbst Schaustück der Wirtschaftswunderzeit und Ausdruck zurückgewonnener Bedeutung Berlins als Messestadt nach dem Krieg.
In den 1980er Jahren fanden umfangreiche Hallenerweiterungen statt. Zu den architektonisch bemerkenswerten Neuerungen zählen die von Bernd Kühn, Hans-Ulrich Bergander und Jochen Bley entworfenen Verbindungsbauten Großer und Kleiner Stern von 1987-88. Sie entstanden im Rahmen der von ihnen ab 1978 durchgeführten Neugestaltung der Hallen 7-11 und 17 als durchgehender zweigeschossiger Hallenzug, um eine bessere Verbindung der Hallen untereinander zu erreichen. (32) Die eingefügten sternförmigen, zweigeschossigen Erschließungsbauten zeigen sowohl expressive als auch brutalistische Merkmale, wie sie für die Architektur der 1980er Jahre charakteristisch sind. So wölben sich Stahl-Glas-Lichtdecken mit prismatischen Körpern in den Raum und sind Säulen und Wände betonsichtig in schalungsrauer Optik ausgeführt.
Von den neueren Messebauten prägt das Messegelände weitaus dominanter die von O. M. Ungers geplante und 1993 bis 2003 realisierte südliche Erweiterung, für die die Verlegung der Jafféstraße und der Abbruch der alten Hallen notwendig waren. Mit der großräumigen Erweiterung mit 80.000 Quadratmetern zusätzlicher Ausstellungsfläche, zu der ein neuer zweiter Haupteingang beim S-Bahnhof Messe Süd gehörte, sollte das bis dahin planlos erweiterte und überformte Messeareal neu geordnet werden. (33) Ungers entwarf eine große Baufigur, die im Kern aus drei parallelen Ost-West-Gebäuderiegeln besteht und so den Raum südlich des Sommergartens zwischen den Hallenzügen schließt. Ihr vorgelagert ist ein halbkreisförmiger verglaster Eingangsbereich für den neuen Südeingang an der Jafféstraße. Die modulare Gebäudestruktur und die sachliche Gestaltung der zweigeschossigen Hallenriegel sind charakteristisch für Ungers rationale und funktionale Architektur. Die Fassaden werden dominiert von einem quadratischen Raster des Stahlbetonskeletts, das ein Stahlgitterwerk akzenturiert und das mit rotbraunen Ton-Keramik-Platten verkleidet ist oder Fenstereinbauten aufnimmt. Die markante Fassadenstruktur ist vor allem vom Sommergarten aus sichtbar, wo einer der Riegel einen weiten Raumabschluss bildet.
Literatur:
- Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 540-550
- BusB IX 1971 / Seite 1-33, 255-256
- Hoffmann: Das Ausstellungsgelände am Funkturm, in: Geschichtslandschaft, Charlottenburg 2, 1985 / Seite 98-114
- Ochs, Haila: Werner Düttmann, Architekt für Berlin -1921-1983, Basel/Berlin/Boston 1990 / Seite 270, 276
- Posener: Hans Poelzig, Sein Leben, sein Werk, Braunschweig 1994 / Seite 226-230, 271-279
- Neue Bauwelt (1951) 47 / Seite 189-195
- Neues Bauen in Berlin, Berlin 1931 / Seite 29
- Dehio, Berlin, 2000 / Seite 183-184
- Berliner Stahl-Hochbauten, Berlin 1936 / Seite 14-25
- Lorenz, Werner; May, Roland; Staroste, Hubert: Ingenieurbauführer Berlin, Petersberg 2020 / Seite 222f.
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
- Tel.: (030) 90259-3653
- Fax: (030) 90259-3700
- E-Mail juliane.stamm@lda.berlin.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
Jüdenstr.
- 248
- 300
-
Nikolaiviertel
- N8
- N40
- N60
- N65
-
Jüdenstr.